Für viele Athletinnen und Athleten droht der Traum der olympischen Sommerspiele zu platzen. Im Interview mit «Bluewin» erklärt der Schweizer Ruderer Paul Jacquot wie sich das anfühlt.
Für Paul Jacquot geht im August 2019 der Sportlertraum schlechthin in Erfüllung. Bei der Weltmeisterschaft in Linz qualifiziert sich der Schweizer Ruderer als Teil des «Vierer ohne Steuermann» für die Olympischen Spiele 2020.
Das Coronavirus droht dem 24-Jährigen nun einen Strich durch die Rechnung zu machen. Die Spiele in Tokio stehen auf der Kippe, und eine geregelte Vorbereitung ist längst nicht mehr möglich. Trotzdem will Jacquot seinen Traum nicht aufgeben und glaubt, dass er damit auch anderen helfen kann.
Paul Jacquot, die Welt wird gerade vom Coronavirus in Atem gehalten. Das könnte auch Auswirkungen auf die Olympischen Sommerspiele haben. Stand jetzt erfolgt in knapp vier Monaten aber der Startschuss – wie laufen die Vorbereitungen?
Momentan muss ich von zu Hause aus trainieren. Das ist sehr schwierig. Aber ich darf nicht reklamieren. Wir haben jetzt die Möglichkeit erhalten, bald in ein Trainingslager nach Tenero zu gehen. Dort dürfen wir auf dem Wasser trainieren. Das sind den Umständen entsprechend sehr gute Bedingungen. Ich habe mit vielen Athleten aus anderen Nationen gesprochen, die jetzt alle zu Hause sind und keine solchen Möglichkeiten haben. Da bin ich sehr froh, auch wenn ich mich jetzt zuerst fünf Tage in komplette Isolation begeben muss, bevor ich nach Tenero fahren darf.
Wie sieht so ein Trainingsalltag in Quarantäne aus?
Wir haben alle eine Rudermaschine vom Verband erhalten, damit wir zu Hause unser Fitnesstraining absolvieren können. Aber am schwierigsten ist es im Kopf. Man fragt sich ständig, ob die Spiele überhaupt stattfinden und man muss sich ganz alleine immer weiter pushen. In der Gruppe ist das viel einfacher. Man muss jetzt im Kopf stark sein. Hinzu kommt, dass ich wirklich niemanden sehen und auch nicht rausgehen darf. Ich habe Vorräte für fünf Tage gekauft und fahre am Freitag nach Tenero. Dort gibt es dann einen medizinischen Test, der darüber entscheidet, ob ich reingelassen werde. Und dann bleibe ich dort für mindestens drei Wochen. Wir dürfen das Zentrum nicht verlassen, dürfen nicht einkaufen gehen und müssen ständig auf dem Zimmer bleiben, wenn wir nicht trainieren.
Es werden Stimmen laut, die vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) verlangen, dass die Spiele abgesagt oder verschoben werden. Wie stehen Sie dazu?
Ich werde das nicht entscheiden. Ein grosser Teil der Athleten muss sich noch für die Spiele qualifizieren. Ohne Wettkämpfe ist das schwierig. Möglicherweise wird die Qualifikation basierend auf historischen Resultaten durchgeführt. Das wäre aber nicht richtig. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass die Gesundheit aller Vorrang hat. Ob es trotz allem möglich ist, die Spiele durchzuführen, dass muss letztlich das IOC entscheiden. Ich vertraue dieser Entscheidung, und wenn es kein Risiko für die Bevölkerung gibt, dann sollen die Spiele stattfinden.
Wären es überhaupt noch faire Spiele, jetzt da alle Athleten in ihrer Vorbereitung unterschiedlich eingeschränkt werden?
Es ist Sport. Es ist immer unfair. Im Rudern zum Beispiel, da haben gewisse Länder bessere Boote, weil sie einfach mehr Geld haben. Hinter einer Mannschaft steht ein ganzes Land. Und wenn die Schweiz bereit ist, die Mannschaft auch in der aktuellen Situation zu unterstützen, dann haben wir natürlich einen Vorteil. Dieses Jahr ist es aber vielleicht eine andere Art von Wettkampf. Ein Wettkampf im mentalen Bereich. Für die, die jetzt im Kopf abschalten, wird es schwierig werden. Jetzt musst du so trainieren, als würden die Spiele definitiv stattfinden. Sonst bist du nicht bereit. Aber fair ist es nie.
Wie wichtig ist der Sport in solch turbulenten Zeiten überhaupt noch?
50 Prozent meines Lebens habe ich gerudert. Es ist ein riesiger Teil meines Lebens und für mich ist der Sport sehr wichtig. Auch jetzt noch. Aber es ist ganz klar: Die erste Priorität liegt zurzeit bei der Sicherheit der Bevölkerung. Trotzdem interessiert der Sport immer noch. Ich habe ganz viele Nachrichten erhalten in den letzten Tagen von Leuten, die hoffen, dass die Spiele trotzdem stattfinden. Und es würde bestimmt niemandem weh tun, wenn man in der Zeitung auch wieder einmal etwas anderes lesen könnte als News zum Coronavirus.