Nick Kyrgios fegt die Weltnummer 1 Daniil Medvedev vom Platz und ist nur noch drei Siege vom ersten Grand-Slam-Titel entfernt. Gelingt ihm in New York der Coup, könnte er sich allerdings von der ATP-Tour verabschieden.
Mit 7:6 (13:11), 3:6, 6:3, 6:2 bodigt Nicky Kyrgios den Vorjahressieger Daniil Medvedev und erreicht damit erstmals an den US Open die Viertelfinals. In der Abwesenheit von Novak Djokovic zählt der Australier nun zu den Topfavoriten auf den Triumph in Flushing Meadows.
Kyrgios, der schon in Wimbledon den Final erreichte, präsentiert sich in der Form seines Lebens. Nach der Partie lässt er an der Medienkonferenz aber aufhorchen, als er über die nahe Zukunft spricht.
«Es ist das letzte grosse Turnier des Jahres. Wir müssen versuchen, das durchzustehen und uns gegenseitig anspornen und positiv bleiben. Uns ist klar, dass wir nächste Woche nach Hause fahren. Vielleicht noch drei Spiele, dann müssen wir nie wieder Tennis spielen», sagt der 27-Jährige.
Und weiter: «Wenn ich ein Grand-Slam-Turnier gewinne, weiss ich nicht, wie viel Motivation ich danach noch haben werde, weil es extrem schwer ist, das zu schaffen.»
Gut möglich also, dass nach dem grossen Coup der Rücktritt folgen würde. Schon nach dem verlorenen Wimbledon-Final hatte Kyrgios gesagt, dass er sich nicht sicher sei, ob er nach seinem ersten Major-Titel noch motiviert wäre, um weiterzuspielen.
Das grosse Problem der Australier
Dabei geht es in erster Linie um das Privatleben. Aufgrund der langen Reise ist es für australische Tennisprofis sehr schwierig, zwischen den Turnieren nach Hause zu fliegen und die Liebsten zu sehen. «Ich bin jetzt seit vier Monaten von zu Hause weg. Das gilt für mein ganzes Team. Wir können unsere Familie nicht so oft sehen wie andere Tennisspieler. Ich versuche, dass es sich lohnt und dass es für uns alle eine unvergessliche Reise wird. Hoffentlich können wir es schaffen, nach Hause zurückkehren und richtig feiern», so Kyrgios nach dem Viertelfinal-Einzug.
Schon nach seinem Auftaktsieg in New York sprach er von Heimweh: «Ich bin erschöpft. 99 Prozent der Leute auf der Tour wissen nicht, wie es ist, so lange unterwegs zu sein. In meiner Familie kommen Babys zur Welt, meine Mutter ist krank. Meinem Vater geht es nicht gut. Und ich muss weiterreisen. Wir aus Australien haben keine andere Wahl.»
So hing im März dieses Jahres schon die 25-jährige Ashleigh Barty als Weltnummer 1 ihr Racket an den Nagel, weil «ich den physischen Antrieb, dieses emotionale Verlangen und alles, was es braucht, um dich selbst der absoluten Spitze zu stellen, nicht mehr habe», wie es Barty erklärte.
«Jetzt kann ich es endlich allen zeigen»
Doch Nick Kyrgios scheint selbst noch nicht genau zu wissen, was die Zukunft bringen soll. Zumal die als Skandalnudel bekannte Weltnummer 25 sich auf und neben dem Platz aktuell wohl so professionell verhält wie noch nie zuvor. Er habe auch das Gefühl, dass er «für viel mehr spiele als für mich selbst», wie Kyrgios in den vergangenen Wochen schon mehrmals betonte.
«Ich versuche einfach, die Leute nicht zu enttäuschen. Ich habe viele Leute, die mich unterstützen, und auf der anderen Seite gibt es auch viele, die an mir zweifeln und mich die ganze Zeit runtermachen wollen», sagt er. «Jetzt kann ich es endlich allen zeigen. Ich habe das Gefühl, dass ich wirklich hart gearbeitet habe. Ich bin im Moment einfach sehr motiviert.»
Die nächste Hürde auf Kyrgios' Weg zum ersten Grand-Slam-Titel heisst am Dienstag Karen Khachanov.