Nach dem Fiasko an der Adria Tour hagelt es für Novak Djokovic Kritik von allen Seiten. Dennoch muss der Serbe nicht gänzlich auf Rückendeckung verzichten – nicht zuletzt aus seiner Heimat.
Bereits am Wochenende melden sich Berufskollegen zu Wort, denen die massive Kritik an Novak Djokovic zu weit geht. «Es gibt viele Leute, die froh darüber sind, Djokovic zu schwächen. Sie beschuldigen ihn alleine und sagen, dass sie es besser gemacht hätten», ist beispielsweise Gilles Simon (ATP 54) überzeugt. Die Kroatin Donna Vekic (WTA 24), in Zadar selbst Teilnehmerin der Adria Tour, pflichtet bei: «Es ist eine Scheiss-Situation. Es tut mir so leid für Novak, seine Idee war grossartig. (…) Er hatte doch nur gute Absichten.»
Für karitative Zwecke plante der 17-fache Grand-Slam-Sieger während der Corona-Zwangspause eine eigene Turnierserie durch Serbien, Kroatien, Montenegro und Bosnien-Herzegowina. Bereits der zweite Zwischenstopp in Zadar bedeutete allerdings Endstation, weil mehrere Spieler und Betreuer positiv auf das Virus getestet wurden. Die Tour musste per sofort abgebrochen werden, für das Organisationskomitee hagelte es Kritik – insbesondere für Mitinitiator Djokovic.
Zwei ehemalige Coaches äussern sich
Nicht für alle sind die happigen Vorwürfe aber angebracht. «Dieses Spektakel hatte einen noblen Zweck, ich möchte Novak verteidigen», stellt sich Boris Becker hinter seinen ehemaligen Schützling. Er wolle gewisse Vorfälle nicht rechtfertigen, könne sie aber verstehen. «Ich stimme zu, dass Partys und ein Basketballspiel möglicherweise nicht notwendig waren. Aber im Alter von 30 Jahren ging auch ich gerne aus und hatte Spass mit Freunden», sagt Becker dem serbischen Portal «Sportklub».
Für Niki Pilic, einen anderen ehemaligen Trainer von Djokovic, ist in der Organisation nicht alles fehlerlos abgelaufen. «Mussten es wirklich 4'000 Zuschauer sein? Hätte man viel intensiver testen müssen? Das sind berechtigte Fragen», merkt er gegenüber der Mediengruppe «Münchner Merkur» an. Unter dem Strich ist für ihn aber klar: «Novak hatte nichts Schlechtes im Sinn. Dafür kenne ich ihn zu gut.» Es sei zudem nicht richtig, Djokovic alleine die Schuld in die Schuhe zu schieben: «Novak hat sich an alle Auflagen gehalten und wollte dem Sport ein Stück Normalität zurückgeben.»
Schuldeingeständnis der serbischen Premierministerin
Gleicher Ansicht ist auch die serbische Premierministerin, die gegenüber «Pink TV» Klartext spricht. «Es ist unser Fehler, wir haben die Einschränkungen aufgehoben. Hätten wir das nicht gemacht, hätte es das Turnier nicht gegeben. Deshalb: Lasst jenen Mann in Ruhe, der etwas Gutes und Mutiges tun wollte», stellt sich Ana Brnabic hinter die amtierende Weltnummer 1.
Die guten Intentionen nun vom Sofa aus zu kritisieren, sei einfach. «Novak Djokovic erhält vollste Unterstützung. Er wollte nicht nur für uns in Serbien, sondern für humanitäre Hilfe Gelder einnehmen», betont Brnabic und verzichtet gänzlich auf kritische Worte: «Ob es der richtige Zeitpunkt dafür war, kann man in dieser Epidemie nicht wissen.»
Und Manchester Uniteds Nemanja Matic sieht nicht, was Landsmann Djokovic falsch gemacht haben soll – bis auf dessen Entschuldigung: «Das Turnier war grossartig und ich hoffe, es wird Tradition. Das Einzige, was ich Novak vorhalte, ist, dass er sich entschuldigt hat.» Nicht nur die Verbreitung des Coronavirus scheint sich je nach geografischer Lage zu unterscheiden, sondern auch die Wahrnehmung.