Vor 16 Jahren Mit Eminem im Kopf und Spitz vor Augen zum Grössten der Geschichte

SDA

19.8.2020 - 04:35

Die Sommerspiele von Athen 2004 stehen im Zeichen des US-Wunderknaben Michael Phelps. Obwohl der 19-Jährige das Ziel von siebenmal Gold verpasst, besteigt er dank acht Medaillen den Schwimm-Olymp.

«Ich werde nicht fallen, ich bleibe stehen. Es fühlt sich an, als könnte mich niemand schlagen.» Es sind Zeilen wie massgeschneidert für Motivationsseminare oder für Werbeslogans mit Sportgrössen vom Kaliber eines Roger Federer oder Tiger Woods. Die Sätze entstammen dem Mund des US-Musikers Eminem, er rappt sie ganz am Schluss des Songs «Till I Collapse», den er 2002 als Teil seines Albums «The Eminem Show» veröffentlichte. 16 Jahre ist es her, als Eminems Worte Schwimmer Michael Phelps in Athen zu acht Olympia-Medaillen begleiteten.

Dass der damals 19-jährige US-Schwimmstar aus Baltimore mit Olympia-Edelmetall aus Griechenland abreisen würde, galt weit vor der Eröffnungsfeier in Athen vom 13. August als gesichert. Seit Phelps vier Jahre zuvor – im Alter von 15 Jahren – als jüngster olympischer US-Schwimmer der Geschichte in Sydney über 200 m Delfin auf dem Startblock gestanden und einen 5. Rang erzielt hatte, galten für ihn einzelne Titel nicht mehr als Richtwert. Phelps wurde gemessen an den Rekorden der Grössten seiner Zunft.

Nicht weniger als die sieben Goldmedaillen, die Landsmann Mark Spitz 1972 in München erzielt hatte, wurden in den USA vom Schwimm-Superman der neuesten Generation erwartet. Im Jahr davor an den Weltmeisterschaften in Barcelona hatte Phelps immerhin fünfmal Gold gewonnen und ebenso viele Weltrekorde aufgestellt. Sämtliche Versuche des Youngsters, der Welt zu vermitteln, dass er «der erste Michael Phelps sei und nicht der zweite Mark Spitz», waren irgendwo im Krach der aufgestellten Bestmarken und gesammelten Medaillen untergegangen. «Siegen ist für diesen Mann ein Minimum, der Weltrekord ein fast alltägliches Ziel», fasste die NZZ die Ansprüche an den Schwimmer zusammen.



Rückschlag in der Staffel und vier Jahre warten

In Athen tut Phelps wie von ihm gefordert, auch wenn die Bestmarke von Spitz, die sieben Goldmedaillen, früh aus seinem Fokus rückt. Am zweiten Wettkampftag, dem Tag nach seinem ersten Olympia-Gold (400 m Lagen), enttäuscht die US-Staffel mit Phelps über 4-mal 100 m Crawl – Bronze statt Gold. Die Jagd nach Spitz' Rekordwert muss Phelps für Athen damit einstellen; vier Jahre später in Peking wird er acht Olympia-Goldmedaillen erreichen und Verpasstes nachholen. Phelps werde an der ersten Welle des Misserfolges ertrinken, prophezeien die Kritiker des Teenagers in Griechenland nach dem Rückschlag in der Staffel.

Phelps kontert: Bronze über 200 m Crawl und zweimal Gold (200 m Delfin/4x100 m Crawl) folgen an den verbleibenden zwei Wettkampf-Tagen bis zum Ruhetag. Am 19. August 2004, dem Donnerstag vor 16 Jahren, setzt er sich über 200 m Lagen zum vierten Mal die Krone auf, der Titel als erfolgreichster Schwimmer der Sommerspiele von Athen ist ihm damit schon sicher. Stoppen lässt er sich fortan nicht mehr: nicht von Kritikern, nicht von bereits Erreichtem.

Wann immer Phelps das Aquatic Center in Athen betrat, tat er dies unter schweren Kopfhörern, mit Eminems Stimme im Ohr: «Es fühlt sich an, als könnte mich niemand schlagen.» Gold über 200 m Lagen, über 100 m Delfin und als Teil der 4x100-m-Lagen-Staffel. Seine achte Medaille als Teil der Lagen-Staffel erreichte er gar von der Tribüne aus. Phelps durfte nur im Vorlauf antreten, im Final erhielt Landsmann Ian Crocker den Vortritt. Zum Schluss standen bei Phelps acht Medaillen zu Buche, womit er mit Alexander Ditjatin gleichzog. Der russische Turner hatte 1980 in Moskau ebenfalls acht Medaillen am gleichen Anlass gesammelt.

Depressionen und ADHS

Wie sehr der Druck dem in den Himmel gelobten Sport-Star zusetzte, war in Athen noch nicht zu erkennen. Erst Jahre später, als er seine Karriere nach 23-mal Olympia-Gold beendet hatte, sprach Phelps über die Leiden während seiner Sportlerkarriere. Depressionen, ADHS und weitere psychische Störungen gehörten gemäss dem Überschwimmer zum Alltag seines Sportlerlebens. Erste Indizien auf psychische Probleme zeigten sich beim US-Star wenigen Monate nach der Rückkehr aus Griechenland. Als er sich im November 2004 in Salisbury betrunken hinter das Steuer eines Autos setzte, wurde dies noch seinem neuen Rockstar-Image zugeschrieben. Es sollte nicht der einzige Ausreissversuch von Phelps bleiben. Nach den Sommerspielen in London 2012 – Phelps gewann sieben Medaillen – stand er gemäss eigener Aussage sogar einem Suizid nahe. «Till I Collapse» – bis ich kollabiere, sang Eminem.


SDA

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