«Tatort»-Check Wie häufig sind Demenz-Erkrankungen im jungen Alter?

tsch

26.2.2023

Im wunderbar abseitigen Wiener «Tatort» wusste das spätere Mordopfer, ein junger, hochbegabter IT-Berater, dass er wie seine Mutter jung an Demenz erkranken würde. Gibt es dafür wirklich einen medizinischen Test? Und wie wahrscheinlich ist eine solche Diagnose?

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Der neue Wiener «Tatort: Was ist das für eine Welt?» trug lange Zeit den Arbeitstitel «Tatort: Kreisky ist tot». Wohl nach jener auch im Film auftauchenden österreichischen Kultband, die nicht nur die ungewöhnliche Filmmusik beisteuerte, sondern sich auch nach dem ehemaligen österreichischen Bundeskanzler Bruno Kreisky (1911 bis 1990) benannte. Doch fürs deutsche Publikum wäre das wohl doch ein wenig zu viel Österreich-Spezialwissen gewesen.

Mit der spannenden Geschichte um den Mord an einem jungen «High Potential»-Mitarbeiter, für den jeder anfangs nur lobende Worte fand, gab es im Sonntagskrimi neben viel stimmungsvollem Wiener Nachtleben auch eine Menge interessanter Figuren mit Geheimnissen. Eines davon war die Tatsache, dass das Mordopfer sein Leben täglich im Polaroid-Bild festhielt, weil er wusste, dass er jung an Demenz erkranken würde. Gibt es solche Fälle tatsächlich – und wie kann man eine solche Diagnose stellen?

Worum ging es?

Marlon Unger (Felix Oitzinger), zu Beginn hatte man ihn als Teil einer Radsportgruppe bei der Ausfahrt gesehen, kam beim Nachhausekommen durch eine Messerattacke vor seiner Wohnung ums Leben. Der 29-Jährige stellte sich als hochpotenter und überall beliebter Mitarbeiter einer IT-Beraterfirma heraus, die Arbeitsabläufe in Betrieben optimiert und sich dabei oft Feinde macht – weil Menschen aufgrund der Expertise von Ungers Firma entlassen werden.

Die Wiener Moritz Eisner (Harald Krassnitzer), Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Meret Schande (Christina Scherrer) ermittelten im privaten und beruflichen Umfeld des Opfers, das sich immer mehr als schwer zu fassender Charakter mit vielen Geheimnissen herausstellte.

Worum ging es wirklich?

Wer den exzellenten Münchner «Tatort: Lass den Mond am Himmel stehen» vom Juni 2020 gesehen hat, weiss um die Klasse des österreichischen Autorenduos Stefan Hafner und Thomas Weingartner.

Im «Tatort: Was ist das für eine Welt?» haben die beiden nun wieder eine Geschichte voller kreativer, geheimnisvoller Figuren gebaut, die äusserst spannend anzuschauen sind. Geschickt wird mit Erwartungen des Publikums gespielt und gebrochen.

Fast jede Figur des ORF-Krimis war am Ende anders, vielschichtiger und schillernder, als man es zu Beginn vermutete. So erwies sich «Was ist das für eine Welt?» als Krimi, der die menschliche Diversität feierte. Und das nicht nur, weil die immer noch recht neue, queere Ermittlerin Meret Schande (stark: Christina Scherrer) diesmal sehr viel «screen time» bekam. Einer der kunstfertigsten und besten ORF-«Tatorte» seit längerer Zeit.

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Kann man jung an Demenz erkranken?

Laut Deutscher Alzheimer Gesellschaft e.V. sind in Deutschland mehr als 25'000 Menschen unter 65 Jahren von Demenz betroffen (Daten von 2020). Im Alter von 45 bis 65 Jahren erwischt die Krankheit etwa einen von 1'000 Menschen. Der jüngste bislang bekannte Alzheimer-Patient war 27 Jahre alt.

Oft wird Demenz bei jungen Menschen erst spät erkannt, weil sie sich anfangs in eher ungewohnter Form zeigt. Zum Beispiel durch ein verändertes Sozialverhalten (Rückzug oder impulsives Verhalten), das häufig mit einer Depression oder anderen Krankheitsbildern verwechselt wird.

Häufigste Ursache für eine früh eintretende Demenz sind frontotemporale Degenerationen (FTD). Bei dieser Krankheitsform sterben Gehirnzellen im Stirnhirn (Frontalhirn) und im Schläfenlappen (Temporalhirn) ab. Andere Ursachen für früh einsetzende Demenz sind: Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, durchblutungsbedingte Demenzen, Lewy-Körper-Krankheit, seltene neurologische Erkrankungen oder Infektionserkrankungen des Gehirns.

Wird Demenz vererbt?

Nur 0,5 bis ein Prozent aller Alzheimer-Fälle sind eindeutig erblich bedingt, sagt die Webseite alzheimer-forschung.de. Es sind bisher drei Gene bekannt, die für diese Form verantwortlich sind (APP: Chromosom 21, Presenilin-1: Chromosom 14 und Presenilin-2: Chromosom 1). Wenn eines dieser Gene Mutationen aufweist, bricht die Alzheimer-Krankheit in jedem Fall aus. Betroffene erkranken in der Regel sehr früh, zwischen dem 30. und 65. Lebensjahr.

Die Krankheit wird autosomal-dominant vererbt. Das heisst, wenn ein Elternteil betroffen ist, besteht eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder ebenfalls erkranken. Diese vererbbare Form wird auch «familiäre» Alzheimer-Krankheit genannt. Ein Gentest, wie im Film, ist nur möglich, wenn in der Familie die ursächliche Genmutation bei einem Betroffenen bereits gefunden wurde.

Welcher Song ist im Krimi immer wieder zu hören?

Weil Meret mit ihrer Freundin Jasmina (Elena Wolff) ein Konzert von Kreisky besucht, darf die 2005 in Wien gegründete Band, die für den ungewöhnlichen Soundtrack im Film sorgt, auch «live» performen. Benannt hat sie sich nach dem sozialdemokratischen Politiker Bruno Kreisky, der von 1970 bis 1983 österreichischer Bundeskanzler war – übrigens Landesrekord. Eine deutsche Band müsste sich entsprechend «Kohl» (16,08 Jahre Kanzler) oder «Merkel» (16,05 Jahre Kanzlerin) nennen.

Doch welcher Song ist im Film immer wieder zu hören? Es handelt sich um «Kilometerweit Weizen» vom aktuellen Album «Atlantis», das 2021 erschienen ist. Im Text erzählt Sänger Franz Adrian Wenzl (laut Band-Homepage) «eine leicht schiefe Geschichte arroganter Adoleszenz; ein nah am Schlager gebauter Refrain implodiert kurz vorm Schunkeln und schlägt ins Bedrohliche um. Ein Stück Traumlogik, das exemplarisch zeigt, wie nah sich das Böse und das Blöde, das Kluge und das Banale bei Kreisky (wie im echten Leben!) stets sind.»

Wie geht es beim Wiener «Tatort» weiter?

Im Sommer 2022 wurde «Azra» gedreht – so der Arbeitstitel der vermutlich nächsten «Tatort»-Folge aus Wien. Regisseur Dominik Hartl («Die letzte Party deines Lebens») und Drehbuchautorin Sarah Wassermair («Soko Donau») feiern mit dem Krimi ihr «Tatort»-Debüt.

Nach dem Mord am Bruder eines Mafiabosses wird die junge Türsteherin Azra (Mariam Hage) von der Polizei als Informantin in einen georgischen Verbrecherclan eingeschleust. Ein riskanter Plan, an dem Moritz Eisner auch noch festhält, als die Vermutung aufkommt, dass die Verbindung zwischen Azra und der Polizei bereits aufgeflogen ist. Kurz darauf ist die junge Frau verschwunden, und für Eisner und Bibi Fellner beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit in der Hoffnung, Azra noch rechtzeitig helfen zu können.