Ja zum Klimaschutz-Gesetz Befürworter sprechen von «Meilenstein» — SVP warnt vor steigenden Strompreisen

sda/toko

18.6.2023

Die Unterstützer feierten ausgelassen in Bern.
Die Unterstützer feierten ausgelassen in Bern.
KEYSTONE/Alessandro della Valle

Das Schweizer Stimmvolk sagt Ja zum Klimaschutz-Gesetz. Während die Befürworter ausgelassen feiern, warnen die Gegner vor steigenden Strompreisen und drohender Verbote.

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  • Das Ja zum Klimaschutz-Gesetz wurde unter grossem Jubel der Befürworter aufgenommen.
  • Die SVP warnt unterdessen vor steigenden Strompreisen und drohender Verbote.
  • Für die breite Ja-Allianz zum Klimaschutzgesetz bekennt sich die Schweiz mit dem Ja zu verbindlichen Klimazielen und zur Reduktion der Abhängigkeit von fossilen Energiequellen.

Die Schweiz ist vom Klimawandel besonders stark betroffen. Nach dem Scheitern des CO2 Gesetzes lagen daher alle Hoffnungen der Befürworter auf der Abstimmung zum Klimaschutz-Gesetz. Sie wurden erfüllt.

Ausgelassen feiern also die Sieger, von einem «Meilenstein» und einem Bekenntnis zum Klimaschutz ist die Rede. Unterdessen warnt die SVP vor steigenden Strompreisen und kommenden Verboten. Die Reaktionen im Überblick. 

Befürworter sehen Klimastart — Gegner befürchten Verbote

Das Jazum Klimaschutz-Gesetz freut die Befürworter. SP-Nationalrat Jon Pult (GR) twitterte, der Klima-Restart sei gelungen. SVP-Kampagnenleiter und Nationalrat Michael Graber warnte vor Verboten, welche zur Zielerreichung kommen würden.

Trotz «Lügenkampagne der fossilen SVP» habe die ganze vernünftige Schweiz gewonnen, schrieb Pult am Sonntag auf Twitter. Dem SP-Nationalrat Roger Nordmann (VD) sei durch den Einbau des Heizungsersatzes ins Gesetz ein Meisterstück gelungen.

Nationalrätin Nadine Masshart (SP/BE) bezeichnete das deutliche Resultat als wichtig für den Klimaschutz und die Nachhaltigkeit. Sie freue sich gegenüber dem Schweizer Fernsehen SRF, dass Fakten gewonnen hätten und nicht die Fake-News-Kampagne der SVP. Zur Erreichung der Klimaziele stünden Investitionen im Vordergrund. Klimaschutz ohne Verbote sei möglich.

Verbote hingegen befürchtet Michael Graber, SVP-Nationalrat (VS) und Leiter der Nein-Kampagne. Zur Erreichung der «utopischen Ziele» werde es nicht ohne Verbote gehen. Er werde die Befürworter auf ihr Versprechen behaften, dass Verbote unterbleiben. Die Kampagne bezeichnete er am Fernsehen nicht als zu aggressiv.

Der Entscheid sei bedauerlich, denn der Strom werde massiv teurer. In einigen Landregionen zeichne sich ein Nein ab, denn die Landbevölkerung müsse die Folgen in Form verminderter Mobilität und verschandelter Landschaft ausbaden.

Ja-Allianz sieht Bekenntnis zu den Klimazielen

Für die breite Ja-Allianz zum Klimaschutzgesetz bekennt sich die Schweiz mit dem Ja zu verbindlichen Klimazielen und zur Reduktion der Abhängigkeit von fossilen Energiequellen. Die Naturschutzorganisation WWF bezeichnet das Ja als Auftrag für die Zukunft.

Die Allianz aus FDP, Mitte, EVP, GLP, SP und Grünen sowie über 200 Organisationen, Verbänden und Unternehmen bezeichnete es als Pflicht für Bundesrat und Parlament, die Klimaziele zu erfüllen, wie  mitteilte. Klimaschutz sei in der Schweiz mehrheitsfähig.

Das Ja der Stimmbevölkerung verankere das Netto-Null-Ziel erstmals in einem Gesetz. Die Allianz zeigte dich überzeugt, dass der Heizungsersatz und die Innovationsförderung wirksame Massnahmen sind. Das Gesetz müsse rasch umgesetzt werden.

Gemäss Hochrechnung 58 Prozent Ja-Stimmen zu Klimaschutz-Gesetz

Gemäss Hochrechnung 58 Prozent Ja-Stimmen zu Klimaschutz-Gesetz

Die Schweiz erhält Wegmarken zum Erreichen des Netto-Null-Ziels bis zum Jahr 2050 und Förderprogramme für den Ersatz von fossilen Heizungen sowie für Innovationen. Laut Hochrechnung des Forschungsinstituts gfs.bern sagten 58 Prozent Ja zum Klimaschutz-Gesetz.

18.06.2023

Die Naturschutzorganisation WWF teilte mit, der Weg für eine klimafreundliche Zukunft sei frei. Die Schweizerinnen und Schweizer wollten die Verantwortung übernehmen. Die Angstkampagne und die Fakenews der Gegner hätten nicht verfangen. Das Gesetz müsse rasch umgesetzt werden. Zudem sei das Ja ein klarer Auftrag an den Ständerat, in der Herbstsession die Revision des CO2-Gesetzes anzugehen.

So reagieren die Parteien

Nach dem Ja zum Klimaschutzgesetz plant die SP den nächsten Schritt mit der Klimafonds-Initiative. Die Mitte sah sich in ihrer Politik bestätigt. Die FDP hielt fest, liberale Rezepte seien der erfolgreiche Weg beim Klimaschutz.

Die Fake-News-Kampagne der SVP habe nicht verfangen, schrieb die SP am Sonntag. Das Ja sei ein Sieg für Klima, Bevölkerung und Gewerbe, liess sich SP-Co-Präsident und Nationalrat Cédric Wermuth (AG) in der Mitteilung zitieren. Die Bevölkerung wolle den Klimaschutz durch öffentliche Investitionen vorantreiben.

SP-Fraktionschef Roger Nordmann (VD) zeigte sich überzeugt, dass zusätzliche Investitionen für die Ziele es Pariser Klimaschutzabkommens nötig sind. Diese würde die von der SP lancierte Klimafonds-Initiative ermöglichen. Dank ihr liessen sich 0,5 bis 1 Prozent des Bruttoinlandprodukts in die ökologische Erneuerung der Schweiz stecken.

Die FDP deutete das Ja als wichtiges Signal zum Erreichen der Klimaziele. Statt auf Technologieideologien und Verbote setze das Gesetz auf Innovation. Liberale Konzepte seien der Weg. Klar ist der FDP, dass wegen der höhere Strombedarfs neue Produktionskapazitäten benötigt. Bedauerlicherweise würden linke Parteien und Umweltorganisationen Projekte verzögern und bekämpfen.

Die Mitte habe sich erfolgreich für eine ausgewogene und zukunftsgerichtete Lösung eingesetzt, die auf innovative und erneuerbare Technologien setzt statt auf Verbote, teilte die Partei mit. Das Gesetz mache die Energiewende zu einer Chance für die Schweiz. Es stärke die Energiesicherheit und die Wirtschaft.

Hauseigentümerverband erwartet eingehaltene Versprechen

Unterdessen erwartet der Hauseigentümerverband (HEV) von den Siegern, dass sie ihre Versprechen einhalten. Staatliche Zwangsmassnahmen müssten unterbleiben, sagte HEV-Präsident und alt SVP-Nationalrat Hans Egloff.

Der Entscheid sei bedauerlich und die Gegenargumente hätten zu wenig Beachtung gefunden, erklärte Egloff am Sonntag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Die Hauseigentümer hätten trotz eines wegen des Bevölkerungswachstums stark gewachsenen Immobilienbestands die CO2-Emissionen seit 1990 um 39 Prozent gesenkt.

Der HEV mache was ökologisch nötig sei und brauche keine staatliche Bevormundung. Jetzt werde der Bund die Erfolge bei der Zielerfüllung messen. Dann werde sich herausstellen, wer Recht hat: Die Befürworter mit ihrem Versprechen, es gebe keine Verbote, oder die Skeptiker wie der HEV. Sein Verband habe immer gewarnt, es komme zu staatlichen Zwängen, sagte Egloff.

Der HEV hatte die Nein-Parole zu der Vorlage beschlossen, was zu Austritten von Mitgliedern führte. Die Prominenteren davon taten ihren Unmut öffentlich kund.

Gegner des Klimaschutz-Gesetzes befürchten Verbote

Gegner des Klimaschutz-Gesetzes befürchten Verbote

Verbote hingegen befürchtet Michael Graber, SVP-Nationalrat (VS) und Leiter der Nein-Kampagne. Zur Erreichung der «utopischen Ziele» werde es nicht ohne Verbote gehen. Er werde die Befürworter auf ihr Versprechen behaften, dass Verbote unterbleiben.

18.06.2023

Gastrosuisse-Präsident Platzer sieht Bundespolitik in der Pflicht

Der auf der Gegnerseite des Klimaschutzgesetzes engagierte Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer sieht nach dem Ja Parlament und Bundesrat in der Pflicht. Sie müssten dafür sorgen, dass es nicht zu Versorgungslücken und einer Strompreisexplosion kommt.

Die Kampagne sei sehr ideologisch geführt worden, sagte Platzer am Sonntag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Es habe sich ein Klima verbreitet, als ob man als Gegner des Gesetzes gegen den Klimaschutz sei. Sein Verband Gastrosuisse sei keineswegs gegen den Klimaschutz und tue viel für ihn.

Seiner Ansicht nach sei das Ganze falsch aufgezäumt gewesen, erklärte Platzer. Statt erst die Versorgungssicherheit und nachher den Ausstieg aus der fossilen Energie anzugehen, mache man es umgekehrt. Er hoffe jetzt, dass es nicht zu Verboten komme.

Das Klimaschutzgesetz sei erst ein Rahmengesetz und die Umsetzung noch nicht klar. Statt die Planungssicherheit zu erhöhen, habe der Entscheid der Stimmbevölkerung die Unsicherheit verschärft.