Isabella Rossellini Von Hollywood zu «grünen Pornos»

Von Marlène von Arx, Los Angeles

26.1.2021

Die Schauspielerin Isabella Rossellini ist Film-Dynastie-Tochter und ehemalige David-Lynch-Muse. Jetzt arbeitet sie als Tier-Verhaltensforscherin und untersucht deren Sexleben.

Isabella Rossellini, Sie sind im Herbst in einer One-Woman-Online-Liveshow mit dem Titel ‹Sex and Consequences› über die Fortpflanzung von Tieren aufgetreten. Wie kamen Sie denn auf diese Idee?

Ich habe ja inzwischen einen Master in Tierverhalten und Tierkommunikation. Vor ein paar Jahren Inszenierte ich komödiantische Monologe über Tiere unter dem Titel ‹Green Porno› für den Sundance Channel. Nun habe ich ein paar Monologe überarbeitet, neue Kurzfilme auf meiner Farm gedreht und Live-Elemente eingebaut. Das Ziel war die Rückkehr des Live-Theaters via Zoom.

Sie scheinen sich beim Tierverhalten hauptsächlich für das Sexleben zu interessieren …

Nicht nur. Es gibt interessante neue Studien: In der Evolution reden wir vom ‹Survival of the Fittest›, also dem Überleben der Stärksten oder Aggressivsten. Aber jetzt denkt man, die ‹fittesten› Tiere sind vielleicht die freundlichsten, die kooperativsten – nicht unbedingt die kräftigsten. Vielleicht wurde so aus dem Wolf der Hund und aus dem Mufflon das Schaf. Fortpflanzung bedeutet nämlich nicht nur Schwangerschaft, sondern letztlich auch die Veränderung der Spezies.

Wer hat Ihre Tierliebe entfacht?

Ich hatte mit fünf Jahren eine Blinddarmentzündung. Da schenkte mir meine Mutter einen Welpen. Seitdem hatte ich immer einen Hund. Seit sechs Jahren lebe ich nun auf einer Farm ausserhalb von New York. Da haben wir auch Ziegen, Schafe, Hühner, Enten, Truthähne und Bienen.

Isabella Rossellini und ihre grünen Pornos: Hier das Beispiel mit Krevetten.

YouTube/SundanceTV

Wer ist ‹wir›?

Meine Tochter Elettra leitet die Farm. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in ihrem eigenen Haus, das sich nur durch den Garten getrennt von meinem befindet. Wir sehen uns jeden Tag, und sie kann fix auf mich zählen, dass die Oma den Kleinen dreimal die Woche hütet.

Was produziert Ihre Farm?

Wir produzieren Gemüse, Honig und Eier – kein Fleisch. Und jetzt habe ich gerade ein Programm mit seltenen Schaf-Arten begonnen, die andere Wolle produzieren, als die weit verbreiteten und in Monokulturen gezüchteten Marino-Schafe. Ich arbeite mit einer New Yorker Mode-Schule zusammen, die Biodiversität unterstützt. Und wir setzen auch beim Gemüse auf biologische Vielfalt und pflanzen andere Sorten von Tomaten und Spargeln an als die herkömmlichen.

Sie sind inzwischen 68 Jahre alt – ein Jahr älter, als es Ihre berühmte Mutter, die Schauspielerin Ingrid Bergman, wurde. Wie kommt Ihnen das vor?

Mein Geburtstag vor einem Jahr hat mich sehr bedrückt. Ich war den ganzen Tag traurig. Meine Mutter starb an ihrem 67. Geburtstag. Das ist jung. Ich fühle mich jedenfalls voller Energie in diesem Alter. Meine Kinder haben meine Eltern nie kennengelernt. Ich habe sie beide verloren, bevor ich 30 war und Kinder hatte.



Wie erinnern Sie sich heute an Ihre Mutter?

Ich bewundere ihre Stärke, ihre Rechtschaffenheit, ihren Humor und ihren Charm heute mehr denn je. Sie ist in meinem Kopf grösser, netter, intelligenter, mutiger und fähiger geworden. Sie ist mir auch ein Vorbild, was das Altern und den Verlust der Schönheit betrifft.

Wie gehen Sie denn mit diesen Themen um?

Beim Thema Schönheit und Altern muss ich natürlich ‹Lancôme› erwähnen: Sie liessen mich nach 15 Jahren Zusammenarbeit gehen, weil ich angeblich mit 42 Schönheit nicht mehr repräsentieren konnte. Dabei sagten mir immer Frauen, dass sie keine 19-Jährigen sehen wollen, die eine Falten-Creme verkaufen. Aber es hiess, bei Werbung gehe es ja auch um einen Traum, und Frauen wollen halt jünger sein. 20 Jahre später rief mich die neue Lancôme CEO Françoise Lehmann an …

Um sich zu entschuldigen?

Ja, sie sei damals eine junge Angestellte gewesen und hoch beleidigt, wie man mit mir und anderen Frauen umging. Sie wollte das unbedingt berichtigen und engagierte mich für die ‹Rénergie›-Kampagne. Aber schade, dass auch da noch ‹Anti-Age› drauf steht. Ich finde das diskriminierend. Die Kosmetik- und Modeindustrie sollte uns Werkzeuge geben, unsere Eleganz in jedem Alter und mit jeder Figur auszudrücken.

Sie halten also auch nichts von Botox?

Ich weiss nicht, wie ich einerseits eine Bio-Farm bewirtschaften, und mir andererseits Botox ins Gesicht spritzen soll. Das geht für mich ideologisch nicht zusammen. Ich habe nichts gegen Botox. Meine Schwester botoxt, einige Freundinnen auch. Aber ich kann nicht Bio essen und mir dann dieses Gift verabreichen.

Dieses Jahr feiert der Avantgarde-Klassiker ‹Blue Velvet› sein 35-jähriges Jubiläum. Haben Sie noch Kontakt mit Regisseur David Lynch, dessen Muse Sie damals waren?

Ja, es entstand damals wirklich eine schöne Freundschaft zwischen David Lynch, Laura Dern, Kyle MacLachlan, Dennis Hopper und mir. Wir wurden zu einer Familie. Es erstaunt mich, wie gut der Film gealtert ist. Er ist immer noch ziemlich Avantgarde. Als Regisseurin habe ich auch einen Hang zum Surrealen. Vermutlich habe ich mich deshalb immer gut mit David verstanden – auch wenn er heute jeweils mit mir schimpft, weil ich nicht so diszipliniert meditiere wie er (lacht). Dafür schicke ich seiner Tochter Lula immer Bilder und Videos von meinen Tieren. Sie hat nur ein Meerschweinchen, aber hätte gerne ein Lamm. Dazu ist jedoch ihr Garten zu klein. Und David will eigentlich überhaupt keine Tiere.

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