Was haben Alain Rochat, Mathias Seger, Denise Feierabend, Martina Kocher und Matthias Sempach gemeinsam? Sie erklärten alle 2018 ihren Rücktritt vom Spitzensport. Bei blue News blicken sie zurück und erzählen, wie sie sich im Leben nach dem Sport zurecht gefunden haben.
Heute: Skifahrerin Denise Feierabend
Denise Feierabend (32) war von 2008 - 2018 Weltcup-Fahrerin, wurde 2018 Olympiasiegerin im Team-Event, schaffte 13 Top-Ten-Klassierungen im Weltcup und war 2009 Junioren-Weltmeisterin im Slalom.
Heute ist sie Primarlehrerin in Vilters SG.
«Mein Rücktritt erfolgte damals nicht von heute auf morgen, es war ein Prozess. Es fiel mir damals in meiner letzten Saison zusehends schwerer, die Energie aufzubringen, speziell wenn es jeweils Zuhause wieder hiess die Taschen zu packen. Das waren für mich Hinweise darauf, dass ich mir ernsthaft Gedanken machen muss, ob ich noch weitermachen will.
Da ich mich mitten in einer Olympia-Saison befand, konnte ich mich schon noch motivieren, aber mir wurde klar, dass ich meine Zukunft nach der Saison anschauen muss. Ich habe dann auch nicht gleich nach dem Weltcupfinale meinen Rücktritt erklärt, sondern liess mir damit noch etwas Zeit. Bis zur Schweizer Meisterschaft Mitte April war der Entscheid dann in mir gereift, dass es eine gute Idee ist, jetzt abzutreten.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man den Prozess des Rücktritts auf keinen Fall unterschätzen sollte, denn man betritt da einen neuen Lebensabschnitt, auf den man sich nicht wirklich vorbereiten kann. Ich wuchs als Kind mit dem Skisport auf, ich kannte gar nichts anderes und alles war in meinem Leben bis zu diesem Zeitpunkt vollumfänglich auf diesen ausgerichtet. Und dann geht alles plötzlich von Hundert auf Null runter, der ganze Staff, die Trainingskolleginnen und die Sponsorentermine waren alle weg. Da zu sitzen und einen leeren Terminkalender vor mir zu haben, war schon sehr speziell und ich musste zuerst lernen, mit dieser neuen Situation umzugehen.
«Keine Aufgabe zu haben, hat mich richtig kribbelig gemacht»
Nach dem Rücktritt habe ich mich dann eingeschrieben für den Bachelorstudiengang zur Primarlehrerin ab September. Bis zu diesem Zeitpunkt keine Aufgabe zu haben, hat mich richtiggehend kribbelig gemacht und ich wollte mir eigentlich noch einen Übergangsjob suchen. Ich musste mich fast zwingen, jetzt mal locker zu bleiben und diese Zeit einfach mal zu geniessen.
Ich ging dann stattdessen mit meiner Schwester auf Reisen, acht Wochen waren wir unterwegs und das war fantastisch. Eine solch lange Auszeit zu nehmen, war für mich zuvor unvorstellbar. Ich habe es genossen, etwas zu tun, was ich vorher nicht tun konnte und durch diese Distanz habe ich das Skifahren auch nicht gross vermisst.
Eine Idee, was ich nach meiner Sportkarriere machen könnte, hatte ich schon vorzeitig. Ich hatte früher damit geliebäugelt, Kindergärtnerin oder Physiotherapeutin zu werden und absolvierte auch entsprechende Schnuppertage. Als ich dann mit 23 Jahren mit einem Totalschaden am Knie eine schwere Verletzung hatte, befasste ich mich wieder stärker mit dem Thema, denn da fragte ich mich schon: ‹Was machst du wenn das nicht mehr gut kommt?›
Ich habe mich dann professionell beraten lassen und es bestätigte sich, dass meine ursprüngliche Idee in die richtige Richtung ging, allerdings tendierte ich nach den Gesprächen mit der Berufsberatung dann nicht mehr dazu, Kindergärtnerin zu werden, sondern Primarlehrerin. Durch dieses Wissen kehrte bei mir Ruhe ein, ich hatte nun einen Plan B.
Manchmal denke ich noch heute, dass es jetzt schön wäre, am Start eines Skirennens zu stehen, die Piste für mich allein zu haben und Vollgas zu geben. Aber das Training dafür vermisse ich überhaupt nicht, ich bin froh, dass ich den Sommer geniessen kann und nicht mehr ständig auf den Gletscher muss. Auch ist es schön, dass ich nun bei Terminen längerfristig planen kann.
Mit den Ski-Kolleginnen von früher habe ich noch immer Kontakt, zumeist per SMS. Gesehen habe ich sie allerdings nicht mehr oft, dies hat einerseits coronabedingte Gründe, aber auch damit zu tun, dass sie eben auch über die ganze Schweiz verteilt sind. Ich würde schon sagen, dass da Freundschaften fürs Leben entstanden sind, aber nicht nur im Weltcup, sondern auch schon viel früher auf Stufe C- oder B-Kader. Die Skirennen verfolge ich heute natürlich noch immer mit und bibbere dabei auch fleissig mit.
«An meinem ersten Tag als Primarlehrerin war ich sehr angespannt und nervös»
Mein Studium habe ich in diesem Sommer abgeschlossen, im August habe ich dann meine erste eigene Klasse übernehmen dürfen. An meinem ersten Tag als Primarlehrerin war ich sehr angespannt und nervös. Das war zu vergleichen mit einem wichtigen Skirennen, wobei ich dort jeweils darauf vorbereitet war, was auf mich zukommt und am ersten Tag als Lehrerin überhaupt nicht.
Ich stand zwar im Rahmen meiner Ausbildung immer wieder vor Schulklassen, aber dann erstmals eine eigene Klasse zu übernehmen, ist nochmals etwas ganz anderes. Ich bin sehr glücklich in meinem neuen Leben und mega zufrieden mit meiner Berufswahl. Die leuchtenden Kinderaugen kommen und gehen zu sehen, ist einmalig. Da verzeiht man den Kindern auch, wenn sie gelegentlich Blödsinn machen.
Aus meiner Zeit als Skifahrerin habe ich viel gelernt für mein Leben danach. So war ich mir Selbständigkeit und mich selbst organisieren zu müssen, früh gewohnt. Und der sportliche Ehrgeiz führt auch dazu, dass man ein Ziel, das man im Leben erreichen möchte, stets konsequent verfolgt. Wenn man etwas gerne tut, dann zeigt man dabei auch Ausdauer.
Der Sport ist immer noch ein wichtiger und grosser Teil in meinem Leben, ohne Sport kann ich nicht leben. Allerdings bin ich polysportiver unterwegs als früher, im Winter beispielsweise mit Langlaufen oder Skifahren, im Sommer mit Wandern oder Biken.»