Experten fassungslos «Tuchels Entlassung ist verrückt und lächerlich»

DPA/jar

7.9.2022

Thomas Tuchel ist nicht mehr Chelsea-Trainer.
Thomas Tuchel ist nicht mehr Chelsea-Trainer.
Getty

Nach anderthalb Jahren und einigen Erfolgen ist für Thomas Tuchel Schluss beim FC Chelsea. Grund dafür ist angeblich nicht der durchwachsene Saisonstart, sondern ein angespanntes Verhältnis zu den neuen Chelsea-Inhabern und den Spielern.

DPA/jar

Nach nur 100 Tagen haben die neuen Chelsea-Eigentümer das Vertrauen in Thomas Tuchel verloren. Eiskalt setzten die neuen Klub-Besitzer um US-Milliardär Todd Boehly den deutschen Trainer am Morgen nach dem verpatzten Champions-League-Start vor die Tür. Mit 0:1 verlor Chelsea am Dienstag bei Dinamo Zagreb.

Dinamo Zagreb – Chelsea 1:0

Dinamo Zagreb – Chelsea 1:0

UEFA Champions League, Gruppe E, Matchday 1

06.09.2022

Vorausgegangen war ein durchwachsener Saisonstart. In der Premier League hatten die Blues nur drei von sechs Spielen gewonnen. Doch angeblich ist der überraschende Rauswurf keine Reaktion auf die zuletzt schwachen Leistungen. Laut britischen Medien hatten die neuen Chelsea-Inhaber schon länger mit dem Schritt geliebäugelt. Gemäss dem «Telegraph» habe es hinter den Kulissen seit einiger Zeit Spannungen gegeben. Das Verhältnis zwischen den Inhabern und Tuchel sei abgekühlt.

Trainerwechsel nach Transferoffensive

Zuletzt sei auch Tuchels Beziehung zu einigen Spielern angespannt gewesen, heisst es. Einer allerdings war gerade erst wegen Tuchel nach London gewechselt. Pierre-Emerick Aubameyang, der schon bei Borussia Dortmund erfolgreich mit dem Coach zusammengearbeitet hatte, war vom FC Barcelona gekommen. Der Stürmer kam in Zagreb zu seinem ersten Chelsea-Einsatz, der zugleich sein letzter unter Tuchel war.

Aubameyang war Teil einer umfangreichen Transferoffensive der Blues im Sommer. Der Klub, der zuvor die glücklosen Stürmer Timo Werner und Romelu Lukaku verabschiedet hatte, hatte sich auf mehreren Positionen für insgesamt rund 300 Millionen Euro verstärkt. Unter anderem lotsten die Blues Raheem Sterling, Kalidou Koulibaly, Marc Cucurella, Denis Zakaria und Wesley Fofana an die Stamford Bridge. Kein Verein hat in dieser Transferperiode mehr Geld ausgegeben als die Blues.

Tuchels Vertrag galt noch bis zum Sommer 2024. Bei den Chelsea-Fans ist der Deutsche beliebt. In anderthalb Jahren in London gewann er die Champions League, den Supercup und die Klub-Weltmeisterschaft. Zudem führte er die Blues zweimal ins FA-Cup-Finale.

Englands Fussball-Ikonen können es nicht verstehen

Viel Lob erntete Tuchel dafür, dass er dem Verein in der schwierigen Phase die Treue hielt. Als der Ex-Inhaber, der russische Milliardär Roman Abramowitsch, wegen seiner angeblichen Nähe zu Russlands Präsident Wladimir Putin mit Sanktionen belegt wurde und Chelsea keine Spieler verpflichten durfte, schloss Tuchel einen vorzeitigen Abschied aus. Schliesslich übernahm Boehlys Konsortium den Verein.

«Es hat nicht lange gedauert, bis der neue Inhaber der Politik seines Vorgängers folgt und seinen Trainer in der ersten Formkrise entlässt», kommentiert Fussball-Ikone Gary Lineker. Schon unter Abramowitsch war Chelsea bei Entlassungen nicht zimperlich. José Mourinho musste nach zwei Meistertiteln gehen, in seiner zweiten Amtszeit nach dem Gewinn von FA Cup und Ligapokal. Carlo Ancelotti hatte vor seiner Beurlaubung die Meisterschaft und den FA Cup mit den Londonern geholt, Roberto Di Matteo die Champions League.

«Der Schatten von Roman Abramovichs «hire and fire»-Politik liegt nach dieser brutalen Entscheidung immer noch über dem Verein», schreibt auch Jamie Carragher in seiner Kolumne für den «Telegraph». «Es ist lächerlich, einen Trainer nach sieben Spielen einer Saison zu entlassen. Einen Manager von Thomas Tuchels Klasse zu entlassen, ist verrückt.»

Und Michael Owen twittert: «Ich bin etwas überrascht, dass Chelsea so früh in der Saison Tuchel den Stecker zieht. Ich dachte, er würde etwas mehr Zeit bekommen, da er vor nicht allzu langer Zeit die Champions League gewonnen hat. Allerdings haben sie in der Vergangenheit immer wieder erfolgreiche, hochkarätige Manager entlassen.»

Potter in der Pole Position auf die Nachfolge

Als Topkandidat auf Tuchels Nachfolge gilt Graham Potter. Der Trainer von Brighton & Hove Albion wurde noch am Mittwoch zu Gesprächen in London erwartet, nachdem sein Arbeitgeber dafür Grünes Licht gegeben hatte. Weitere Kandidaten sind die vereinslosen Trainerstars Mauricio Pochettino (ehemals Tottenham Hotspur, Paris Saint-Germain) und Zinédine Zidane (Real Madrid).