Tour de Suisse in der Kritik «Das ist ein Affront gegen die Fahrer»

Von Luca Betschart

16.6.2023

Die Königsetappe der Tour de Suisse wird von zwei schweren Stürzen überschattet. Betroffene Fahrer kritisieren daraufhin die Tour-Organisation und deren Platzierung des Ziels.

Von Luca Betschart

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die Königsetappe der Tour de Suisse wird von zwei schweren Stürzen überschattet. Der Schweizer Gino Mäder muss an der Unfallstelle gar reanimiert werden.
  • Einige Fahrer kritisieren die Tour-Organisation für ihre Entscheidung, kurz vor dem Ziel eine solche Abfahrt einzuplanen.
  • Tour-Direktor Olivier Senn zeigt sich in einem Interview betroffen und sagt: «Wir hoffen stark, dass es beiden Fahrern gut und schnell wieder besser geht.»

In der Abfahrt vom Albulapass, wo bei einigen Fahrern zeitweise fast 100 km/h gemessen werden, stürzen Gino Mäder und Magnus Sheffield in der Königsetappe der Tour de Suisse schwer. Während Sheffield Prellungen und eine Hirnerschütterung davonträgt, erwischt es Gino Mäder noch schlimmer. 

Der Schweizer wird regungslos aufgefunden und muss von den Rettungskräften reanimiert werden, bevor er mit einem Helikopter ins Spital Chur transportiert wird. Wie schwer seine Verletzungen sind, ist am späten Donnerstagabend noch nicht abschliessend geklärt.

Evenepoel: «Immer noch mehr Spektakel»

Die schweren Stürze überschatten die fünfte Etappe der Tour de Suisse und lösen Diskussionen aus. Der Belgier Remco Evenepoel erlebt den Crash von Sheffield mit und kritisiert die Tour-Organisation scharf: «Das war keine schlaue Idee, das Ziel einer solchen Etappe nach einer Abfahrt zu platzieren. Aber man braucht offenbar immer noch mehr Spektakel. Es muss wohl einfach etwas passieren, damit man reagiert.»

Evenepoel legt später auf Twitter nach. «Ich hoffe, dass das Finale der heutigen Etappe sowohl den Organisatoren des Radsports als auch uns Fahrern zu denken geben wird», schreibt der 23-Jährige, der sich das Ziel auf einem Gipfel gewünscht hätte. «Es war keine gute Entscheidung, uns diese gefährliche Abfahrt hinunterfahren zu lassen», so Evenepoel, der aber auch die Profis in die Pflicht nimmt. «Als Fahrer sollten wir auch über die Risiken nachdenken, die wir eingehen, wenn wir einen Berg hinunterfahren.»

Gammenthaler: «Nervenkrimis anstelle von Sicherheit»

Henri Gammenthaler
Bild: zVg

Henri Gammenthaler analysiert das Radsport-Geschehen für «blue Sport». Der Zürcher war einst selbst Fahrer, später TV- und Radio-Experte und Kommentator der Tour de Suisse.

«Vielleicht war diese Abfahrt zum Abschluss nicht die beste Idee», sagt auch Mattias Skjelmose, der sich nicht wirklich über seine Rückeroberung der Führung im Gesamtklassement freuen kann. Der Däne macht klar, dass es durchaus noch schlimmer hätte kommen können, relativiert aber zugleich: «Jede Abfahrt ist unsicher, wenn man zu schnell unterwegs ist. Ich bin traurig.»

Im Gespräch mit blue Sport wählt Experte Henri Gammenthaler ebenso deutliche Worte. «Wir hoffen das Beste für Gino. Leider wollen die Organisatoren immer mehr Nervenkrimis anstelle von Sicherheit», sagt Gammenthaler und fügt an: «Ein Affront gegenüber den Rennfahrern – insbesondere den Jungen, die bereit sind, alles zu riskieren.»

Grosse Betroffenheit bei Tour-Direktor Senn 

Tour-Direktor Olivier Senn zeigt sich über die schweren Stürze betroffen. «Wir wollen erst informieren, wenn wir Fakten haben. Im Moment stehen die zwei Athleten im Zentrum. Wir hoffen stark, dass es beiden Fahrern gut und schnell wieder besser geht. Alles Weitere folgt zu einem späteren Zeitpunkt», sagt der Aargauer im Interview mit Keystone-SDA.

Auch die Frage, wie es mit der Tour de Suisse weitergeht, kann und will Senn derzeit nicht beantworten. «Das ist im Moment sekundär. Jetzt geht es darum, die nötigen Informationen zu erhalten. Wie ist der Stand? Was ist passiert? Was können wir machen?»