TV-Kritik «Die jungen Diplomaten»: Thomas Borer hatte es da schon lustiger

Von TV-Experte Gion Mathias Cavelty

30.8.2019

Seit dem letzten Donnerstag wird auf SRF 1 eine fünfteilige Doku-Serie mit dem Titel «Die jungen Diplomaten» ausgestrahlt, in der fünf junge Schweizer bei ihrer Ausbildung zu Diplomaten von einem Kamerateam begleitet werden. TV-Experte Gion Cavelty haut in die Tasten.

Meine Hoffnung: Selbst möglich viel über die Kunst der Diplomatie zu lernen.

Nach der Visionierung von zwei Folgen muss ich ein bisschen ernüchtert feststellen: Allzu viele diplomatische Tricks wurden dem Zuschauer nicht vermittelt.

Zuerst aber zu den fünf porträtierten angehenden Diplomaten (alle befinden sich im Alter zwischen 32 und 37): Das sind allesamt sympathische und angenehme Leute, aber halt nur mässig interessant. Man sieht sie privat beim Kochen für Freunde oder beim Weihnachten-Feiern mit den Eltern.



Eine, sagen wir, «pointiertere» Persönlichkeit fehlt, also zum Beispiel einer vom Typ «Super-Streber/-Schleimer», der unter dem Anzug aber volltätowiert ist und privat in Sadomaso-Kreisen verkehrt. Wäre so einer nicht auch wichtig für gewisse diplomatische Missionen? Und einer, der sich besonders auf die Kunst des literweisen Wodka-Trinkens versteht (für Missionen in Russland zum Beispiel)? Oder einer, der besonders gut mit Kamelen kann?

Keine Schuhe und kein Schlaf

Der Zuschauer gewinnt die Fünf aber schnell lieb; den einen verschlägt es für die obligatorische mehrmonatige praktische Ausbildung in die Schweizer Botschaft in Bueons Aires, den anderen in den Senegal; das könnten durchaus noch spannende Doku-Stränge werden.

Was einem rasch klar wird: Wie hart die berufsbedingten Wohnortwechsel sind, auch für Familie und Freunde der Diplomaten-Azubis – heute Genf, nächste Woche fünfzehn Monate Myanmar, wie etwa im Fall des Wallisellers Alexander (32). Dort muss man sich die Schuhe ausziehen, bevor man ein Gebäude betritt, die Schweizer Botschaft inklusive. Man sieht Alexander, wie er nach dem Flug aus der Schweiz und nur zwei Stunden Schlaf zum ersten Mal den Schweizer Botschafter trifft – und danach flugs mit irgendwelchem Getöggel am Compi beginnen muss, das bis in die Nacht dauert. Not very prickelnd.

«Das ist wirklich eine Entscheidung für eine Lebensform», äussert sich Livia Leu, Präsidentin der diplomatischen Zulassungskommission, in der Doku zum Diplomatenleben.

Der Teufel steckt im Detail

So. Und was lernt nun der geneigte Zuschauer in Sachen Diplomatie konkret?

Zuerst einmal: Wie man einen jordanischen Prinzen, den man am UNO-Sitz in Genf im Lift zwei Stöcke nach unten begleiten sollte, zunächst in ein FALSCHES Stockwerk eskortiert (grosse Kunst!).

In einem «Verhandlungs-Kurs» doziert der ehemalige Spitzendiplomat und jetzige ETH-Professor für Verhandlungsführung Michael Ambühl den Absolventen: «On n'est pas là pour servir le café.» Aha. Und weiter? «Wenn man Komplexität einigermassen darstellen kann, hat man schon etwas erreicht». Ach was?

In einem «Etiketten-Kurs» (zu dem der gemütlich-gutmütige Jean-Baptiste aus Freiburg zu spät erscheint, Grund: er habe «auf dem Weg ein Kamerateam getroffen») lernen die Absolventen, dass man Salat nicht mit dem Messer schneiden, sondern nur mit der Gabel und eventuell einem Stück Brot bändigen darf.

Thema Begrüssung: Diverse Handschläge von Staatsoberhäuptern werden analysiert; wer den Handrücken oben hat, «hat das Sagen», doziert die Kursleiterin. Kalter Kaffee.



(In welchem Kurs erfährt man eigentlich, wie man die Gattin eines ausländischen Staatsoberhaupts am effizientesten beleidigt?)

Dann wird noch das Thema «Dresscode» verhandelt: «Ich möchte meine Individualität zum Ausdruck bringen mit meinen Socken – wie klingt das?», fragt die Kursleiterin. Okay, finde ich. Die richtige Antwort lautet jedoch: «Je höher man in die Etagen geht, desto unbunter wird es. Je bunter die Kleidung, desto niedriger ist die Status-Message, die wir übermitteln.»

Da hatte es Thomas Borer als Botschafter in Berlin doch irgendwie lustiger, nicht wahr?

«Die jungen Diplomaten» lief am Donnerstag, 29. August, um 21.05 Uhr auf SRF 1. Mit Swisscom Replay TV können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

Und hier noch die Bilder des Tages
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