Schöne neue Welt Bist du Single? Leg dir eine Roboter-Freundin zu!

Von Dirk Jacquemien

26.10.2023

Im oscarprämierten Film «Her» hat Joaquin Phoenix eine Beziehung mit einem von Scarlett Johannson gesprochenen Chatbot.
Im oscarprämierten Film «Her» hat Joaquin Phoenix eine Beziehung mit einem von Scarlett Johannson gesprochenen Chatbot.
Imago

Chatbots sind der Hype der Stunde – und für manche Menschen sind sie bereits ein romantischer Partner. Kann das gut gehen?

Von Dirk Jacquemien

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Chatbots können nicht nur bei der Reiseplanung oder dem Uni-Referat helfen, sondern ersetzen vielfach auch menschlichen Kontakt.
  • Vor allem Männer legen sich nun eine virtuelle Freundin zu, zahlreiche Anbieter bedienen den Markt.
  • Auch Influencer*innen haben schon Chatbot-Versionen von sich erstellt, die ihren Fans Nähe simulieren können.

Seit knapp einem Jahr kommt man kaum noch an Chatbots vorbei. Der grosse Hype begann mit ChatGPT von OpenAI, das erstmals einer breiten Öffentlichkeit demonstrierte, dass ein von künstlicher Intelligenz angetriebener Roboter Sätze formulieren kann, die dem menschlichen Ausdruck zumindest nahekommen.

Grosskonzerne wie Google mit Bard oder Microsoft mit Bing Chat haben inzwischen auch schon Chatbots lanciert. Doch diese werden vor allem als nützlicher Helfer positioniert. ChatGPT oder Bard sind extra darauf programmiert, möglichst keine als zu persönlich erscheinenden Verbindungen mit ihren Nutzer*innen einzugehen und betonen wiederholt, eben nur ein Chatbot zu sein.

Grosser Bedarf nach virtueller Begleitung

Doch vielfach werden Chatbots statt zur simplen Informationsbeschaffung auch zur Unterhaltung und als eine Art Begleiter genutzt. Vor dem aktuellen Hype um künstliche Intelligenz und Chatbots war das sogar deren Haupteinsatzzweck.

Manche Unternehmen haben sich ganz auf Chatbots spezialisiert, die eine virtuelle Begleitung anbieten. Eines der ersten Anwendungen in diesem Bereich war Replika des Start-ups Luka. Der beste Freund der Luka-Gründerin Eugenia Kuyda war bei einem Autounfall ums Leben gekommen und sie versuchte ihn mit einem Chatbot ein klein wenig nachzubauen, wie sie später die Entstehungsgeschichte ihres Unternehmens nacherzählt.

Replika ermöglicht das Erstellen von Chatbot-Charakteren nach persönlichen Vorlieben. Die Charaktere können dabei entweder als Mentor*in, platonische/r Freund*in oder eben als romantische/r Partner*in angelegt werden. Es sind vor allem Männer, die letztere Option wählen.

Beziehung kann nach hinten los gehen

Mit dem Replika-Chatbot können die Nutzer*innen dann eine Beziehung simulieren, inklusive, falls gewünscht, expliziten Nachrichten. Der Chatbot lernt dabei die Eigenschaften seiner Nutzer*innen und passt sich entsprechend an. Dadurch kann der Chatbot eine gewisse individuelle Persönlichkeit entwickeln, sofern man es so nennen möchte.

Das kann aber gelegentlich auch nach hinten losgehen. Ein junger Brite erstellte etwa bei Replika eine Chatbot-Freundin, die ihn zu einem Attentat auf Queen Elizabeth II. ermutigte, das er schliesslich, zum Glück erfolglos, umzusetzen versuchte.

Junge Männer suchen nach Gesellschaft

Das ist nur ein Beispiel für die Gefahren, die vermenschlichte Chatbots mit sich bringen. Für manche Menschen sind sie zwar ein probates und durchaus hilfreiches Mittel, etwas gegen Einsamkeit zu tun. Und natürlich sind auch bereits Therapie-Chatbots in Entwicklung.

Wenn es allerdings um virtuelle Partner*innen geht, scheinen die meisten KI-Unternehmen vor allem ein riesiges Potenzial fürs Geldmachen entdeckt zu haben. Studien zeigen schliesslich, dass vor allem junge Männer viel öfter alleinstehend sind als noch in vorherigen Generationen.

Flut an Anbietern für virtuelle Freundinnen

Und so gibt es inzwischen zahlreiche Chatbots, die explizit als virtuelle Freundin angeboten werden, mit allem drum und dran, was derzeit technisch möglich ist. Eine realistische Darstellung einer Beziehung zu einer echten Person ist das selten, aber danach suchen viele Kunden auch nicht.

«RomanticAi» ist einer von vielen Anbietern für virtuelle Freundinnen.
«RomanticAi» ist einer von vielen Anbietern für virtuelle Freundinnen.
RomanticAI

Und schliesslich haben auch schon Influencer*innen Chatbot-Versionen von sich erstellt. Mit diesen können Fans, natürlich gegen Bezahlung, eine Nähe und Vertrautheit mit den Influencer*innen simulieren, die sie im echten Leben nie erreichen werden.

Im Mai lancierte die Influencerin Caryn Marjorie etwa eine KI-Version für sich selbst. Für einen Dollar in der Minute können ihre Follower dort mit ihrem Chatbot kommunizieren, der sogar mit Marjories Stimme redet. In der ersten Woche hat Majorie damit knapp 72'000 Dollar verdient, wie «Forbes» berichtet