Der Unfallhergang bei Gino Mäders Sturz wird noch immer untersucht. Nun schildert der Tour-de-Suisse-Arzt Dr. Roland Kretsch wie er den Moment erlebt hat.
Es ist weiterhin unklar, was am Donnerstag auf der Abfahrt wenige Kilometer vor dem Ziel genau passierte. Gino Mäder war in der letzten Abfahrt der fünften Etappe am Albula von der Strasse abgekommen und in ein Bachbett gestürzt. Am Folgetag starb er.
Dr. Roland Kretsch, der als Erster am Unfallort war, erzählte «Blick», dass es zu einem Sturz von zwei Rennfahrern gekommen sei und diese die Böschung runtergekracht seien. «Wahrscheinlich überhöhte Geschwindigkeit oder zu spät gebremst oder verhakelt, das ist nicht ganz klar», sagte Kretsch.
Die Rega wurde sofort aufgeboten
Der Tour-de-Suisse-Arzt sprach über die erschütternden Momente nach dem Unfall: «Wir haben sofort angehalten und geguckt, wo die Verletzten sind. Das war von oben nicht möglich. Aufgrund der Tiefe des Sturzes habe ich sofort zu meinem Chauffeur gesagt: ‹Bitte gleich die Rega organisieren, hier ist etwas Schlimmes passiert.› Dann bin ich runter gestiefelt und habe zwei Verletzte vorgefunden. Zum einen Magnus, der schon da sass und am ganzen Körper gezittert hat.»
Wenige Meter entfernt fand Kretsch schliesslich Mäder, der «im Ausguss einer Trinage des Berges auf dem Felsen lag». Kretsch weiter: «Regungslos, bewusstlos, pulslos. Ich habe ihn dann sofort mit einem Physiotherapeuten aus dem Wasser gezogen und direkt nebendran reanimiert. Dann sind nacheinander die Retter runtergekommen.»
Die erfolgreiche Reanimation
Der Arzt habe Mäder an der Unfallstelle ohne Puls aufgefunden. Eine 25 Minuten andauernde Reanimation sei erfolgreich gewesen. «Er ist wieder zu Leben gekommen, der Herzstillstand wurde behoben. Allerdings war er zu keiner Zeit bei Bewusstsein», so Kretsch. Danach wurde Mäder mit der Rega ins Kantonsspital Chur geflogen und dort auf der Station für Traumatologie behandelt. Am Freitag teilte sein Team Bahrain-Victorious mit, dass der Schweizer seinen schweren Verletzungen erlegen ist.
Die Kantonspolizei Graubünden hat bereits einen Zeugenaufruf gestartet. «Insbesondere werden Personen gesucht, die den Unfall beobachten oder sogar filmen konnten», hieß es in einer Mitteilung.
Die Strasse war in trockenem Zustand
Durch den bisher noch ungeklärten Unfallhergang ist eine Einschätzung insgesamt schwierig. Schwere Stürze und Unfälle auch mit Todesfolge sind leider nicht neu im Radsport, Schutz bieten praktisch nur die Helme. Der Tod von Fabio Casartelli 1995 nach einem Unfall auf einer Etappe der Tour de France hatte die Debatte um eine Helmpflicht befeuert, erst acht Jahre später wurde sie aber eingeführt. Kurz vorher war der Kasache Andriej Kiwilew nach einem Sturz gestorben.
Bei Mäders Sturz war die Straße trocken, die rasante Abfahrt stand am Ende einer Etappe über 215,3 Kilometer mit 3295 Höhenmetern. Es sei keine schlaue Idee gewesen, das Ziel einer solchen Etappe nach einer Abfahrt zu platzieren, sagte der 23 Jahre alte Weltmeister Remco Evenepoel aus Belgien.