Modell «Hunger Games»Wie sich Gamestreaming entwickeln wird
Von Martin Abgottspon
9.12.2019
Gamestreaming-Dienste wie Twitch wachsen und wachsen. Der Kampf um die bekanntesten Aushängeschilder hat längst begonnen. In Zukunft soll aber vor allem die Interaktivität noch deutlich mehr Gewicht bekommen.
Für junge Leute hat lineares Fernsehen eine immer geringere Bedeutung. Sie bevorzugen Streaming-Dienst wie Netflix oder Amazon Prime. Gaming-Begeisterte findet man vorwiegend auf Twitch oder Youtube.
Dort schauen sie Gleichgesinnten beim Spielen zu. Vielen geht es dabei nicht mal primär um den Inhalt. Vielmehr wollen sie ganz einfach Teil einer Community sein. Sie tauschen sich im Chat miteinander aus, nehmen an Quizzes teil und bombardieren den Streamer mit Fragen.
Dieses Modell hat Erfolg. Twitch gehört längst zu den 100 grössten Webseiten der Welt. Amazon erkannte den Trend früh, kaufte die Plattform vor einigen Jahren für knapp eine Milliarde Dollar. Mittlerweile dürfte der Wert wohl um das Zwanzigfache gestiegen sein.
Die goldenen Zeiten beginnen erst
Aus diesem Grund versuchen nun immer mehr Plattformen mit Twitch, in den Ring zu steigen. Eines der prominentesten Beispiele ist Mixer. Der Dienst von Microsoft erfüllt die gleiche Funktion wie Twitch, scheint an vielen Stellen technisch sogar etwas weiter zu sein und dennoch hat man gegen den Branchenprimus aktuell noch einen schweren Stand. Da hat es bisher auch wenig geholfen, dass man Weltstars wie «Fortnite»-Spieler Ninja oder shroud exklusiv unter Vertrag genommen hat.
Über kurz oder lang dürfte sich die Investition aber auch für Microsoft auszahlen wie auch die Aussagen von Kevin Lin zeigen. Er ist einer der Mitgründer von Twitch und jahrelanger COO. Er führt den Erfolg unter anderem auch auf den kontinuierlichen Imagewechsel von Gaming zurück. «Gamen ist kein Nerd-Ding mehr, das man im Keller macht. Es ist cool zu zocken. Rapper und Musiker tun es. Es ist was, das man gemeinsam macht. Gaming hat positive Eigenschaften, bringt Menschen zusammen und lehrt gute soziale Fähigkeiten.»
Beeinflusst Twitch künftig sogar die Gameentwicklung?
Twitch & Co. haben vorgemacht, woran TV-Betriebe jahrelang gescheitert sind: Interaktivität. Anstatt sich einfach nur berieseln zu lassen, bestimmt man hier das Programm selber mit und kann gleichzeitig über Gott und die Welt mit anderen Personen diskutieren.
Und genau hier soll in Zukunft noch einiges passieren, wie Kevin Lin sagt: «Die Cloud-Technik wird noch einiges ändern und ermöglichen. So könnten Zuschauer in Zukunft beispielsweise auf Knopfdruck dasselbe Spiel wie der Streamer spielen, vielleicht sogar gemeinsam. Das wäre so, als würde man zu seinem Lieblings-Basketballer gehen und mit dem zusammen einfach ein paar Körbe werfen. Das wäre doch cool.»
Doch auch wer nicht selber spielt, soll noch mehr Einfluss nehmen können. Stichwort «Hunger Games»: Zuschauer geben Geld aus, um zu entscheiden, was im Spiel passiert, etwa ob ein Teil der Karte nun in Flammen aufgeht oder nicht. Einige Streamer haben mit diesem Modell bereits beachtlichen Erfolg. Und gemäss Lin soll das so weit gehen, dass sogar Gameentwickler in Zukunft vermehrt Spiele für ein Publikum entwickeln und nicht mehr nur in den Sparten Solo- und Multiplayer denken.
Top 10: Diese Games ziehen einem das Geld aus der Tasche
«Diablo 3»: Nach dem Release von Diablo 3 hatte Blizzard die Idee, einen inGame-Shop in ihrem Action-Adventure mittels Update nachzureichen, in welchem die Spieler bessere Beute und Erfahrungsboosts gegen Premiumwährungen erwerben konnten. Der Aufschrei war riesig und der Shop verschwand sehr bald wieder komplett aus dem Spiel.
Bild: Blizzard Entertainment
«GTA V»: Als «GTA V» 2013 auf den Markt kam, war «GTA Online» noch kein Bestandteil des Spiels. Zu dieser Zeit wurde von Rockstars auch noch angedeutet, dass der Singleplayer-Modus in Zukunft neue Inhalte erhalten werde. Dann kam «GTA Online und sein Echtgeld-Shop, welcher dem Publisher Milliarden einbrachte. Seither warten Fans der Story-Kampagne vergeblich auf neue Inhalte, währen die Leute online Millionen an echtem Geld im Casino verspielen.
Bild: Rockstar Games
«FIFA»: Der Ultimate Modus hat sich als wahrer Geldsegen für EA erwiesen. Soweit, dass seit die Entwickler ihren Fokus fast ausschliesslich auf diesen Modus richten, der bei den Fans beliebte Story-Modus massiv unter der Ressourcenverteilung leiden musste. Immer mehr Fans wenden sich in den letzten Jahren deshalb auch von der Serie ab. weshalb sich mittlerweile auch langjährige FIFA-Fans von der Serie abwenden.
Bild: Electronic Arts
«Fortnite»: «Fortnite» kam anfänglich als PVE-Coop-Spiel auf den Markt und war ein Vollpreis-Titel. Der berühmte Battle-Royale-Modus war nur ein einmaliger Test-Event. Durch den grossen Erfolg der Free2Play-Variante und die enormen Gewinne daraus, konzentrierte man sich bei Epic Games anschliessend lieber darauf und der PVE-Teil des Spiel wird mittlerweile fast komplett ignoriert und mehr schlecht als recht weiter voran gebracht.
Bild: Epic Games
«Call of Duty Modern Warfare Remastered»: «Call of Duty Modern Warfare» gehört zu den besten und beliebtesten Shootern überhaupt. Die hollywoodwürdige Inszenierung der Kampagne und der Multiplayermodus sind legendär. Dass die Remastered Version nur als Bonus für die teuerste aktuelle Version von «CoD» verfügbar war, war das eine. Dem Spiel hat man nachträglich aber noch zahlreiche Microtransactions spendiert, welche es im Originalspiel nicht gab und Kartenpakete kostenpflichtig angeboten, wobei solche Inhalte bei Remastered Editionen eigentlich standartmässig inklusive sind.
Bild: Activision
«Artifact»: Mit Pauken und Trompeten kündete man 2018 «Artifact» als das Kartenspiel an, auf das die Welt gewartet hat. Stattdessen beklagten sich die Spieler vom ersten Tag weg über das Bezahlsystem, neue Karten zu erwerben und die meisten fanden das Spiel auch deutlich zu kompliziert. «Artifact» verschwand danach praktisch so schnell von der Bildfläche wie es zu Beginn kometenhaft in die Top-Charts geschossen ist.
Bild: Valve
«Middle Earth Shadow of War»: Zum Releasezeitpunkt von «Middle Earth Shadow of War» waren Microtransactions keine Seltenheit aber eher bei Multiplayer-Spielen zu finden. Da wo es irgendwie Sinn macht für kosmetische Inhalte zu bezahlen, mit denen man dann vor anderen Spielern angeben kann. «Middle Earth Shadow of War» ist aber ein reines Singleplayer-Spiel und im Shop kauft man sich Erfahrungsboosts und bessere Ausrüstung oder bessere Gefolgsleute gegen Echtgeld. Das kam bei der Fanbasis nicht sonderlich gut an.
Bild: Warner Bros.
Anthem: «Anthem» war schlicht und einfach nicht fertig, als es im Februar 2019 auf den Markt kam. Technisch war es auf einem miserablen Stand und wies jede Menge Bugs auf, so dass das Spiel teilweise wirklich nicht spielbar war. Das Endgame war kaum vorhanden und gute Beute war spärlich gesäht. Der Ingame-Shop war dann der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. «Anthem» gilt als enier der Mega-Flops der Gamegeschichte.
Bild: Electronic Arts
«NBA2k20»: 2K liebt seine Microtransactions und auch «NBA2k20» ist wieder voll davon. Dieses mal haben sie aber den Bogen überspannt und die neu eingeführten Glücksspiel-Automaten (wortwörtlich) waren den Fans dann doch zu viel. Das Spiel wird seit dem Release fast ausschliesslich negativ bewertet. Auf Metacritic hagelt es unterirdische Userwertungen. Ein User brachte es in seiner Review auf den Punkt «Wieso gibt es Basketball in meinem Casino» - Autsch!
«Star Wars: Battlefront 2»: Bis heute gilt dieser Titel von Electonic Arts als das Vorzeigebeispiel, wie man seinen Kunden so richtig das Geld aus der Tasche zieht und fand damals sogar den Weg in die Massenmedien. Der Aufschrei in den Foren und auf Social Media war so gross, dass Electrnic Arts schliesslich nachgeben musste und sein Angebot anpasste, doch da war es quasi schon zu spät. Der Imageschaden hält bis heute.
Erstes Spiel: Monkey Island Ich spiele gerade: Hearthstone Battlegrounds ...und freue mich auf: Final Fantasy VII Remake Lieblingszitat: «The right man in the wrong place can make all the difference in the world» (Halflife 2)