«Tatort»-Check Gibt es solche verlassenen Dörfer wirklich?

tsch

26.3.2023

Im starken «Tatort: Abbruchkante» ermittelten die Kölner Kommissare Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) in einem fiktiven Geisterdorf, das fast dem Braunkohleabbau zum Opfer gefallen wäre. Gibt es solche Orte tatsächlich, und wenn ja, wo stehen sie?

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Das fiktive Dorf Alt-Bützenich sollte platt gemacht werden und dem rheinischen Braunkohlebergbau zum Opfer fallen. «Der Konzern», wie es im «Tatort: Abbruchkante» hiess, hat den Menschen ein paar Kilometer weiter Neu-Bützenich hingestellt.

Dann kamen die Klimakrise, ein Politikwechsel und der Beschluss: Die mittlerweile fast völlig verlassene Gemeinde bleibt stehen, auch wenn hier nur noch eine Handvoll Menschen zurückgeblieben sind, die meisten Fenster und Türen vernagelt wurden und ein Sicherheitsdienst Patrouille fährt, um Plünderungen zu verhindern.

Eine tolle Idee, einen solchen «Lost Places»-Krimi aus der Taufe zu heben. Zumal die Ü60-Ermittler Ballauf und Schenk mit der Melancholie des Gestrigen altersbedingt etwas anfangen können. Doch wo wurden die stimmungsvollen Szenen gedreht, welcher Schlafwandler-Oldie dudelte im Hintergrund, und wo stehen die echten Alt-Bützenichs?

Worum ging es?

Im beinahe menschenleeren Dorf Alt-Bützenich wurde Dr. Christian Franzen (Leopold von Verschuer), erschossen. Abends war er von Neu-Bützenich aufgebrochen, weil es hiess, dass jemand in sein leer stehendes Haus im alten Ortsteil eingebrochen sei. Weil bei Freddy Schenks marodem US-Oldtimer («da ist schon Clint Eastwood mit gefahren») die Beleuchtung schlappmachte, mussten die Kommissare im fast menschenleeren Alt-Bützenich übernachten.

Was für ein Glück, dass Karin Bongartz (Barbara Nüsse) ihre alte Pension noch mal für die Herren aus Köln aufschloss und sie im Retro-Hotel übernachten liess. In den folgenden Tagen lernten die Kommissare aus dem nahen Köln Menschen kennen, die ein Motiv für den Mord am unbeliebten Arzt haben könnten: dessen Frau Betje (Loun Strenger), Rentner Peter Schnitzler (Peter Franke) und sein Enkel Yannik (Leonard Kunz) oder das Ehepaar Konrad (Jörn Hentschel) und Martina Baumann (Daniela Wutte).

Worum ging es wirklich?

Das Drehbuch-Duo Volker und Eva Zahn, das zuletzt den Rheindampfer-Geiselnahme-Fall «Hubertys Rache» (2022) für die Kölner Ermittler aufs Papier brachte, hat mit seinem zweiten «Tatort» einen tollen Job gemacht.

In «Abbruchkante» stimmen nicht nur die melancholischen Bilder eines verlassenen Ortes (Kamera: Theo Bierkens, Regie: Torsten C. Fischer), über den gut gebauten Plot, feine Dialoge und vor allem ein durch die Bank weg starkes Schauspiel-Ensemble werden die Geschichten um «abgebrochene» Biografien nahe der Abbruchkante ziemlich genial verkörpert.

Auch wenn der Krimi formal ein klassischer Whodunit-Fall war, spielten auch Subtext-Fragen in die Handlung hinein: Der «Tatort: Abbruchkante» war ein Film, der einen über die Bedeutung biografischer Orte, Wurzellosigkeit und «Abbrüche» in der persönlichen Biografie nachdenken liess. Und vor allem Single-Kommissar Max Ballauf machte sich so seine Gedanken.

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Welcher Song dudelte im Hintergrund?

«Sleepwalk» heisst der Song dieses «Tatorts». Auch wenn im neuen Fall von Ballauf und Schenk mitunter eine von Marissa Nadler gesungene Version des von Hawaii-Gitarren getragenen Oldies von 1959 gespielt wird: Die Original-Single des Brüder-Duos Santo & Johnny (wird auch im Film gespielt) war einer der ganz wenigen rein instrumentalen Nummer-eins-Hits, welche die US-Single-Charts hervorgebracht haben. «Sleepwalk» ist einer der häufig gecoverten Songs der Popgeschichte.

Heute wird dabei oft betont, wie unfassbar melancholisch die Grundstimmung des Liedes ist. Damals, Ende der 50er, empfand man den Sound eher als romantisch, schreiben Zeitzeugen im Netz. So ändert sich eben der Geschmack im Laufe der Pop-Jahrzehnte.

Wo wurde gedreht?

Wie meistens beim Film wurde auch im «Tatort: Abbruchkante» mit Orten getrickst, um ein möglichst stimmungsvolles Szenario zu erzeugen: Die Szenen in Alt-Bützenich wurden in Kerpen-Manheim, Keyenberg, Köln-Fühlingen und Erkelenz-Kuckum gedreht. Die Bilder vom Tagebau entstanden im Wald am Tagebau Hambach (Merzenich-Moschenich) und in Elsdorf.

Welche echten «Geisterstädte» gibt es in Deutschland?

In Deutschland gibt es unter anderem «Geisterstädte» auf Truppenübungsplätzen. Sie tragen so illustre Namen wie Bonnland, Gruorn, Lopau, Wollseifen, Hillersleben und Wolferstetten. Mit Schnöggersburg wurde eine Geisterstadt gezielt als solche errichtet, um als Truppenübungsplatz für den Häuserkampf herzuhalten.

Doch auch echte verlassene Orte existieren in Deutschland: Als jüngstes Geisterdorf gilt Kursdorf, wo seit 2017 offiziell keine Menschen mehr leben. Grund ist die Lage inmitten des Flughafens Leipzig/Halle. Die meisten Häuser wurden durch die Flughafengesellschaft abgerissen, einige denkmalgeschützte Gebäude blieben jedoch erhalten.

Bis zur deutschen Wiedervereinigung war das Sperrgebiet der innerdeutschen Grenze ein Eldorado verlassener Orte – doch diese «Lost Places» sind, wie man weiss, mittlerweile Geschichte.

Wie geht es beim Kölner «Tatort» weiter?

Am Ende des Krimis wird der ewige Junggeselle Max Ballauf – auf Freddys Initiative – von Ex-Liebe Lydia Rosenberg (Juliane Köhler) im Auto abgeholt, um ihn nach Köln und nach Hause zu fahren. Durchaus ein Wink für die Zukunft, denn Ballauf soll weiter auf Freiersfüssen unterwegs sein.

Gerade wird der 90. Kölner Fall «Diesmal ist es anders» gedreht, in dem es um den Tod einer Schlagersängerin geht. Darin hat Max «die Liebe seines Lebens» gefunden – diesmal verkörpert von Jenny Schily. Zuvor müssen Max und Freddy aber noch in ein oder zwei anderen Fällen ran.


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