Spielekritik «Call of Duty: Modern Warfare»: Das Shooter-Highlight des Jahres?

Von Pascal Wengi

10.11.2019

Auch Einzelspieler werden beim neuen «Call of Duty» ihre Freude haben.
Auch Einzelspieler werden beim neuen «Call of Duty» ihre Freude haben.
Bild: Activision

Die «Modern Warfare»-Reihe meldet sich nach sieben Jahren Absenz eindrücklich zurück. Realismus, bombastische Optik und ein überarbeiteter Multiplayer-Modus sollen die Serie wiederbeleben. Ob dies gelingt oder nur ein Schuss ins Blaue ist, erfahrt ihr in unserer Review.

Ich bewege mich mit meinen Kameraden in absoluter Dunkelheit durch einen Wald irgendwo an der Grenze zu Russland. Absolute Stille. Nur unsere eigenen Schritte auf dem Waldboden sind zu hören. Mein Trupp bewegt sich vorsichtig durch das Dickicht, bis wir plötzlich auf zwei patrouillierende Wachen stossen. Die Stille wird durch zwei schallgedämpfte Schüsse unterbrochen, gefolgt vom Geräusch der beiden Wachen, wie sie auf den Boden prallen.



Wieder absolute Stille. Unsere Gruppe bewegt sich vorwärts bis zu einem Aussichtspunkt. Eine gut beleuchtete Fabrik erstrahlt unter dem nächtlichen Sternenhimmel direkt hinter dem Abhang vor uns. «Luftschlag bereit», krächzt es durch mein Funkgerät. Mittels Laser gebe ich dem Piloten das Ziel durch. «Auf ihr Kommando», antwortet dieser. Luftschlag in 3… 2… 1… ein Jet donnert über unsere Köpfe hinweg und legt einen Teppich aus Feuer und Rauch über die Fabrik und zaubert ein wunderschönes Farbenspiel in Rot und Gelb auf den umliegenden Wald.

Meine Gruppe begibt sich den Hang hinunter, vorbei an brennenden Wachtürmen, welche in ein Meer aus Rauch und Zerstörung stürzen. «Wow» denke ich, bis sich plötzlich ein in Flammen stehender Soldat aus dem Rauch erhebt und vor uns tot umfällt. «Erlöst sie von ihrem Leid», ruft der Kamerad neben mir und gibt einem sich windenden, verkohlten Soldaten einen Gnadenschuss. Ich bin noch immer fasziniert von dieser Szenerie aus Feuer und Rauch mit all den Lichteffekten aber irgendwie auch zutiefst erschüttert über die Grausamkeit.

Einzelspieler

Nachdem man bei «Call of Duty Black Ops 4» komplett auf eine Einzelspieler-Kampagne verzichtet hat, kommen Fans der Solo-Erfahrung in «Modern Warfare» wieder voll auf ihre Kosten. In der gut achtstündigen Kampagne spielt man die Geschehnisse rund um den Terrorangriff auf London und die Jagd auf die Terroristen aus Sicht von drei der vier Hauptcharaktere: SAS Sergeant Kyle Garrick , CIA Offizier «Alex» und Rebellenanführerin Farah Karim.

Dabei sind die Missionen in gewohnter «Call of Duty»-Manier hollywoodreif aufbereitet und inszeniert. Keiner der Aufträge wirkt auch nur ansatzweise langweilig oder künstlich platziert und es wird unterschiedliches Gameplay geboten. So muss man mal als Teil eines SAS-Kommandos ein Haus in London stürmen und sich taktisch durch die engen Korridore bewegen, ein anderes Mal gibt man den Rebellen aus sicherer Entfernung Deckung mit einem Schafschützengewehr. Einer meiner Lieblingslevel war eine Anlehnung an die legendäre «All Ghillied Up»-Mission aus «Call of Duty 4 Modern Warfare», in der man als Duo durch Chernobyl schlich, um ein Attentat auszuführen. Diese Mission hat in der Gamewelt fast schon Kultstatur erreicht und erhält hier eine schöne Hommage.

Einziger Kritikpunkt an der sonst sehr guten Einzelspielererfahrung ist die Darstellung von Gut und Böse, bei welcher der Krieg recht eindeutig dargestellt wird und die Russen nicht sonderlich gut wegkommen. Den Russen werden im Spiel sogar Kriegsverbrechen zugeschrieben, welche in der Realität durch US-Streitkräfte begangen wurden. Hier hätte man ruhig etwas mutiger sein dürfen und den Krieg auf beiden Seiten realistisch darstellen, US-Firma hin oder her.

Multiplayer

Was wäre «Call of Duty» ohne seinen Mehrspielermodus? Dieses Jahr hat man einige Änderungen vorgenommen, um die Gefechte wieder realistischer zu gestalten. Es gibt keine Doppelsprünge oder Wandläufe mehr, dafür mehr Realismus und weniger Lebenspunkte. Gefühlt segnet man in keinem anderen «Call of Duty» schneller das Zeitliche als in «Modern Warfare». Das verleiht dem Spiel mehr Tempo, denn die Gefechte sind kürzer aber intensiver. Dadurch sind schnelle Reflexe und gutes Zielwasser ein Muss, um auf den virtuellen Schlachtfeldern zu bestehen.

Um es den weniger begabten Spielern einfacher zu machen, haben die Entwickler nach eigenen Angaben die Karten speziell so gestaltet, dass ungeübtere Spieler eine bessere Chance haben und sich an Orten verstecken und warten können, um so auch Erfolge feiern zu können. Leider haben die Entwickler von Infinity Ward damit jedoch etwas über das Ziel hinausgeschossen, denn «Call of Duty Modern Warfare» hat mittlerweile ein grosses Camper-Problem. Es ist kaum eine Partie denkbar, in der sich nicht mehrere Spieler irgendwo in einer Ecke verschanzen und mit der Schrotflinte darauf warten, dass sich jemand vor ihren Lauf bewegt.



Leider wirken hier auch die deutlich lauteren Gehgeräusche nicht wirklich entgegen, obwohl diese sowohl in der Hocke wie auch im Vollsprint wirklich eindeutig besser zu hören sind. Dies sind aber vor allem Balancing-Themen und können mittels Patch noch nachgebessert werden, wozu Infinity Ward sich auch schon geäussert und Besserung versprochen hat.

Neu sind in diesem Jahr auch die sogenannten «Bodenkriege», grosse 32-gegen-32-Gefechte mit Fahrzeugen und riesigen Maps, auf denen es gilt, Punkte einzunehmen und zu halten. Diesen Modus kennt man vor allem aus den «Battlefield»-Titeln, wo diese allerdings um einiges besser funktionieren als bei «Call of Duty». Es benötigt hier wohl einfach noch etwas Zeit. Trotzdem ist der neue Modus eine gut gelungene Abwechslung und ergänzt das Spiel im Grunde sehr schön.

Grafik und Technik

Ob Kampagne oder Multiplayer, «Call of Duty» sieht dieses Jahr einfach grossartig aus. Was Infinity Ward auf den Bildschirm zaubert, sucht im Shooter-Genre seinesgleichen und ist teils eine wahre Augenweide. Die Level sehen allesamt gut designed aus, mit hochauflösenden Texturen und wunderschönen Lichteffekten. Wer über die nötige Hardware verfügt, kann auf dem PC Raytracing aktivieren und erhält dadurch den wohl bestaussehndsten Shooter der Neuzeit.

Während meiner vielen Stunden sowohl im Multiplayer wie auch in der Kampagne kam es kaum zu Bugs oder Abstürzen. Infinity Ward reicht seit dem Release fleissig Patches nach und auch kleinere Fehler werden schnell behoben. Wirklich nervig waren einzig die Cutscenes der Kampagne, welche während meines Tests aus unerfindlichen Gründen stockten und teils mit 3-4 Frames pro Sekunde abliefen.

Schlussgedanken

Man hat sich bei «Modern Warfare» entschieden, keine Lootboxen und keinen Season Pass zu integrieren und liefert neue Inhalte komplett kostenlos nach. Der Ingame Shop beschränkt sich derzeit auf ein Kosmetik-Paket, dessen Erlös einer Stiftung für Kriegsveteranen zugutekommt. Ich vertraue Infinity Ward und Activision mal, dass dies auch in Zukunft so bleibt und nicht wie bei «Black Ops 4» Mikrotransaktionen später hinzugefügt werden.

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