So witzig ist «Achtsam morden»Netflix macht Tom Schilling zum Mörder
Julian Weinberger
24.11.2024
Zwischen Glückskeks-Weisheiten und Mafiagangstern: In der Netflix-Serie «Achtsam Morden» versucht ein Anwalt seine Work-Life-Balance zwischen Familienalltag und einem Bandenkrieg in Einklang zu bringen.
Julian Weinberger
24.11.2024, 17:06
Bruno Bötschi
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Als der Mafia-Rechtsanwalt Björn Diemel mithilfe eines Achtsamkeitstrainers eine bessere Work-Life-Balance finden will, entdeckt er erstaunliche Bewältigungsstrategien – darunter Mord.
«Setzen Sie in angespannten Situationen ein Lächeln auf und spüren Sie, wie es die Anspannung löst»: Weise Ratschläge wie diese gibt es in der neuen Netflix-Serie «Achtsam Morden» viele zu hören.
«Achtsam Morden» ist ein leicht konsumierbarer, der zum Ende die Tür zu einer zweiten Staffel energisch aufstösst.
«Wenn Sie vor einer Tür stehen und warten, dann stehen sie vor einer Tür und warten. Wenn Sie sich mit Ihrer Frau streiten, dann streiten Sie sich mit Ihrer Frau. Das ist Achtsamkeit.»
Der Achtteiler, der auf dem Bestseller von Carsten Dusse beruht, konterkariert die esoterik-nahen Empfehlungen des in sich ruhenden Coachs Breitner (Peter Jordan) mit dem alles andere als entspannten Alltag des Mafia-Anwalts Björn Diemel (Tom Schilling).
Der hat es dank seines Mandanten mit einer Klientel zu tun, dessen Geduldsfaden kürzer als der Stift ihrer Handgranate ist.
Drogen, Prostituierten und Menschenhandel
Sein Mafia-Imperium samt Drogen, Prostituierten und Menschenhandel führt Dragan (Sascha Geršak) nämlich mit harter Hand und Hang zu cholerischen Ausrastern. Genau ein solcher droht dem impulsiven Paten um die Ohren zu fliegen:
Einen geschäftlichen Widersacher zündete Dragan nicht nur an, sondern er erschlug ihn im Anschluss auch noch vor einem Bus voller Schulkinder mit einer Metallstange.
Dass die Beweislage eindeutiger nicht sein könnte, ignoriert Dragan – schliesslich habe Anwalt Diemel noch jedes seiner Probleme gelöst.
Stressiger Job und dubiose Klienten
Der schier ausweglosen beruflichen Situation steht bei Björn Diemel auch eine verzwickte private Lage gegenüber. Seine Frau Katharina (Emily Cox) hat genug von seinem stressigen Job und seinen dubiosen Klienten.
Diemel landet im Hotel, woran sich auch nichts ändern soll, solange er nicht mehr Zeit für die Familie und vor allem für Tochter Emily (Pamuk Pilavci) freischaufelt.
Immerhin: Dank seines Achtsamkeitstrainers Breitner schafft sich Anwalt Diemel mittels «Zeitinseln» Auszeiten von seinem Job – und vergrössert damit seine Probleme. Erst recht, als er die Devise «Ich muss nicht tun, was ich nicht tun will» denkbar wörtlich nimmt und sich Dragans entledigt.
Im Folgenden entspinnt sich ein Versteckspiel, denn selbstredend muss Diemel den Paten vor seinen Geschäftspartnern am Leben erhalten und die neugierig nachfragende Polizistin Nicole (Britta Hammelstein) besänftigen.
Auftrumpfen kann hier besonders Marc Hosemann, der anders als in der unter vielen Streamingfans populären Rolle als trotteliger Supermarkt-Leiter in der Sitcom «Die Discounter» im Netflix-Achtteiler als leicht reizbarer Hitzkopf mit Mafia-Führungsambitionen auftritt.
«Achtsam Morden» ist ein leicht konsumierbarer TV-Spass
Auch Hauptdarsteller Tom Schilling scheint seine Rolle wie auf den Leib geschneidert. Mit rhetorisch ausgebufften Winkelzügen setzt er am laufenden Band Polizisten, Gesprächskontrahenten und Berufsverbrecher Schachmatt.
Gleichermassen meistert er den Spagat zwischen dem blutigen Zerhäckseln von Dragans Überresten und dem liebevollen Umgang mit Serientochter Emily mit links.
So gerät «Achtsam Morden» zum leicht konsumierbaren, wenngleich eher überraschungsarmen Serienspass, der zum Ende die Tür zu einer zweiten Staffel energisch aufstösst. Die darf dann gerne eine Spur grotesker, schwarzhumoriger und konsequenter werden –David Schalko («Braunschlag») lässt grüssen.
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