Noè Ponti reiht an den Weltcup-Stationen in Schanghai, Incheon und Singapur Sieg an Sieg. Höhepunkte sind zwei Kurzbahn-Weltrekorde über 50 m Delfin und ein Europarekord über die doppelte Distanz.
Am Tag nach der Rückkehr aus Asien rückt Ponti gleich in die Sportler-RS ein. In Magglingen blickt er im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA zurück auf die erfolgreiche Zeit in Asien und spricht über das «verrückte» Gefühl, Inhaber eines Weltrekords zu sein. Zudem äussert sich der 23-jährige Tessiner zu den Lehren aus dem knapp verpassten Medaillengewinn an den Olympischen Spielen in Paris und wie er die knapp vier Jahre bis Los Angeles 2028 anpacken will.
Noè Ponti, Sie sind seit Sonntag zurück von drei intensiven Wettkampfwochen in Asien, wo Sie im Weltcup auf der Kurzbahn zum Seriensieger wurden. Erzählen Sie uns von Ihren Emotionen.
Die letzten Wochen waren eine tolle Erfahrung, eine der besten in meinem Leben. Es ist mega viel passiert, ich habe viel gewonnen und bin viele Rekorde geschwommen. Tausende Emotionen, so würde ich sagen. Dazu habe ich neue Freundschaften geschlossen und ganz viele Leute kennengelernt. Es war einfach mega.
Sie massen sich mit Léon Marchand und hielten gut mit dem Franzosen mit, der nach seinen vier Olympiasiegen in Paris als der Überschwimmer schlechthin gilt. Sich mit einem Star wie Marchand auf Augenhöhe zu bewegen – genau für solche Momente trainieren Sie wohl, oder nicht?
Es wäre besser gewesen, wenn es auch in Paris so gewesen wäre. Aber nein, natürlich tat es auch in den letzten Wochen gut. Léon ist im Moment einer der besten Athleten der Welt – nicht nur im Schwimmen. Ich war ganz nah an ihm dran, in einem Wettkampf gewannen wir einmal gar ex-aequo. So gegen die Besten der Welt schwimmen zu können, hat sehr viel Spass gemacht.
In Schanghai, bei der ersten von drei Weltcup-Stationen in diesem Herbst, sorgten Sie über 50 m Delfin für einen Weltrekord. Haben Sie gleich gemerkt, was Ihnen gelungen ist?
Ich kannte den Weltrekord, weil ich schon ein Jahr – oder sogar etwas länger – an diese Zeit gedacht habe. Ich wusste, dass es in diesem Jahr soweit sein könnte, dass es passieren kann. Nachdem ich angeschlagen hatte, sah ich die Zeit von 21,67 Sekunden aufleuchten. Da dachte ich sofort: «Okay, geil – Weltrekord.»
Ein Schweizer Schwimmer, der einen Weltrekord aufstellt, ist extrem selten und kam letztmals 1985 mit Dano Halsall über 50 m Crawl vor.
Der Gedanke, Inhaber des Weltrekords zu sein und sagen zu können: «Ich bin auf dieser Distanz der Schnellste der Welt», kommt mir tatsächlich etwas verrückt vor und ist schwierig, in Worte zu fassen. Meine persönliche Bestzeit ist der gültige Weltrekord. Wow, das tönt schon sehr gut. Gleichzeitig bedeutet es auch, dass ich ab jetzt trainiere, um mich weiter zu verbessern, denn sonst kommen die anderen Schwimmer und nehmen mir meinen Weltrekord wieder weg.
Sie haben erwähnt, dass Sie schon über ein Jahr an den Weltrekord gedacht haben. Nicht alle Schweizer denken so gross wie Sie.
Man könnte denken, dass die Schweiz eine kleine Nation ist und vielleicht nicht so viele Schwimmer hat. Zuletzt gab es aber doch einige gute unter ihnen. Aber klar: Ein Schweizer, der Weltrekord schwimmt, das passiert nicht jeden Tag. Also eigentlich fast nie. Deshalb bin ich einfach glücklich, dass ich einer der ersten sein kann. Hoffentlich werde ich noch mehr Weltrekorde brechen.
Ihren ersten Weltrekord haben Sie 14 Tage später in Singapur schon ein erstes Mal deutlich unterboten.
Zum Abschluss dieser Wettkämpfe bin ich 21,50 Sekunden geschwommen. Es war für diesen Tag das perfekte Rennen. Insgesamt habe ich den Rekord um 25 Hundertstel gesenkt. Auf nur 50 Meter ist das riesig. Aber wissen Sie was?
Nein.
Ich denke, ich kann noch schneller schwimmen.
Weil Sie vor den Starts in diesem Herbst nicht sehr viel trainiert haben?
Ich könnte in besserer Form sein, ja. Denn vor dem ersten Weltcup in Schanghai war ich erst seit drei, vier Wochen wieder im Training. Nach den Olympischen Spielen habe ich rund eineinhalb Monate pausiert.
Tatsächlich begannen Sie erst um den 20. September herum wieder mit dem Training im Wasser.
Ab da habe ich zunächst einmal pro Tag locker trainiert. Das Gefühl für das Wasser war sofort wieder da. Für den Weltcup setzte ich mir keine grossen Ziele. Schliesslich wusste ich, dass ich nicht in einer optimalen Form anreise. Aber für den Kopf tat mir die lange Pause enorm gut. Ich war vor den Wettkämpfen sehr relaxt und verspürte absolut keinen Druck. So konnte ich einfach schnell schwimmen.
Sie erwähnen den Druck, und dass sie relaxt waren. Ist das vielleicht eine der Lehren, die Sie aus Paris gezogen haben?
Wenn du verlierst, kannst du immer Sachen lernen. Du weisst danach, dass du es besser machen kannst. Der vierte und fünfte Platz (über 100 und 200 m Delfin – Red.) waren nicht das, was ich in Paris wollte. Aber ich glaube, dass es Tausende Sportler gibt, die unterschreiben würden, an Olympia Vierter werden zu können. Aber wenn du schon eine Olympia-Medaille hast (Ponti gewann 2021 in Tokio über 100 m Delfin Bronze), lautet dein Ziel nicht, Vierter zu werden. Vielmehr willst du dann gewinnen. Das muss so sein, sonst ergäbe es keinen Sinn, dass ich noch schwimme. Obwohl ich aber in Paris nicht alles erreicht habe, was ich wollte, bin ich da trotzdem sehr gut geschwommen.
Wie wichtig war die Pause nach den Sommerspielen?
Die war wichtig. So konnte ich über alles nachdenken. Im September traf ich mich dann mit meinen Trainern zu einem offenen Gespräch. Da habe ich ihnen gesagt, was aus meiner Sicht nicht geklappt hat und was wir verbessern können. Sie sahen es gleich wie ich.
Was heisst das?
In den kommenden zwei Jahren werden wir im Training ein paar neue Sachen probieren. Wir wollen neue Reize setzen. Mit dem Ziel, dass wir für die verbleibenden zwei Jahre bis Los Angeles 2028 genau herausgefunden haben, was wir zu tun haben. In dieser Phase gibt es dann nämlich keinen Raum mehr für Fehler. Aber ich denke, in den kommenden rund zwei Jahren haben wir Zeit zum Testen.
Zunächst folgt für Sie nun die Sportler-RS.
In den ersten drei Wochen ist die Anzahl der Wassertrainings zwar etwas geringer als sonst. Dennoch passt das gut für mich. Eben gerade, weil genügend Zeit bis zum nächsten Grossanlass auf der Langbahn bleibt. Die RS dauert bis März, doch schon ab Januar bin ich wieder zuhause in Tenero am Trainieren. Ab da fangen wir an, wieder richtig zu pushen.
2025 findet die WM in Singapur erst im Oktober statt. Werden Sie da im 50-m-Becken – oder allenfalls schon an früheren Meetings – ebenfalls an den Weltrekord denken?
Mal schauen. Ich weiss, dass ich nicht nur auf der Kurz-, sondern auch auf der Langbahn gut bin. Aber in den letzten Jahren konnte ich das beim Höhepunkt im Sommer nie richtig zeigen. Ich konnte nie zu 100 Prozent performen. Da gilt es eine Lösung zu finden, dass mir das künftig auch gelingt. In Singapur ist eine WM-Medaille das Ziel. Und ja, der Weltrekord über 50 m Delfin kann vielleicht auch im grossen Becken ein Thema sein. Andrej Goworow ist der aktuelle Weltrekordhalter. Er meint, dass ich der Einzige bin, der seinen Weltrekord brechen kann. Vielleicht nicht im nächsten Jahr, sondern erst später – wir werden es sehen.
Noch der kurzfristige Blick voraus: In einer Woche folgen die Schweizer Meisterschaften im 25-m-Becken. Starten Sie da auch?
Ja, aber nur an zwei Tagen. Am dritten werde ich zuhause schlafen.
Und danach?
Dauert es nicht mehr lange bis zur Kurzbahn-WM. Nach den Weltrekorden über 50 Meter Delfin und dem Europarekord über 100 Meter bin ich momentan der Weltbeste. Da hat man natürlich grosse Ziele. Ich werde probieren, auch in Budapest so schnell wie möglich zu schwimmen. Wiederum ohne Druck, weil ich eben in der RS nicht ganz so trainieren kann wie zuhause.