George Clooney «Ich mache wieder dasselbe, als ich noch ledig und pleite war»

Von Marlène von Arx, Los Angeles

23.12.2020

In seinem neuesten Film «Midnight Sky» wird George Clooney, 59, mit dem Ende der Welt und verpassten Chancen konfrontiert. Wie er mit seiner eigenen Endlichkeit umgeht und was er seinen Kindern hinterlassen möchte, erzählt er im blue-Interview.

Herr Clooney, Sie sehen wieder bedeutend gesünder aus als im Film und im Februar auf dem Set von ‹Midnight Sky›. Wie geht es Ihnen?

Danke, gut, ich bin wieder voll okay.

Sie hatten eine Bauchspeicheldrüsen-Entzündung. Wie konnten Sie da gleichzeitig einen Film drehen?

Zuerst wusste ich gar nicht, was es war. Ich dachte, ich hätte einen Herzinfarkt. So stellte ich mir einen Herzinfarkt jedenfalls vor. Es war sehr schmerzhaft. Ich war zwei Tage auf der Intensivstation – und das vier Tage vor Drehbeginn! Vielleicht habe ich für die Rolle zu schnell abgenommen: Ich war zuvor in Italien und während die anderen Pasta in sich stopften, durfte ich nur ein bisschen Linsensuppe schlürfen – allein dafür habe ich eigentlich eine Medaille verdient! Aber ernsthaft: Es ging einige Wochen, bis ich mich wieder erholt hatte. Als Regisseur war es nicht einfach, denn da braucht man Energie, aber für die Rolle hat es mir sicher geholfen.

Sie spielen einen kranken Überlebenden einer Katastrophe, der eine Space-Crew zu warnen versucht, nicht auf die zerstörte Erde zurückzukommen. Was hat Sie an dem düsteren Stoff fasziniert?

Ich fand’s eine schöne, kleine Geschichte über Reue und Wiedergutmachung vor grossem Hintergrund. Und eine Geschichte darüber, was wir uns antun können, wenn wir nicht aufpassen und nicht auf die Wissenschaft hören. In 40 Jahren ist dann vielleicht Schluss. Die Menschheit ist nämlich ziemlich fragil.

Das wurde uns 2020 durch das Coronavirus wieder einmal deutlich vor Augen geführt. Wie haben die Massnahmen Ihr Leben berührt?

Es hat klar in Erinnerung gerufen, dass es wichtig und notwendig für uns ist, bei den Menschen sein zu können, die man gern hat. Ich vermisse meine Eltern. Ich würde sie wirklich gern sehen. Aber das geht jetzt einfach nicht. Und ich bitte alle: Haltet durch und nehmt kein Risiko auf euch. Wir bleiben an Weihnachten auch zu Hause.

Sie sagten in einem Interview, dass Ihr Sohn Asthma hat. Sorgt Sie das auch im Zusammenhang mit Covid-19?

Er hat das Asthma, sowie übrigens die Augenbrauen, von mir geerbt. Ich muss manchmal auch aufpassen. Die Realität ist: Wir wissen gar noch nicht so viel über Covid. Zuerst hiess es, es trifft ältere Menschen. Dann waren ältere Menschen plötzlich die ab 55 Jahren. Also gehöre ich auch zu denen. Und es gibt Kinder, die wirklich Probleme mit dem Virus haben. Also passen wir auf. Wir sind doch jetzt gewissermassen neun Zehntel über den Comersee geschwommen. Den Rest packen wir auch noch.

Wie sieht Ihr Leben zu Hause in Los Angeles jetzt aus?

Ich mache wieder das, was ich machte, als ich noch ledig und pleite war: Wäsche und Geschirr waschen, Böden fegen, Wände malen. Ich habe alles Holz – die Gartenmöbel und die Zäune – gebeizt und Diverses repariert. Und ich habe für uns vier ein Thanksgiving-Mahl gekocht. Es ist schön zu wissen, dass ich das alles noch kann. Ich könnte auf einer einsamen Insel ein Haus bauen und uns durchbringen. Das habe ich zu Hause schon ein paar Mal bewiesen.

Sie und Amal treten sich nicht auf die Füsse?

Nein, ich habe definitiv die richtige Frau gewählt. Ob sie den richtigen Mann erwischt hat, ist eine andere Frage (lacht). Wir essen jeden Abend zusammen und noch ist uns der Gesprächsstoff nicht ausgegangen. Wir könnten nicht glücklicher sein.

‹Midnight Sky› handelt von Reue, dem Lebensende und vom Nachlass an die nächste Generation – Themen, die Sie selber sehr beschäftigen?

Ich werde nächstes Jahr 60 Jahre alt und diese Zahl rollt schon nicht so einfach von der Zunge. Aber ich versuche der Typ zu sein, der den Augenblick geniesst und nicht jener, der am ersten Ferientag schon zählt, wie viele Tage Urlaub ihm noch bleiben. Denn ändern kann man es ja sowieso nicht. Wir bereuen alle, mal etwas Dummes getan oder gesagt zu haben. Aber echte Reue, nicht für die Familie da gewesen zu sein oder den falschen Beruf ergriffen zu haben – solche Gedanken fressen an einem im Alter wie ein Krebs. Ich denke, am Schluss hoffen wir alle auf Erlösung, egal was uns bedrückt.

Und was wollen Sie Ihren Kindern hinterlassen?

Ich hoffe, dass ich da mitgemacht habe, wo es in der Welt am notwendigsten war. Dass ich mich gegen Rassismus und für die Opfer von Natur- und anderen Katastrophen eingesetzt habe. Und dass dieses Engagement in meinen Kindern weiterlebt.

«Natürlich werden meine Kinder arbeiten müssen!»

Ihre Clooney Foundation engagiert sich auch im Libanon, dem Heimatland Ihrer Frau Amal. Wie haben Sie die schlimme Explosion diesen Sommer in Beirut erlebt?

Sehr nahe. Amals Vater lebt gleich neben den Docks. Bei ihm hat es die Scheiben rausgeschlagen. Ihr Bruder und Cousin sind auch vor Ort. Die Leute da haben es schwer, sich von diesem Schlag zu erholen. Das Schlimmste ist immer – ob im Libanon, in Sub-Sahara Afrika oder in den Vereinigten Staaten –, wenn man nicht mehr für das Wohl und die Bildung der Kinder sorgen kann. Das sehen wir gerade jetzt in den USA, wenn die Kinder nicht in die Schule gehen können. Wenn sie zur Gesellschaft rausfallen, können sie kaum mehr aufholen.

Ihre dreijährigen Zwillinge Ella und Alexander wachsen hingegen privilegiert auf und werden nie arbeiten müssen …

Ach was, natürlich werden sie arbeiten müssen! Es gibt nichts Schlimmeres, als den Kindern den Eindruck zu vermitteln, sie müssten nicht selber für ihren Unterhalt sorgen. Unser Geld geht sowieso in die Stiftung, die es auch noch geben soll, wenn wir nicht mehr da sind. Ich hoffe, dass sich die Kinder in der Clooney Foundation engagieren wollen. Dass sie für andere da sind, ist mir wichtig. Als ich Kind war, mussten wir das Ersparte vom Rasenmähen und Laubrechen zusammenkratzen und Geschenke für wildfremde Kinder kaufen, bei denen nichts unter dem Weihnachtsbaum lag. Am Weihnachtsmorgen brachten wir ihnen dann die Geschenke vorbei. Diesen Gedanken wollen wir unseren Kindern auch weitergeben: Wir tragen gegenseitig Verantwortung füreinander – nicht nur innerhalb der Familie.

«Midnight Sky» läuft ab 23. Dezember auf Netflix.

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