Ex-Schweizerin im Wimbledon-Viertelfinal Nach ihrem Nationenwechsel trumpft Lulu Sun gross auf

SB10/SDA/DPA

8.7.2024

Lulu Sun steht völlig überraschend im Wimbledon-Viertelfinale.
Lulu Sun steht völlig überraschend im Wimbledon-Viertelfinale.
dpa

Lulu Sun hätte das neue Gesicht des Schweizer Tennis werden können. Das Talent stiess nun aber unter neuseeländischer Flagge in Wimbledon in den Viertelfinal vor.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Lulu Sun ist in Wimbledon nicht zu stoppen. Die überraschende Qualifikantin mit Wurzeln in der Schweiz schaltete auch die grosse britische Hoffnung Emma Raducanu aus und steht sensationell im Viertelfinal.
  • Die 23-jährige Linkshänderin vollzog erst im Februar einen Nationenwechsel und entschied sich, in Zukunft für ihr Geburtsland anzutreten. Aufgewachsen ist die Tochter eines Kroaten und einer Chinesin am Genfersee.
  • Nach ihrem Dreisatzsieg über die US-Open-Siegerin von 2021 trifft Sun nun auf die ungesetzte Kroatin Donna Vekic (WTA 37), in der Weltrangliste wird sie mindestens in die Region um Platz 50 vorstossen.

Lulu Sun begeistert beim ältesten und prestigeträchtigste Tennis-Turnier der Welt – leider tritt die 23-Jährige aber seit kurzem für Neuseeland an und nicht mehr für die Schweiz.

Der Name lässt es erahnen. Lulu Sun ist Multikulti wie aus dem Bilderbuch. Im neuseeländischen Auckland geboren, der Vater ein Kroate, die Mutter Chinesin, übersiedelte sie als Kind an den Genfersee. Die Eltern wollten die bestmögliche Schulbildung für sie. 

Nach einer erfolgreichen Junioren-Karriere konzentrierte sie sich zunächst auf ihr Studium, das sie an der Universität von Texas in Austin in nur zweieinhalb Jahren mit einem BA abschloss – mit Hauptfach Internationale Beziehungen, für den Multikulti-Globetrotter, der fliessend englisch, französisch und chinesisch spricht, irgendwie logisch.

«Eine Anerkennung meiner Wurzeln»

Seit sie ihren Fokus nur aufs Tennis legte, geht es bei der Genferin sportlich aufwärts. Auf der ITF-Tour – die zweithöchste bei den Damen – hat sie mittlerweile sechs Turniersiege auf dem Konto. Anfang Jahr konnte sich Lulu Sun (ausgesprochen Sunn, nicht wie das englische Wort für Sonne) am Australian Open zum ersten Mal für das Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers qualifizieren.

Bei den French Open startete Sun bereits für das Land, in dem sie die ersten fünf Jahre ihres Lebens verbrachte. Der Nationenwechsel zu den Kiwis dürfte aber nicht nur auf romantischen Gefühlen beruhen.

In Neuseeland ist Sun die klare Nummer 1. Ausserdem soll der neuseeländische Verband sie auch finanziell unterstützen. Zudem hoffte Sun vielleicht auch, sich so einfacher für Olympia qualifizieren zu können. Dafür kam ihr Erfolg nun allerdings zu spät, die Olympiaselektion erfolgte vor Wimbledon.

Auf der Website von Tennis New Zealand erklärte sie ihren Entscheid. «In der Schweiz aufgewachsen, trage ich die Liebe für beide Länder in meinem Herzen. Neuseeland zu repräsentieren ist für mich deshalb mehr als ein rein professioneller Entscheid, es ist eine Anerkennung meiner Wurzeln.» Ihre Grosseltern würden immer noch in Neuseeland leben und sie kehre oft dahin zurück, um Kraft zu tanken.

In den letzten vier Wochen stagnierte Sun aber ein wenig. Bei ihren beiden letzten Turniere auf Gras blieb die Linksänderin einmal in der Quali hängen sowie scheiterte an der Schweizerin Susan Bandecchi (WTA 322).

Emotionales Interview geht um die Welt

Es deutete also wenig daraufhin, dass die als Qualifikantin gestartete Sun in Wimbledon gleich ein – neuseeländisches – Tennis-Märchen schreiben kann. Doch die Weltranglisten-123. schaffte mit ihrem powervollem Spiel nun den siebten Sieg in Serie (inkl. Qualifikation) und schaltete dabei am Sonntag auch die frühere US-Open-Gewinnerin Emma Raducanu aus. Jetzt steht Sun in London sensationell im Viertelfinal. 

Die 23-Jährige, welche vom Slowaken Vladimir Platenik trainiert wird, der auch schon Belinda Bencic betreute, befindet sich damit plötzlich auch im internationalen Scheinwerferlicht. Gleich zu Beginn des Interviews auf dem Centre Court wurde Sun emotional und fing an zu weinen. «Es war ein grossartiges Match», sagte sie: «Ich weiss nicht, was ich sagen soll. Ich bin einfach super-glücklich hier auf dem Platz spielen dürfen. Es ist eine solch tolle Erfahrung für mich.» Sie habe sich von erfolgreichen Profis wie Roger Federer, Steffi Graf und Martina Navratilova inspirieren lassen.

Ihre nächste Gegnerin ist die Kroatin Donna Vekic, die sicher in Reichweite liegt. Zumindest in der Weltrangliste wird sie sowieso einen grossen Sprung nach vorne machen und mindestens auf Platz 53 vorstossen.

Sun findet es schwierig, sich privat auf eine Nation festzulegen. «Am Ende war ich nirgends sehr lange», erläuterte sie an der Medienkonferenz. Und fühlt sich deshalb überall irgendwie zuhause. «Ich bin wirklich glücklich, dass ich so viele Kulturen und Hintergründe habe, aber hundert Prozent für einen entscheiden kann ich mich eigentlich nicht», stellte sie fest.

«Von meiner chinesischen Mutter habe ich die Disziplin, mein Vater kommt aus Kroatien am Meer, von ihm habe ich eine gewisse Gelassenheit und Ruhe. Und von der Schweiz die Neutralität», meinte sie lachend. Nachdem der Vater die Familie verlassen hatte, wechselte sie ihren Namen auch von Lulu Radovic zu Lulu Sun.

Deshalb konnte Tennis-Star Stefanos Tsitsipas danach auf X witzeln: «Die einzige Sonne, die wir diese Woche hatten, ist Lulu.»

«Die einzige Sonne, die wir diese Woche hatten, ist Lulu.»

Stefanos Tsitsipas

Griechischer Tennis-Star