Ski alpin Schweizer in der Abfahrt fast konkurrenzlos

lemi, sda

18.1.2025 - 19:23

Franjo von Allmen (2.) und Marco Odermatt (1.) freuen sich über den nächsten Schweizer Doppelerfolg in der Abfahrt
Franjo von Allmen (2.) und Marco Odermatt (1.) freuen sich über den nächsten Schweizer Doppelerfolg in der Abfahrt
Keystone

Die Serie wird unheimlich: Auch in der vierten Abfahrt des Winters belegen zwei Schweizer die vordersten Plätze. Fahrer und Trainer sprechen über die Gründe der eindrücklichen Speed-Dominanz.

Keystone-SDA, lemi, sda

Um die Fans auf das Rennen einzustimmen, werden in Wengen mitunter Interviews mit ehemaligen Ski-Grössen durchgeführt, die vor Ort sind. Eine davon ist Bruno Kernen. Der 52-Jährige schwelgt in Erinnerungen, erzählt von seinem Sieg in der Lauberhornabfahrt vor 22 Jahren. Und als er am Schluss wie die meisten anderen Interviewgäste gebeten wird, einen Siegestipp für das aktuelle Rennen abzugeben, sagt er: «Die Chancen für einen Schweizer Erfolg stehen gut. Zu meiner Zeit sind wir den Österreichern nachgefahren, heute ist es umgekehrt.»

Nicht nur die Österreicher haben derzeit das Nachsehen, die Schweizer Speedfahrer fahren allen davon. Murisier und Odermatt, Odermatt und Von Allmen, Monney und Von Allmen und nun in Wengen nochmals Odermatt und Von Allmen: Diese Paarungen standen in den vier Abfahrten in dieser Saison jeweils auf den ersten beiden Podiumsplätzen. Die Schweizer Abfahrer haben gemeinsam 1089 Punkte gesammelt, Österreich und Frankreich folgen mit 300 und 295 Punkten auf den Plätzen 2 und 3. Ein riesiger Unterschied.

Der Teamspirit

Die Gründe für den Erfolg sind vielfältig. Marco Odermatt, der den vierten Abfahrtssieg seiner Karriere feierte, den dritten in Wengen, spricht «seinem Vorgänger» Beat Feuz einen grossen Dank aus. «Ich habe von ihm so viel gelernt», sagt der 27-jährige Nidwaldner. «Er hat mir gezeigt, wie es in der Abfahrt funktioniert, wie man in dieser Disziplin besonders schnell sein kann.»

47-mal stand Feuz, der im Januar 2023 vom Spitzensport zurücktrat, im Weltcup auf dem Abfahrtspodest, davon 13-mal zuoberst. Zwar sind Skifahrer per se Einzelkämpfer, auch Feuz musste in erster Linie auf sich selbst schauen. Trotzdem war es ihm wichtig, sein Wissen an die nächste Generation weiterzugeben. Odermatt, der davon profitierte, will dies nun weiterleben. «Auch ich versuche nun, mein Know-how mit den jüngeren Fahrern zu teilen.»

Dabei sind in erster Linie der 23-jährige Franjo von Allmen und der 25-jährige Alexis Monney gemeint, die in dieser Saison ihre ersten Siege im Weltcup feiern konnten. Sie profitieren aber nicht nur von Odermatts Tipps, sondern auch von dessen Resultaten. «Während Fahrer wie Beat Feuz, Carlo Janka oder eben Marco Odermatt die geforderten Ergebnisse lieferten, konnten die Jungen in deren Schatten ohne Druck aufgebaut werden», sagt Justin Murisier.

Die Nachwuchsförderung

Den guten Teamspirit bestätigt auch Speed-Chef Reto Nydegger. «Alle helfen einander, alle profitieren voneinander. Es stimmt im Moment einfach alles.» Allerdings dürfe man nicht vergessen, dass der Aufbau nicht im Weltcup beginne. Der Grundstein für den Erfolg werde mit der guten Nachwuchsförderung gelegt, so Nydegger.

In dieser hat in den letzten Jahren ein Umdenken stattgefunden. Die jungen Athletinnen und Athleten können sich früher auch auf Speed-Disziplinen spezialisieren. Also anders als zum Beispiel bei Justin Murisier, der den «klassischen Weg» über die technischen Rennen zum Speed machte. Der 33-Jährige, der im Dezember in der Abfahrt von Beaver Creek seinen ersten Weltcupsieg feierte, fährt erst seit gut zwei Jahren regelmässig Abfahrten.

Demgegenüber stehen Monney und Von Allmen, die ihre Weltcup-Debüts in der Abfahrt von Val Gardena (Monney) respektive Aspen gaben. Monney fuhr im Dezember in Bormio zweimal aufs Podium, Von Allmen steht nach seinem 2. Platz in der Lauberhornabfahrt nun schon bei fünf Podestplätzen. Das System mit der Frühförderung auch im Speed-Bereich scheint zu funktionieren.

Die (fehlende) Konkurrenz

Neben der guten Arbeit im Nachwuchs und dem von den Erfolgen genährten Teamspirit muss aber auch die derzeit fehlende Konkurrenz genannt werden. Als Odermatt am Mittwoch gefragt wurde, wer den Schweizern in Wengen wohl am gefährlichsten werden könnte, musste er überlegen. Schliesslich nannte er den zweifachen Wengen-Sieger Vincent Kriechmayr sowie die im Training überzeugenden Mattia Casse und Ryan Cochran-Siegle.

Dies sind zwar starke Sportler, ihre Namen strahlen jedoch bei weitem nicht dasselbe Renommee aus wie die der früheren Spitzenabfahrer Aksel Lund Svindal, Matthias Mayer oder Peter Fill. Hinzu kommt: Cochran-Siegle ist bereits 32 Jahre alt, Kriechmayr 33 und Casse 34. Dies entspricht grundsätzlich dem «besten Abfahrtsalter», wird jedoch relativiert, wenn sie von zehn Jahre jüngeren Konkurrenten in den Schatten gestellt werden.

Schliesslich fehlen aktuell mit Aleksander Kilde und Cyprien Sarrazin die zwei stärksten Speed-Konkurrenten der Schweizer aufgrund von Verletzungen. In Wengen stürzte nun auch Kriechmayr schwer. Während sie eine grosse Lücke in ihren Teams hinterlassen, lebt das Schweizer Team auch von der Breite. Wenn Odermatt wie am Freitag im Super-G mal nicht den besten Tag erwischt, springen eben Von Allmen und Rogentin ein. Ein baldiges Ende der erdrückenden Dominanz ist daher nicht abzusehen.