John David Washington «Meinen Vater Denzel kannten sogar die Kellner in Italien»

Von Marlène von Arx, Los Angeles

9.2.2021

John David Washington zählt derzeit zu den gefragtesten Schauspielern Hollywoods. Die Pandemie nutzte er dazu, sich im Zwei-Personen-Stück «Malcolm & Marie» mit Zendaya über Liebe, Geschlechterrollen und Rassismus zu streiten.

John David Washington, streiten Sie dank ‹Malcolm & Marie› jetzt besser?

Malcolm sagt Dinge, die ich nie sagen würde. Aber Marie stachelt ihn auch an. Sie haben beide gute Argumente und sind Meister der Manipulation. Wenn ich also etwas durch den Film noch klarer verinnerlicht habe, dann das: Es gibt einen Unterschied zwischen einer Antwort und einer Retourkutsche.

Wenden Sie diese Erkenntnis erfolgreich in Ihren Beziehungen an?

Ich bin jetzt schon lange single. Ich war nicht reif genug, Beziehungen aufrechtzuerhalten. Jetzt weiss ich immerhin, was ich nicht will. In der Liebe muss man Ehrlichkeit einstecken und austeilen können, aber Anstand gehört dazu.

In ‹Malcolm & Marie› verkörpern Sie einen Regisseur, der mit seiner Freundin (Zendaya) von der erfolgreichen Premiere seines letzten Films nach Hause kommt. Statt einer Feier gibt es aber plötzlich Streit. Die Beziehung wird hinterfragt, Geschlechterrollen und Rassismus leidenschaftlich diskutiert. Inwiefern spiegeln Malcolms Erfahrungen in Hollywood Ihre eigenen wider?

Es kommen natürlich viele Themen vor, die mir als schwarzer Amerikaner in Hollywood bekannt sind. Wir haben bei den Proben vor dem Dreh auch viel über unsere Erfahrungen und unseren Antrieb gesprochen. Das floss ins Drehbuch ein. Mich interessiert aber generell das Universelle.

Wie meinen Sie das?

Zum Beispiel, dass Malcolm nicht schubladisiert werden will. Wer will das schon? Er will nicht, dass man ihm vorschreibt, welche Art Filme er als Schwarzer machen darf. Wenn er einen ‹Lego›-Film machen will, braucht man daraus kein politisches Statement zu drehen, weil er schwarz ist. In meinem Fall heisst das: Wenn ich einen Cowboy spiele, sollte ich mit der gleichen Elle gemessen werden wie Jake Gyllenhaal, der einen Cowboy spielt.

Kannten Sie Zendaya zuvor?

Nein, nicht persönlich. Und vor ‹Euphoria›, ihre Serie mit unserem ‹Malcolm & Marie›-Regisseur Sam Levinson, hatte ich keine Ahnung, was für eine gute Schauspielerin sie ist. In diesem Film kann sie zeigen, wie viel erwachsene Frau in ihr steckt. Sie hat viel mehr Erfahrung in der Filmindustrie als ich. Ich musste immer schauen, dass ich den Anschluss nicht verliere.



Sie haben sich tatsächlich noch nicht lange vollamtlich der Schauspielerei gewidmet. Nun spielen Sie bereits die Hauptrollen in so wichtigen Filmen wie ‹BlacKkKlansman›, ‹Tenet › und ‹Malcolm & Marie›. Wie geht das?

Ganz über Nacht ist das schon nicht passiert. Ich war in der TV-Serie ‹Ballers› und habe einige kleine Rollen nicht bekommen, für die ich vorgesprochen habe. Aber klar, ich fühle mich sehr privilegiert.

Ihr Vater ist ja auch Denzel Washington. Was ist der wichtigste Rat, den er Ihnen mit auf den Weg gegeben hat?

Sag immer die Wahrheit. Allgemein im Leben, aber vor allem auch in unserem Beruf, in der Performance. Mach die Kunst die Priorität, gib dich der Rolle hin. Diese Tipps haben mir sehr geholfen.

Wann haben Sie gemerkt, dass Ihr Vater ein Star ist?

Für mich war er immer ein Star. Er war ein Magier, der sich auf der Bühne in einen anderen Menschen verwandeln konnte. Dass er berühmt war, habe ich gemerkt, als ‹Malcolm X› ins Kino kam. Ich war acht Jahre alt. Plötzlich brauchten wir mehr Bodyguards. Leute trugen ‹Malcolm X›-T-Shirts und Hüte – es war eine Bewegung und mein Vater war mitten drin. In dieser Zeit war ich auch zum ersten Mal in Europa, an der Amalfi-Küste. Wir assen Pizza und die Kellner erkannten ihn. Sie sprachen kein Englisch, aber hatten einen Draht zu ihm. Das fand ich sehr speziell.

Hat er Sie nie von der Schauspielerei abhalten wollen?

Nein, das hat er nie. Er hat mich immer unterstützt und ist ein Fan. Von all seinen Kindern, nicht nur mir. Ich wollte schon mit fünf Jahren Schauspieler werden, als ich ihn als Richard III. sah – eine Figur, die mit meinem Vater nichts zu tun hatte.

Aber Sie haben sich dann auf den Sport ausgerichtet und sind Footballer geworden. Weshalb?

Weil ich zuerst meine eigene Identität finden musste. Ich habe Football gewählt, weil die Leute so nicht sagen konnten, mein Vater hätte mir die Türen geöffnet. Da war kein Vitamin B im Spiel. All die Verletzungen, Gehirnerschütterungen, gebrochene Rippen, Meniskus- und Achillessehnen-Risse habe ich im Namen der Unabhängigkeit erlitten.

Haben Sie von Ihren Erfahrungen als Sportler später als Schauspieler profitiert?

Ja, es hat mir die dicke Haut gegeben, was man als Schauspieler in gewissen Situationen braucht. Wenn ich an ein Casting gehe und die Rolle nicht kriege, verkrafte ich das ganz gut, weil ich mir Niederlagen vom Sport her gewohnt bin.

Wie kritisch sind Sie sich selber gegenüber?

Sehr. Ich kann meine Filme nicht ansehen. Ich nehme die ganze Performance auseinander, komme vom Hundertsten ins Tausendste und denke am Schluss, meine Karriere ist zu Ende. Deshalb frage ich jeweils meine Mutter, was sie meint, denn sie weiss genau, wenn ich nicht ehrlich bin vor der Kamera.

Ihr Grossvater war ein Pfarrer und Ihr Vater ist ein gottesfürchtiger Mann. Wie halten Sie es mit Religion?

Ich bete jeden Tag und danke Gott. Er ist der Grund, warum ich hier bin und wieso ich tue, was ich tue. Ich bitte Gott, mich zum Gefäss zu machen, das die Botschaft der Rolle zum Publikum trägt. Ob es dann meine Performance mag oder nicht: Es wird diese spirituelle Verbundenheit, meine Hingabe zum Glauben, spüren.

«Malcolm & Marie» ist auf Netflix abrufbar.

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