Putins Unterwasser-Attacken«Sie wollen, dass wir Angst haben»
Philipp Dahm
14.1.2025
Stromausfall auf Tanker: «Eventin» soll Ostsee bald verlassen
Nach Havarie: Der manövrierunfähige Tanker «Eventin» soll Montagabed nach Skagen an der Nordspitze Dänemarks geschleppt werden, um die Ostsee zu verlassen. Derzeit wird das Schiff vor dem Stadthafen Sassnitz von einem kommerziellen Schlepper gesichert. Ein weiterer Schlepper soll den Tanker gegen Mittag erreichen. Die 24 Crewmitglieder an Bord werden währenddessen versorgt. An Bord des Tankers herrschen schwierige Bedingungen, da weder Heizung, Küche noch Sanitäranlagen funktionieren.
13.01.2025
Die Nato stellt zehn Schiffe auf, die kritische Infrastruktur schützen sollen: Zuvor hatten vermutlich Schiffe aus Putins Schattenflotte Seekabel in der Ostsee beschädigt. Doch damit ist es nicht getan, warnen Experten.
Philipp Dahm
14.01.2025, 04:30
14.01.2025, 09:40
Philipp Dahm
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Die Nato will mindestens zehn Schiffe einsetzen, um die kritische Unterwasser-Infrastruktur besser zu schützen.
Der Westen reagiert damit auf drei Fälle, in denen Seekabel und -leitungen in der Ostsee beschädigt worden sind.
«Es gibt ein Muster hier», analysiert der dänische Militärexperte Anders Puck Nielsen. «Das ist ein Fall von hybrider Kriegsführung.»
Ein schwedischer Sicherheitspolitiker will, dass die Nato wegen der Vorfälle in der Ostsee den Artikel 4 ausruft.
Nieseln erwartet, «dass hybride Attacken auf Westeruopa zunehmen werden».
Das Problem sei, dass es zu viel Unterwasser-Infrastruktur gebe und zu wenig Schiffe und Luftfahrzeuge, um diese zu überwachen.
Auch vor Taiwan wurde am 3. Januar ein Unterwasserkabel beschädigt.
Die Nato beginnt Ende dieser Woche mit einem Einsatz, um die kritische Unterwasser-Infrastruktur besser zu schützen. Laut dem finnischen Newsportal «Yle» sollen zehn Schiffe bis April entsprechende Patrouillen fahren.
Drei Schiffe steuert dabei Schweden bei: Wie Finnland beteiligt sich das skandinavische Land erstmalig an einem Nato-Einsatz. Stockholm unterstützt die Überwachung zudem mit einem Überwachungsflugzeug vom Typ Saab ASC 890, berichtet die Nachrichtenagentur AP. Die Federführung bei der Operation «Nordischer Aufseher» liegt offenbar bei der «Joint Expeditionary Force».
Das ist so etwas wie eine schnelle Eingreiftruppe, in der Einheiten aus Grossbritannien, den Niederlanden, den baltischen Staaten und den nordeuropäischen Nationen inklusive Island zusammengefasst sind. In internationalen Gewässer haben die Kapitäne allerdings keine Handhabe gegen vermeintliche Saboteure. Auch Nordsee und Ärmelkanal werden überwacht.
«Das ist ein Fall von hybrider Kriegsführung»
Der neue Kurs kommt nicht von ungefähr: Im Oktober 2023 ist es wahrscheinlich die Newnew Polar Bear aus Hongkong, die die Gas-Pipleine Balticconnector zwischen Finnland und Estland unterbricht. Im November 2024 ist es angeblich die chinesische Yi Peng 3, die ein Datenkabel zerreisst, dass Finnland mit Deutschland verbindet.
Picture of Finnish special forces storming a Vessel of the Russian shadow fleet.
Eagle S was boarded and confiscated by the Finns for destroying undersea power cables and telecommunications cables.
Doch erst der jüngste Vorfall, bei dem Strom und Datenkabel zwischen Finnland und Estland beschädigt werden, hat Konsequenzen: Helsinkis Küstenwache bringt die Eagle S auf, die Chinesen gehört, aber unter Flagge der pazifischen Cookinseln fährt. Der aktuelle Stand: Das Schiff darf wegen schwerwiegender Mängel nicht weiterfahren.
The Eagle-S is not seaworthy, #Finland's Transport Agency said at a press conference today
The ship, suspected of damaging underwater cables, has serious deficiencies in fire safety, navigation equipment and pump room ventilation.
«Drei solcher Fälle in etwas mehr als einem Jahr: Es gibt ein Muster hier», fasst Anders Puck Nielsen zusammen. «Frachtschiffe werden benutzt, um in der Ostsee kritische Infrastruktur zu beschädigen. Das ist ein Fall von hybrider Kriegsführung», erklärt der Militärexperte. Zu der zählen Aktionen wie Brandstiftung, Cyberangriffe oder Beeinflussung der öffentlichen Meinung: «Die maritime Sabotage passt in dieses Muster.»
Schwede fordert Ausrufung des Nato-Artikels 4
Was ist das Ziel? «Sie wollen, dass wir Angst haben», sagt der Däne. «Sie wollen, dass wir viele Ressourcen aufwenden, um uns zu schützen, statt [sie] in die Ukraine zu schicken.» So denkt auch der schwedische Sicherheitspolitiker Peter Hultqvist: Er fordert, dass die Nato über eine Aktivierung des Artikels 4 nachdenkt.
«Wir müssen noch lange Zeit mit einem relativ hohen Spannungsniveau rechnen», zitiert der «Sweden Herald» den Sozialdemokraten. «Bei diesen Aktivitäten geht es darum, unsere täglichen Abläufe zu sabotieren und eine Situation der Verwirrung und Angst zu schaffen.»
Bei Ausrufung des Artikel 4 kommen die Nato-Partner zu Konsultationen zusammen, weil sich eine oder mehrere Mitglieder in ihrer Sicherheit bedroht fühlen. «Ein Vorfall hat den nächsten ausgelöst», so Hultqvist. «Diese verschiedenen hybriden Aktivitäten werden nicht aufhören.» Es könne nicht sein, dass immer nur einzeln auf die Fälle reagiert werde.
«99 Prozent der globalen Kommunikation läuft über Kabel»
Stattdessen bräuchte es einen übergeordneten Nato-Ansatz. Alleine die Diskussion über den Nato-Artikel 4 könnte ein Signal setzen. Verursacher sollten sehen, «dass wir bereit sind, zu handeln». Das Bündnis selbst warnt bereits seit Mai 2023 vor dem «signifikanten Risiko» russischer Angriffe gegen die kritische Unterwasser-Infrastruktur, nachdem Moskau dabei erwischt worden ist, wie der Kreml diese «aktiv kartografiert».
FORM & FUNCTION: @P_Kallioniemi reveals that China has filed a patent for a sea anchor, specially modified to cut undersea cables. Ye Ping 3, the Chinese Bulk carrier involved in the most recent cable cutting incident in the Baltic was recently allowed to continue her voyage. https://t.co/7KSVvvqOl4
Im September 2024 legen die USA nach: Wladimir Putin gehe in der Sache immer offensiver vor. «Russland baut seine Marinefähigkeiten für Unterwassersabotage weiter aus», zitiert CNN einen Offiziellen. «Vor allem durch die GUGI, eine streng gehütete Einheit, die Überwasserschiffe, U-Boote und Marinedrohnen betreibt.» Gemeint ist Russlands so genannte Generalstabs-Hauptdirektion für Tiefseeforschung.
«99 Prozent der globalen Kommunikation läuft über Kabel. Alles geschieht unter Wasser», erklärt Steven Arsenault von IT International Telecom der kanadischen «Global News», als der Sender ein Verlegeschiff besucht. «Staaten beginnen zu realisieren, wie wichtig diese Kabel sind und wie viel zerstört wird, wenn sie beschädigt sind.»
«Es ist unmöglich, alles zu beschützen»
Nun reagiert der Westen: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt? Anders Puck Nielsen hat Zweifel. «Wir sollten erwarten, dass hybride Attacken auf Westeruopa zunehmen werden», meint der 45-Jährige. Das gelte umso mehr, je schlechter für Russland der Krieg in der Ukraine laufe, weil der Kreml dann risikobereiter sei.
Wer sich nun denkt, dass eine Überwachung des Seeraums mit moderner Technik kein Problem sei, ist auf dem Holzweg, erklärt der dänische Veteran. «Die Realität ist: Die meisten Sachen, die auf dem Meer passieren, werden von den Behörden nicht bemerkt.» Bekannt sei zwar, wo die grossen Frachtschiffe entlangfahren, doch kleine Schiffe oder Yachten fahren unter dem Radar, weiss Nielsen.
According to the latest figures, the ocean floor hosts more than 1.2 million kilometers of submarine fiber-optic cables, roughly equivalent to 745,000 miles. This extensive network is crucial for global internet connectivity, connecting different continents and ensuring… pic.twitter.com/k3r3uDtm1Y
Die Herausforderung für die Ostsee-Anrainer sei, dass es zu viel zu überwachen gebe, aber zu wenige Schiffe, Helikopter, Flugzeuge oder Drohnen zur Verfügung stünden. «Es ist unmöglich, alles zu beschützen. Alleine in Dänemark haben wir über 400 Kilometer Unterseekabel und Pipelines.» Weltweit sind es rund 1,4 Millionen Kilometer.
Ostsee-Vorfälle machen in Asien Schule
«Wenn die Russen wirklich etwas von dieser Infrastruktur beschädigen wollen, werden sie in der Lage sein, das zu tun», fasst Nielsen zusammen. Um das zu verhindern, müsse der Westen für den Kreml Sabotage so mühsam machen, dass Moskau davon absieht. Es sei deshalb «wichtig», wie entschieden Finnland auf den Fall der Eagle S reagiert habe.
An underwater communications cable has ruptured off the coast of Taiwan, — The Financial Times.
The Taiwan Coast Guard said that Automatic Vessel Identification System signal tracking data and satellite data showed that the Shunxing39 vessel had lifted anchor at the location pic.twitter.com/zYvMEeMPn1
Die Vorfälle in der Ostsee machen Schule auf der anderen Seite der Erde: Am 3. Januar wird vor Taiwan ein Internetkabel beschädigt, das die Insel mit den USA verbindet. Im Verdacht steht die Shunxin-39, die unter der Flagge Kameruns fährt, aber angeblich einer Firma in Hongkong gehören könnte.
In what might be a #China grey zone warfare tactic against #Taiwan a Cameroonian registered freighter with a Chinese name SHUNXIN39 cut a Chunghwa Telecom undersea cable off Taiwan’s north coast on Saturday. This is the 21st time Chinese ships have cut Taiwanese undersea cables pic.twitter.com/yaAuec4f5v
Ein internationaler Bericht zur Sicherheit auf See zeigt, dass die Sabotage der kritischen Unterwasser-Infrastruktur nicht die einzige Herausforderung der Zukunft ist. Die Entwicklung von Seedrohnen berge die Gefahr, dass sich Terroristen der ferngesteuerten Boote bedienen könnten, um Anschläge zu verüben. Aber auch Attacken mit Raketen oder Drohnen sind denkbar: Die Huthis haben es im Roten Meer vorgemacht.