«Dumpfbacke» Christina Applegate «Kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal geduscht habe»

Von Marlène von Arx

7.5.2020

Christina Applegate an der 25. Critics' Choice Awards im Januar 2020 in Santa Monica, Kalifornien.  
Christina Applegate an der 25. Critics' Choice Awards im Januar 2020 in Santa Monica, Kalifornien.  
Matt Winkelmeyer/Getty Images

In der schwarzen Netflix-Komödie «Dead to Me» bringt Christina Applegate gute Laune in die Fernsehstuben. Ihr selber ist seit der Corona-Krise das Lachen abhandengekommen.

Als «Dumpfbacke» Kelly Bundy in der Sitcom «Eine schrecklich nette Familie» (1987–1997) fläzte sich Christina Applegate (48) planlos auf dem Familien-Sofa.

Jetzt sitzt die Schauspielerin zu Hause vor ihrem Kamin in Los Angeles. Wieder ohne Plan – diesmal wegen der Corona-Krise. Während unseres Zoom-Interviews ist ihre berühmte blonde Mähne unter einem Strohhut versteckt. Sie konnte sich nicht aufraffen, sich zu frisieren.

Die Komikerin, die ab heute in der zweiten Staffel von «Dead To Me» auf Netflix zu sehen sein wird, hat Höhen und Tiefen in Hollywood und Brustkrebs überlebt. Aber für den Kampf, jetzt bei guter Laune zu bleiben und ihre neunjährige Tochter Sadie Grace zu Hause zu unterrichten, war sie nicht gewappnet.

Wir sind nun in der achten Woche im Lockdown. Wie geht es bei Ihnen zu Hause?

Es ist ein Überlebenskampf. Wir leben von Augenblick zu Augenblick, von Desaster zu Desaster und versuchen, den Verstand nicht zu verlieren.

Besteht diesbezüglich denn Gefahr?

Ich gebe mir jedenfalls in der Bewältigung der Corona-Krise eine ungenügende Note. Ich schaue auf mein Instagram und sehe Freunde, die es total im Griff haben: Sie machen auf Zoom Yoga-Klassen, essen gesund und unterrichten ihre Kinder den ganzen Tag. Bei mir läuft nichts dergleichen. Ich bringe meine Tochter nicht zum Lernen, ich esse Pizza und Macaroni & Cheese. Ich habe sicher schon fünf Kilo zugenommen. Jeden Tag stehe ich mit dem Vorsatz auf, mich zu bessern. Aber dann ertappe ich mich, wie ich herumliege und nichts tue, ausser meinen Kopf ins Handy zu vergraben.

Haben Sie es mit Listen und Terminplänen versucht?

Oh ja, ich hatte grosse Hoffnungen in meinen Terminplan und in eine tägliche Routine gesteckt. Ich habe ein kleines Pult für meine Tochter aufgestellt und einen Stundenplan für Dienstag gemacht. Er hängt immer noch da, und er war für den ersten Dienstag des Lockdowns! Ich wollte von 8:00 bis 9:00 Mathe mit ihr machen. Sie hat drauf geschaut und gemeint: Nicht mit mir!

Da geht es sicher vielen Eltern ähnlich …

Genau, es haben mir auch viele Freunde entsprechende Privatnachrichten geschrieben. Dann sollten sie doch ehrlich sein und auf Instagram auch dazu stehen! Es wäre jetzt wirklich hilfreich, sich nicht so alleine zu fühlen. Ich sehe derzeit wirklich keine Blumen am Wegrand. Stattdessen ziehen mich die Gedanken an die verstorbenen Menschen und ihre Familien herunter.

Sie haben Brustkrebs und eine Doppel-Brustamputation hinter sich. Da mussten Sie Überlebenskräfte entwickeln. Ist das jetzt nicht hilfreich?

Nein, das Ungewisse und die Angst davor, macht es für mich wirklich schwierig. Als ich 2008 mit Brustkrebs diagnostiziert wurde, habe ich den Fehler gemacht, sofort auf Vollangriff zu schalten und auch gleich eine Stiftung zu gründen. Dabei habe ich innerlich so gelitten. Heute sage ich: «Es ist okay, sich schlecht zu fühlen. Deshalb wollte ich, dass Jen in der Serie ‹Dead to Me› auch eine Doppelamputation hatte. Das zeigt ihre Verletzlichkeit. Dabei kamen Sachen hoch, die ich gar nie verarbeitet hatte.»



Die zweite Staffel von «Dead to Me» startet heute, Freitag, auf Netflix. Wo finden wir die Witwe Jen und ihre «Trauer-Freundin» Judy wieder?

Jen hat Judys Verlobten auf dem Gewissen und nun muss Judy ihr dabei helfen, die Leiche zu entsorgen. Jetzt sind die beiden Frauen quitt. Der Wahnsinn nimmt Überhand, denn die beiden sind wirklich in einer furchtbaren Situation. Jen hat Angst, alles zu verlieren: die Kinder, das Haus. Die Dreharbeiten waren entsprechend ziemlich stressig für mich. Danach war ich fix und fertig.

Jen und Judy haben eine sehr komplizierte Beziehung und lassen sich doch auf ein gemeinsames Abenteuer ein. Wie sehen die Beziehungen mit Ihren Freundinnen im wirklichen Leben aus? Gibt’s da auch verrückte Abenteuer?

Nichts, dass ich hier ausplaudern sollte. Ich habe mich immer zu wunderbar kaputten, etwas schäbigen Frauen hingezogen gefühlt – weil ich auch so bin. Ich bin weder edel, noch girlie. Ich kann mich nicht erinnern, wenn ich das letzte Mal geduscht habe.

Sie erfreuen seit Jahren Ihr Publikum in Komödien. Was bringt Sie derzeit selber zum Lachen?

Da ich am Morgen zuerst Twitter anschaue, erstmal gar nichts. Aber ich fand die neue Netflix-Show von Mindy Kaling «Never Have I Ever» ganz gut. Ich habe alle zehn Episoden am Stück geschaut. Das war eine nette Ablenkung.

Sie sind mit dem Dauerbrenner «Eine schrecklich nette Familie» berühmt geworden. Wie blicken Sie heute auf die Sitcom zurück?

Dort habe ich gelernt, was Komödie und Comedy-Timing ist. Zuvor war ich super ernst. Ich spielte in einem Polizei-Drama und war ein Snob, was Komödien betraf – bis ich merkte, wie schwierig die sind. Man muss völlig furchtlos sein. Man muss sein Ego in eine Ecke stellen und darf keine Angst haben, sich zu blamieren. Natürlich gibt es verschwende Arten von Komödien: «Eine schrecklich nette Familie» war wie Varieté-Theater, in dem man versucht, aus 200 Betrunkenen eine hörbare Reaktion herauszulocken. Und wir waren die kleinen Zirkus-Äffchen mit den Tschinellen.

Die 2. Staffel von «Dead to Me» läuft ab heute, 8. Mai, auf Netflix.

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