Oscarköder «The Brutalist» in Venedig Gewaltiges Filmepos über Holocaust und American Dream

Gianluca Izzo

2.9.2024

Brady Corbets neuer Film «The Brutalist» bringt alle nötigen Zutaten mit, um bei den kommenden Oscars eine prägende Rolle zu spielen: ein Adrien Brody, eine Felicity Jones und ein Guy Pearce in absoluter Höchstform.

Gianluca Izzo

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Brady Corbets episches Drama «The Brutalist» handelt von einem jüdischen Ungaren, der während des Holocaust in die USA flüchtet und dort als Architekt den American Dream lebt.
  • Adrien Brody, Felicity Jones und Guy Pearce verblüffen allesamt mit umwerfend guten Darstellungen und dürften sich ihre Oscarnominationen gesichert haben.
  • Mit einer Spieldauer von 215 Minuten fordert der Film viel Durchhaltevermögen, rechtfertigt die Dauer aber mit seiner epischen Erzählweise, seinem grandiosen Schauspielensemble und der eindrucksvollen visuellen Umsetzung.

Da staunen die Journalisten nicht schlecht, als nach ungefähr zwei Stunden Spieldauer des Pressescreenings von «The Brutalist» in Venedig auf dem Screen plötzlich ein Familienfoto der Protagonisten mit der Überschrift INTERMISSION erscheint. Was ist da los? Erlaubt sich Regisseur Brady Corbet einen Scherz? Spielt er mit dem Publikum? Bei Festivalvorführungen gibt es üblicherweise nie Pausen – schon gar nicht bei Pressescreenings. Brady Corbet macht keine konventionellen Filme. Er hat einen Hang zum Exzentrischen, Kontroversen oder gar zum Experimentellen. Das haben seine ersten beiden Regiearbeiten «The Childhood of a Leader» mit Robert Pattinson und «Vox Lux» mit Natalie Portman bewiesen.

Zum Autor: Gianluca Izzo
blue News

Gianluca Izzo berichtet direkt vor Ort über die Filmfestspiele in Venedig 2024. Er besuchte in vergangenen Jahren regelmässig die renommierten Festivals von Cannes, Venedig und Berlin und war selbst mehrere Jahre in der Filmindustrie tätig. Heute arbeitet er für blue Entertainment in der Programmplanung.

Dass er sich nun diese 20-minütige Unterbrechung bei den ersten Vorführungen seines Filmes erlaubt, ist auch ein Statement: «Schaut her und atmet tief durch. Das hier ist ein Monument von einem Film – eine epische Geschichte! Damit schaffe ich ein Denkmal für die Ewigkeit.»

Ein tiefer Fall

Die Pause markiert auch einen Bruch in der Erzählung. Es ist der Zeitpunkt, bevor der jüdische Ungar László Tóth (Adrien Brody) nach seiner Holocaust-Flucht in die USA endlich seiner Frau Erzsébet (Felicity Jones) wiederbegegnet.

Während des Zweiten Weltkriegs floh László nach Pennsylvania und kam bei seinem Cousin Attila unter. Über ihn lernt er den Sohn des einflussreichen Unternehmers Harrison Lee Van Buren kennen. Und weil László in seiner Heimat ein angesehener Architekt war, bittet Van Burens Sohn um seine Hilfe. Er möchte für seinen Vater als Überraschung eine topmoderne neue Bibliothek errichten lassen. Van Buren ist jedoch alles andere als begeistert, als er das Konstrukt erstmals sieht.

Zudem will Attilas Frau László plötzlich nicht mehr im Haus haben, worauf er auf der Strasse landet und heroinabhängig wird. Zu seinem Glück hat seine architektonische Arbeit aber dennoch Eindruck hinterlassen. Van Buren sucht ihn höchstpersönlich auf und hat grosse Pläne für László. Er wird auf seinem Anwesen untergebracht und soll für ihn ein riesiges Bauprojekt leiten. Als seine lange vermisste Frau Erzsébet ihn endlich dort erreicht, ist die Freude zunächst gross. Doch in der Zwischenzeit haben beide einiges erlebt und ihre Wiedervereinigung gestaltet sich komplizierter als erwartet.

Starke Performance der Besetzung

An Corbets Film fühlt sich einfach alles episch an, nicht nur die Geschichte, die sich über mehrere Jahrzehnte erstreckt. Die phänomenale Kamera-Arbeit zeigt völlig unterschiedliche, abwechslungsreiche Settings mit prächtigen Bildern. Die Filmmusik wirkt epochal, erhaben und immer wieder auch beflügelnd. Und nicht zuletzt glänzen auch die Darsteller mit verblüffend guten Darbietungen und wachsen quasi über sich hinaus.

Adrien Brody spricht überzeugend Ungarisch und Englisch mit ungarischem Akzent und lässt das Publikum vergessen, dass er hier eigentlich schauspielert und es diesen famosen Architekten gar nie gab. Sprachlich gilt dasselbe für Felicity Jones. Und Guy Pearce mimt als Australier einen amerikanischen Tycoon wie aus dem Bilderbuch, was immer wieder für Lacher sorgt. «Intellektuell stimulierend» nennt er die Konversationen mit László.

So episch und herausragend all die Facetten des Films auch sein mögen … mit seiner umfangreichen Geschichte und der ewig langen Spieldauer ist «The Brutalist» alles andere als leichte Kost. Es kostet auch Anstrengung und Durchhaltevermögen, diesen Film zu erleben. «Erleben» im wahrten Sinne des Wortes: «The Brutalist» ist ein Erlebnis und setzt ein Denkmal für die Ewigkeit.

«The Brutalist» hat noch kein Startdatum in den Schweizer Kinos.


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