KI in der LiteraturWurde mein Buch überhaupt von einem Menschen geschrieben?
Martin Abgottspon
12.11.2024
Im Zeitalter der künstlichen Intelligenz wird die Frage, ob Algorithmen eines Tages den kreativen Schaffensprozess von Menschen ersetzen könnten, immer dringlicher. Der Schweizer Erfolgsautor Charles Lewinsky greift dieses Thema in seinem neuesten Roman «Täuschend echt» auf.
Martin Abgottspon
12.11.2024, 12:00
Martin Abgottspon
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In Charles Lewinskys Roman «Täuschend echt» nutzt ein Werbetexter künstliche Intelligenz zur Ideenfindung, um seine Einfallslosigkeit zu kompensieren.
Lewinsky sieht die Stärken der KI bei standardisierten Texten und Vorlagen, aber für echte Kreativität und literarische Innovation hält er sie für ungeeignet.
Lewinsky prognostiziert eine Zukunft, in der Bücher als «garantiert KI-frei» gekennzeichnet sein könnten, um Authentizität zu sichern.
Charles Lewinskys neuster Roman «Täuschend echt» handelt von einem Werbetexter, der mithilfe von KI einen Bestseller schreibt – ein Szenario, das Lewinsky mit Ironie und Tiefe durchspielt. Dabei hat der Autor selber KI-generierte Passagen in seinen Roman eingebaut, womit er – ohne es beabsichtigt zu haben – wohl den ersten KI-Roman der Schweiz geschaffen hat.
Dennoch bleibt der Autor skeptisch gegenüber der Idee, dass Algorithmen zukünftig die Literatur dominieren könnten. «Mein Protagonist drückt nicht einfach auf die Entertaste und schon spuckt die künstliche Intelligenz den ganzen Roman aus,» erklärt Lewinsky. «Er nutzt die KI als Werkzeug. Weil er selber einfallslos ist, lässt er sich Dinge vorschlagen, die er dann integriert», so der Autor in einem Interview mit dem St. Galler Tagblatt. KI könne zwar beeindruckende Ideenlisten in kürzester Zeit liefern, die wahre kreative Leistung liege aber nach wie vor beim Menschen.
«In Hollywood gibt es Massenware, und das kann die KI problemlos. Da verstehe ich, dass die Autoren streiken.»
Diese Haltung des Autors spiegelt sich auch in seiner Einschätzung zur literarischen Qualität der KI wider. Während Lewinsky zugesteht, dass eine KI vielleicht in der Lage wäre, seichte Kiosk-Romane mit vorhersehbaren Plots zu produzieren, wie zum Beispiel die endlose Reihe von Geschichten, in denen der Chefarzt die Krankenschwester heiratet, sieht er echte literarische Kreativität weiterhin beim Menschen. «Das nächste ‹Blutbuch› wird die KI nicht schreiben,» betont Lewinsky, da dieses einen einzigartigen sprachlichen Ansatz verfolge, der sich der KI-Fähigkeit entziehe.
Lewinsky, der neben seinem literarischen Schaffen auch als Drehbuchautor tätig war, sieht insbesondere in der Film- und Serienindustrie die Gefahr, dass die KI langfristig menschliche Drehbuchschreiber ersetzen könnte. «Wenn sich bei einer Serie alles so entwickelt, wie man es von Anfang an erwartet, könnte die KI das auch schreiben,» sagt Lewinsky mit Blick auf die austauschbaren Formate vieler Seifenopern und Massendramen. «In Hollywood gibt es Massenware, und das kann die KI problemlos. Da verstehe ich, dass die Autoren streiken.»
KI sollte nie das Mittel zum Zweck werden
Die zunehmende Automatisierung im Textbereich sieht Lewinsky indes nicht nur kritisch. Für einfache Textformen, etwa Bewerbungsschreiben oder standardisierte PR-Texte, sei die KI durchaus nützlich. Bewerber, die eine KI einsetzen, würden zudem beweisen, dass sie mit modernen Technologien vertraut sind. «Effizientes Arbeiten mit Texten ist hier wichtiger als Kreativität», erklärt er pragmatisch.
Dennoch mahnt Lewinsky, dass die KI immer nur als Werkzeug dienen sollte, nicht als eigenständiger Schöpfer. «Egal wie sehr sich die künstliche Intelligenz noch weiterentwickelt, man soll sie immer als Werkzeug betrachten, das einem hilft. Niemals als Zweck,» lautet seine Überzeugung. In einer idealen Welt, so Lewinsky, würden Mensch und KI in einer ergänzenden Beziehung zusammenarbeiten, wobei die Maschine den Menschen nicht ersetzt, sondern unterstützt.
Seine Vorstellung der zukünftigen Literaturbranche beschreibt Lewinsky mit einem augenzwinkernden Ausblick: «Ich glaube, dass es in Zukunft einmal ein Label für Bücher gibt: ‹garantiert KI-frei›. Der Leser weiss dann: Hier bekomme ich etwas Echtes.» Analog zur heutigen Nachfrage nach Bioprodukten könnte auch in der Literatur das Authentische an Bedeutung gewinnen.