Fragen und Antworten Was bedeuten die harten Sanktionen für den FC Chelsea?

Von Jan Arnet

11.3.2022

Schwere Tage für den FC Chelsea mit Shootingstar Kai Havertz.
Schwere Tage für den FC Chelsea mit Shootingstar Kai Havertz.
Getty

Chelsea-Besitzer Roman Abramowitsch wird von der britischen Regierung hart sanktioniert. Das hat auch für den Londoner Fussballklub schwerwiegende Folgen. Wie geht es jetzt weiter mit dem amtierenden Champions-League-Sieger? Die Antworten auf die brennendsten Fragen.

Von Jan Arnet

Was wurde genau entschieden?

Die britische Regierung hat am Donnerstag bekannt gegeben, dass alle Vermögenswerte von Roman Abramowitsch eingefroren werden. Der russische Oligarch, dem eine Nähe zu Wladimir Putin nachgesagt wird, darf keine Geschäfte mit britischen Privatpersonen und Unternehmen machen und wurde ausserdem mit einem Reise- und Transportverbot belegt.

Grossbritannien reagiert damit auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. «Es darf keine sicheren Häfen geben für die, die Putins bösartigen Angriff auf die Ukraine unterstützt haben», sagte Premierminister Boris Johnson. Abramowitsch bestreitet indes eine Nähe zu Kreml-Chef Putin. Die Kontrolle über den FC Chelsea hat der Milliardär aber vorerst verloren.

Wie hart trifft es den Klub?

Chelsea darf ab sofort keine Spielertransfers mehr tätigen, muss sämtliche Fanshops schliessen und darf keine Eintrittskarten für zukünftige Spiele mehr verkaufen. Nur noch Dauerkarteninhaber und Fans, die ihre Tickets vorab gekauft haben, dürfen noch Heimspiele besuchen. Als Wirtschaftsunternehmen sind die Londoner also praktisch handlungsunfähig.

Die Chelsea-Fanshops müssen schliessen.
Die Chelsea-Fanshops müssen schliessen.
Keystone

Ausserdem ist der Hauptsponsor offenbar schon abgesprungen. Das Mobilfunkunternehmen «Three» hat darum gebeten, den Vertrag bis auf Weiteres auszusetzen und das Firmenlogo von den Trikots und von den Werbebanden an der Stamford Bridge zu entfernen. Britischen Medien zufolge liess sich «Three» die Werbung pro Saison 40 Millionen Pfund (umgerechnet 49 Millionen Franken) kosten.

Und jetzt soll auch Trikotausrüster Nike, der 2016 einen 15-Jahres-Vertrag über 900 Millionen Pfund mit Chelsea abgeschlossen hat, einen Ausstieg in Erwägung ziehen. Sollte es tatsächlich soweit kommen, würden dem Verein mehr als 650 Millionen Franken entgehen. Aktuelle Geschäftspartner des Klubs fragen sich, ob ihnen ein Engagement bei Chelsea noch nutzt – oder eher dem eigenen Ansehen schadet.

Warum ist Chelsea direkt betroffen?

Abramowitsch ist seit 2003 Besitzer des Londoner Fussballklubs, butterte in all den Jahren Millionen in den Verein und machte ihn zu einem der weltweit erfolgreichsten Fussballklubs seit der Jahrtausendwende. Weil der FC Chelsea zum Vermögen des Oligarchen gehört, trifft es auch den Klub hart.

«Fussballbezogene Aktivitäten» sind den Londonern dank einer Sondergenehmigung weiterhin gestattet. Weil Chelsea nicht einfach nur das Privateigentum des Rohstoff-Milliardärs Abramowitsch ist, sondern eine bedeutsame Institution im englischen Fussball. Damit ist der Spielbetrieb weiterhin gewährleistet und die Blues dürfen weiter auch an nationalen Wettbewerben teilnehmen.

Chelsea-Boss Roman Abramowitsch wurde von der britischen Regierung hart sanktioniert.
Chelsea-Boss Roman Abramowitsch wurde von der britischen Regierung hart sanktioniert.
Keystone

Spielerverträge dürfen zwar vorerst keine neuen abgeschlossen werden. Spieler, Trainer und alle anderen Angestellten des Klubs dürfen aber weiter bezahlt werden. Die Kosten pro Heimspiel dürfen maximal 500'000 Pfund betragen, Reisekosten bei Auswärtsspielen sind bis maximal 20'000 Pfund pro Spiel erlaubt.

Muss die Millionentruppe aus London künftig sogar mit dem Zug zu den Auswärtsspielen im Europacup anreisen? «Die Euro-Stars fahren Eurostar», spottete die englische Zeitung «Sun» jedenfalls mit Blick aufs bevorstehende Achtelfinal-Rückspiel bei Lille am nächsten Mittwoch.

Wie reagiert Chelsea auf die Sanktionen?

«Wir beabsichtigen, Gespräche mit der britischen Regierung über den Umfang der Lizenz zu führen», teilte der Klub noch am Donnerstag mit. «Dazu gehört auch, dass wir eine Änderung der Lizenz beantragen werden, damit der Klub so normal wie möglich arbeiten kann.»

Nur wenige Stunden nach der Hiobsbotschaft für den Verein trat Chelsea am Donnerstagabend in der Premier League bei Schlusslicht Norwich an und feierte einen 3:1-Auswärtssieg. Trainer Thomas Tuchel sagte nach dem Spiel: «An so einem Tag würdest du normalerweise über die Champions-League-Spiele reden, aber das hat niemand. Es ging um die Auswirkungen. Das war das Thema der Gespräche innerhalb der Mannschaft. Das sind grosse Nachrichten mit einem Rieseneffekt.»

Was passiert mit den Spielern?

Chelsea darf aktuell weder Spieler kaufen noch verkaufen. Und auch Vertragsverlängerungen sind nicht erlaubt. Mit Captain César Azpilicueta, Antonio Rüdiger und Andreas Christensen stehen drei potenzielle Stammspieler im Kader der Londoner, welche auslaufende Verträge haben. Stand jetzt werden sie den Klub im Sommer verlassen müssen, selbst wenn sie gerne verlängern würden.

Wie lange die Sanktionen anhalten werden, ist noch unklar. Die Sondergenehmigung der Regierung gilt bis Ende Mai und könnte danach verlängert werden. Sollten sich die Bedingungen nicht verändern, dürfte Chelsea im kommenden Sommer-Transferfenster keine Verpflichtungen tätigen und keine Spieler verkaufen. 

Wie geht es jetzt weiter?

Letzte Woche hat Abramowitsch den FC Chelsea zum Verkauf ausgeschrieben. Offensichtlich wollte er damit verhindern, dass der Verein bei Sanktionen gegen seine Person mit bestraft wird.

Dass die Blues bald einen neuen Besitzer haben, ist trotz der Sanktionen und dem Verkaufsverbot für Abramowitsch nicht unmöglich. Voraussetzung wäre, dass der Russe aus dem Verkauf keinen Gewinn erzielt. Wie unter anderem «BBC» berichtet, könnte der britische Staat als Verkäufer einspringen und auch den Kaufpreis kassieren, beziehungsweise an wohltätige Zwecke spenden.

Weil die Besitztümer des Milliardärs nicht beschlagnahmt, sondern lediglich eingefroren wurden, müsste Abramowitsch diesem Vorgehen aber zustimmen. Ein nicht unrealistisches Szenario, zumal der Oligarch bereits angekündigt hatte, die Einnahmen aus dem Verkauf an eine Stiftung für Opfer des Krieges in der Ukraine spenden zu wollen. Wenn ihm das Wohl des Klubs wirklich am Herzen liegt, bleibt ihm wohl ohnehin keine andere Wahl.

Abramowitsch würde also «nicht einen Penny» bekommen, wie eine Regierungsquelle der «Times» sagte. Oder wie es die «Daily Mail» formulierte: «Abramowitsch hat zwei Möglichkeiten: Er kann den Bedingungen der Regierung zustimmen und den Klub umsonst abgeben oder Chelsea langsam verrotten lassen.»

Wer könnte Chelsea kaufen?

Der in den USA lebende Berner Milliardär Hansjörg Wyss sagte vor einer Woche dem «Blick», dass ihm der FC Chelsea von Roman Abramowitsch angeboten wurde. Er könne sich «den Einstieg bei Chelsea gut vorstellen», der Russe fordere aber «derzeit viel zu viel». Nach den ausgesprochenen Sanktionen könnte die Ausgangslage eine andere sein.

Dem «Telegraph» zufolge sollen Wyss und sein amerikanischer Geschäftspartner Todd Boehly, der auch Miteigentümer des Baseballteams LA Dodgers ist, «zuversichtlich» sein, was den Kauf angeht. Gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsmann sollen sie ein Angebot über bis zu 2,5 Milliarden Pfund eingereicht haben.

Wyss und Boehly werden aber wohl nicht die Einzigen bleiben, die sich für Chelsea interessieren. Auch der US-Amerikaner Woody Johnson, Besitzer des Football-Klubs New York Jets, und der Türke Muhsin Bayrak werden als Interessenten gehandelt.

Britische Medien halten es für «wahrscheinlich», dass Abramowitsch dem Verkauf seines geliebten Fussballvereins durch die britische Regierung zustimmt und keinen Penny dafür kassiert – obwohl er den FC Chelsea vor einer Woche noch für 3 Milliarden Pfund verkaufen wollte.