Nächste Woche startet mit dem US Open das letzte Grand-Slam-Turnier des Jahres. Zwar ohne Roger Federer und Stan Wawrinka, dafür hat Belinda Bencic beste Voraussetzungen, einen weiteren Coup zu landen.
«Belinda Bencic gewinnt Wimbledon», titelte Redaktionskollege Bruno Bötschi schon bevor das Rasenturnier in London überhaupt angefangen hat in einer seiner Kolumnen. Übereuphorisch beschwor er den Sieg der Thurgauerin hinauf und verliess sich dabei auch zu grossen Teilen auf seine Orakel-Fähigkeiten.
Leider kam alles anders und noch viel schlimmer. Belinda Bencic scheiterte bereits in der ersten Runde. Die Enttäuschung war riesig, doch nicht annähernd so gross wie das ungebrochene Selbstvertrauen der Schweizerin. Dieses unterstrich sie in Tokio mit ihrem Olympiasieg im Einzel und der Silbermedaille im Doppel mehr als eindeutig.
Hartes Los
Dieser Erfolg macht Bencic vor den anstehenden US Open in New York jetzt zu den Mitfavoritinnen auf den Titel, auch wenn die Buchmacher ihr den ganz grossen Coup dann doch nicht zutrauen. Bei «Sporttip» erhält man bei einem Sieg der 24-Jährigen knapp das 27-fache seines Einsatzes zurück. Eine äusserst attraktive Quote, selbst wenn es das Los mit Bencic nicht allzu gut meinte.
Bei der Auslosung landete sie im selben Viertel wie die Weltnummer 1, Ashleigh Barty. Bencic könnte also im Viertelfinal auf die schwerstmögliche Gegnerin und haushohe Favoritin treffen. Barty gewann zuletzt in Wimbledon und auch in Cincinnati. So aussichtslos sich dieses vermeintliche Duell anhört, ist es aber gar nicht.
Die Fitness-Arbeit trägt Früchte
Bencic hat in ihrer Karriere erst einmal gegen Barty gespielt, bei den WTA Championships 2019. Zwar verlor sie die Partie in drei Sätzen, demonstrierte im Startsatz aber, dass sie durchaus die Mittel hat, um die Australierin in Bedrängnis zu bringen.
Inzwischen bringt die Schweizerin noch einiges mehr mit als vor zwei Jahren. Die Arbeit mit ihrem Freund und Fitnesstrainer Martin Hromkovic kommt erst jetzt so richtig zur Geltung. Bencic wirkt frisch und stark, sowohl mental wie auch physisch. Besonders gut zur Geltung kam dies in Tokio, wo Bencic trotz der Hitze und der Doppelbelastung nie die Puste ausging. Ein wichtiger Aspekt, wenn man auch Grand-Slam-Siege anstrebt.
Mit der Lockerheit zum Erfolg?
Doch so ehrgeizige Ziele formuliert Bencic gar nicht mehr. Nach ihrem Olympiasieg meinte sie etwa: «Für mich ist mit diesem Titel ein Traum wahr geworden. Selbst wenn ich kein Turnier mehr gewinnen sollte, der Olympiasieg kann mir niemand mehr nehmen.» Sie scherzte sogar, dass sie ab jetzt nur noch zum Plausch spiele.
Gut möglich, dass diese Goldmedaille ihr auch die nötige Lockerheit gibt, um erst jetzt auch bei den Grand-Slam-Turnieren so richtig durchzustarten. «Dieser Erfolg nimmt vielleicht den Druck. Es könnte sein, dass ich die kommende Turniere etwas entspannter angehe.»
Bei der Niederlage gegen Landsfrau Jil Teichmann in Cincinnati lieferte Bencic eine Kostprobe dieser Gelassenheit. Wo sie sich früher über jeden Fehler ärgerte und mit sich selber haderte, bleibt sie jetzt ruhig, selbst wenn das Spiel in einer Niederlage endet. So gab es zum Matchschluss sogar herzliche Umarmungen.
Die Euphorie aus Tokio, die Lockerheit, das harte Training: Kommen all diese Puzzleteilchen zusammen, hat Belinda Bencic tatsächlich sehr gute Chancen, auch in New York für grosse Schlagzeilen zu sorgen. Ob es nach zwei Wochen dann tatsächlich heisst «Belinda Bencic gewinnt die US Open», weiss höchstens Blue-Redaktor Bruno Bötschi. Er glaubt sowieso daran und so hoffen wir aus Schweizer Sicht, dass er dieses Mal Recht behält.