Heute vor 24 Jahren feierte «Iron Mike» einen seiner grössten Siege. Wir nehmen den Tag zum Anlass, auf eine beispiellose Karriere mit vielen Hochs, aber eben noch mehr Rückschlägen zurückzublicken.
«Im Ring war ich ein Vernichter, nur dafür war ich geboren. Jetzt ist die Zeit vorbei. Es ist leer. Ich bin nichts.» Das sind aktuelle Worte von Mike Tyson, dem gleichermassen genialen wie skandalträchtigen Boxer, der auf den Tag genau vor 24 Jahren, am 16. März 1996, einen seiner grössten Siege feierte. Doch schön der Reihe nach.
Am 30. Juni 1966 erblickt Mike Tyson in Brooklyn, New York City, das Licht der Welt. 20 Jahre und 143 Tage später wird er der jüngste Boxer sein, der einen Weltmeistertitel im Schwergewicht gewinnt. In der zweiten Runde schickt er am 22. November 1986 den kanadischen WBC-Titelhalter Trevor Berbick in Las Vegas auf die Bretter. Ein Triumph mit Ansage. Der Legende nach soll bereits Tysons erster Trainer, Cus d'Amato, prophezeit haben: «Das wird der zukünftige Weltmeister im Schwergewicht.» Damals war Tyson gerade einmal 13 Jahre alt.
In kurzen Zeitabständen räumt er in der Folge ein Schwergewicht nach dem anderen aus dem Weg. Mit 21 Jahren ist Mike Tyson Weltmeister der drei grossen Verbände im Schwergewichtsboxen. Sein Kampfstil ist geprägt von brachialer Gewalt. Viele seiner Kämpfe dauern nur wenige Runden, manchmal sogar wenige Sekunden. Wer soll diesen furchtlosen Kerl in den kommenden Jahren stoppen?
Im Januar 1988 versucht es Larry Holmes, der nach anderthalbjähriger Pause in den Ring zurückkehrt. Bis Mitte der achtziger Jahre galt Holmes als einer der besten Boxer der Welt, unter anderen hatte er Muhammad Ali besiegt. Der Altmeister provoziert im Vorfeld des Kampfes Tyson mit despektierlichen Aussagen – die Antwort kommt in Form von schmerzhaften Schlägen. Tyson schickt Holmes in der vierten Runde dreimal zu Boden, worauf der Kampf abgebrochen wird. Holmes boxt noch bis 2002 weiter, die Niederlage gegen Tyson sollte in seiner 29 Jahre (!) andauernden Karriere die einzige vorzeitige bleiben. Fünf weitere Male verliert Holmes in seiner Laufbahn nach Punkten.
Erste Skandale abseits des Rings
Nach diesem Kampf sorgt Tyson vermehrt auch abseits des Rings für Schlagzeilen – eine nach kurzer Zeit gescheiterte Ehe, der Bruch mit seinen Managern und ein Schicksalsschlag, der ihm schwer zu schaffen macht. Sportlich gerät die Karriere allerdings zunächst nicht ins Stottern. Im Juni 1988 feiert er einen seiner ganz grossen Siege. Den bis zu diesem Zeitpunkt ebenfalls noch ungeschlagenen Michael Spinks (dem einzigen Boxer, dem man zugetraut hatte, Tyson gefährlich zu werden) schlägt Tyson in der ersten Runde nach 91 Sekunden k. o. Damit ist klar: Tyson ist die unumstrittene Nummer eins im Schwergewichtsboxen. 35 Kämpfe, alle gewonnen, 31 davon vorzeitig, Titelhalter in allen Klassen. Tyson lockt die Massen vor die TV-Geräte wie einst der grosse Muhammad Ali, doch diesen Heldenstatus sollte er nie erreichen.
Nach dem Kampf wechselt Tyson seinen Manager, er unterschreibt beim berüchtigten Don King. Dieser will primär das Image des «bösesten Mannes auf dem Planeten» fördern, boxtechnisch allerdings scheint Tyson nach dem Wechsel nicht mehr derselbe zu sein. Auch private Probleme kommen hinzu, die sich negativ auf die Entwicklung auswirken. 1987 wird er wegen sexueller Belästigung angeklagt, 1998 muss er eine Titelverteidigung verschieben, weil er sich bei einem Strassenkampf gegen einen früheren Gegner die rechte Hand bricht. Übergewicht, öffentlich ausgetragene Eheprobleme, ein Autounfall, der als Selbstmordversuch dargestellt wird und so weiter …
Das Ende der Unbesiegbarkeit
Am 11. Februar 1990 verliert Tyson sensationell gegen den von Buchmachern als 42:1 gehandelten Aussenseiter James «Buster» Douglas seinen ersten Kampf überhaupt. In der 10. Runde schickt Douglas Tyson mit einer wuchtigen Dreier-Kombination ins Land der Träume. Der Kampf geht in die Geschichtsbücher des Schwergewichtsboxens ein.
Das Ende von Tysons Karriere ist damit aber nicht eingeläutet. Schliesslich ist der Amerikaner damals auch erst 23 Jahre alt. Im November 1991 soll es zum Titelkampf gegen Evander Holyfield kommen. Doch der Kampf muss verschoben werden, weil sich Tyson beim Bauchmuskeltraining eine Rippe bricht. Im Frühjahr 1992 wird der Kampf ein zweites Mal verschoben. Tyson wird der Vergewaltigung beschuldigt und schliesslich zu sechs Jahren Haft verurteilt, drei davon auf Bewährung.
16. März 1996: Tysons grösster Sieg nach der Haftstrafe
Während Tysons Haftstrafe verliert die Schwergewichtsszene massiv an Popularität, nicht nur, aber bestimmt auch, wegen der fehlenden Strahlkraft des besten Boxers jener Zeit. Am 25. März 1995 wird Tyson nach dreijähriger Haft und dank guter Führung aus dem Gefängnis entlassen. Das mediale Interesse ist gigantisch, Kameraleute aus aller Welt sind im Bundesstaat Indiana vor Ort. Im August 1995 steigt Tyson nach über vier Jahren Abwesenheit zurück in den Ring – gnadenlos räumt er seine ersten beiden Gegner aus dem Weg.
Rund ein Jahr nach seiner Haftentlassung bekommt Tyson wieder einen grossen Kampf. Am 16. März 1996 schlägt er in der dritten Runde den britischen Titelhalter Frank Bruno k. o. und ist damit wieder WBC-Weltmeister. Für diesen Sieg kassiert er eine Rekordgage von 30 Millionen Dollar, zu jener Zeit eine irrwitzig hoch anmutende Summe. Tyson ist zurück! Zumindest für den Moment.
Die Fahrt Richtung «Hölle»
In den folgenden Jahren kann Tyson zwar immer noch Kämpfe gewinnen, doch er ist nicht mehr der gefürchtete Gegner früherer Tage. Unvergessen bleibt der Rückkampf am 28. Juni 1997 gegen Evander Holyfield, gegen den er Monate zuvor den WM-Titel hatte abgeben müssen. Nach drei Runden beisst Tyson seinem überlegenen Gegner ein Stück des rechten Ohres ab. Der Kampf wird abgebrochen und Tyson wird aufgrund seines äusserst unsportlichen Verhaltens die Box-Lizenz auf unbestimmte Zeit entzogen, zudem muss er drei Millionen Dollar Strafe bezahlen.
Tyson sorgt auch in der Folge für weitere Skandale, sitzt ein zweites Mal hinter Gittern – aber er gibt eben auch ein weiteres Comeback. Der Höhepunkt sollte der Kampf gegen den Briten Lennox Lewis werden, aber die Affiche steht unter keinem guten Stern. Schon bei einer Pressekonferenz vor dem Duell kommt es zu einer Massenschlägerei zwischen Betreuern, Boxern und Bodyguards. Unter den Tumulten beisst Tyson wieder zu: diesmal in den Oberschenkel seines Gegners. Erneut wird dem Superstar die Boxlizenz entzogen.
Der Kampf kommt dann einige Wochen später doch zustande. Tyson ist klar unterlegen, verliert durch K. o. in der achten Runde. Er kann sich aber immerhin über ein Trostpflaster in der Höhe von 17 Millionen US-Dollar «freuen». Seine Strahlkraft hat Tyson an diesem Tag aber endgültig verloren.
Seinen letzten Kampf bestreitet Tyson am 11. Juni 2005. Auch gegen den Iren Kevin McBride sieht er nicht gut aus und unterliegt nach technischem K. o. – unmittelbar danach erklärt er seinen Rücktritt. Er wolle den Boxsport, dem er so viel zu verdanken habe, durch solche Auftritte nicht lachhaft machen, so Tyson. Man ist sich einig: Er hat recht.
Trunkenheit am Steuer, Drogen, Haftstrafen, Tyson sorgt auch in der Folge laufend für neue Skandale. Ein tragischer Schicksalsschlag lässt ihn zudem zweitweise noch tiefer fallen: 2009 wird seine Tochter beim Spielen von einem Kabel eines Laufbandes stranguliert.
Doch so oft Tyson am Boden liegt, so oft rappelt er sich wieder auf. Sein Leben war und ist immer öffentlich – erst vor wenigen Tagen liess er tief in seine gebrochene Seele blicken. Die Seele eines Mannes, die sich wie ein Jo-Jo zwischen den Höhen und Tiefen des Lebens hin und her bewegt.