Premier League Der Fall Abramowitsch: Woher hat Chelsea das mysteriöse Geld?

tbz

18.10.2019

Verdiente sein Geld auf seltsame Art und Weise: Roman Abramowitsch, Besitzer des FC Chelsea (Mitte).
Verdiente sein Geld auf seltsame Art und Weise: Roman Abramowitsch, Besitzer des FC Chelsea (Mitte).
Bild: Getty

In den 98 Jahren vor der Übernahme durch Roman Abramowitsch im Jahr 2003 gewann der FC Chelsea insgesamt elf Titel. Mittlerweile sind es 28. Aber wer ist dieser mysteriöse Russe eigentlich?

Das Wirtschaftsmagazin «Forbes» listet Roman Abramowitsch mit einem Vermögen von 11,9 Milliarden US-Dollar auf dem 107. Platz der reichsten Personen der Welt. Bemerkenswerter als sein Kontostand ist aber der rätselhafte Aufstieg des 52-jährigen Russen, der bereits als Kind Mutter und Vater verlor.

Berichte über seine ersten grossen Geschäfte widersprechen sich stark und sowohl die Ukhta Universität als auch das Moskauer Gubkin-Institut, an denen er als junger Erwachsener angeblich studiert haben soll, bestreiten, dass Abramowitsch jemals bei ihnen eingeschrieben war.

Klar scheint, dass der 1966 in Saratow geborene Abramowitsch auf unglaubliche Art und Weise vom Zerfall der Sowjetunion und der damit zusammenhängenden Etablierung der Marktwirtschaft profitierte. So gelang ihm zusammen mit seinem Geschäftspartner Boris Beresowski, einem engen Vertrauten des damaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin, während der Coupon-Privatisierung Mitte der 90er-Jahre die Übernahme des staatlichen Sibneft-Konzerns, heute bekannt unter dem Namen «Gazprom».

Boris Beresowski half Abramowitsch dabei, sich bei der Regierung «Gehör zu verschaffen».
Boris Beresowski half Abramowitsch dabei, sich bei der Regierung «Gehör zu verschaffen».
Bild: Keystone

Wie diese Übernahme im Wert von 100 Millionen Dollar für den damals 30-Jährigen finanziell möglich war, erschliesst sich nicht.

«Niemand kann legal in Russland in so kurzer Zeit so reich geworden sein»

Unter Präsident Wladimir Putin fiel Beresowski in Ungnade und flüchtete im Jahr 2000 ins Exil nach Grossbritannien. Abramowitsch zerstritt sich mit seinem ehemaligen Geschäftspartner und kaufte ihm seine Anteile am Unternehmen ab. Vor Gericht argumentierte Beresowski später, von Abramowitsch erpresst und unter Drohungen zum Verkauf gezwungen worden zu sein.

«Niemand kann legal in Russland in so kurzer Zeit so reich geworden sein», verteidigte Wladimir Putin damals seine harte Linie gegenüber neurreichen Oligarchen. In Person war Michail Chodorkowski gemeint, der sein Geld bemerkenswerterweise in genau derselben Zeitspanne wie Abramowitsch und Beresowski verdient hatte. Chodorkowski wurde 2003 verhaftet und wegen Unterschlagung und Steuerhinterziehung verurteilt. 

Aber Abramowitsch antizipierte richtig und entkam der Strafverfolgung.  Als er merkte, dass ihm auch bald Ermittlungen drohen könnten, verkaufte er seine Anteile an Sibneft im Jahr 2005 für 13,1 Milliarden Dollar zurück an den Staat. Seither heisst das Unternehmen «Gazprom».

In nicht einmal zehn Jahren hatte er aus 100 Millionen, von denen niemand genau weiss, woher sie stammen, 13 Milliarden gemacht.

Dubiose Geschäfte

In einem langwierigen Gerichtsprozess zwischen Beresowski und Abramowitsch, der 2012 in London zu Ende ging, kam ans Licht, dass Abramowitsch seine Geschäfte in den 90er-Jahren «beschützen» liess. 

Es seien damals gefährliche Zeiten für Unternehmer gewesen, soll Abramowitsch während des Verfahrens gesagt haben. Menschen seien «alle drei Tage» ermordet worden. Deshalb engagierte er neben Beresowski auch den zwielichtigen Arkadi Patarkazischwili, dem Beziehungen zu tschetschenischen Gangstern nachgesagt wurden.

Beresowski habe er gebraucht, um sich bei der Regierung «Gehör zu verschaffen» und Patarkazischwili, der – nur so nebenbei – vom Schweizer Bundesamt für Polizeiwesen als «kriminelle Autorität» eingestuft wurde, für «Dinge, wie Schulden einzutreiben».

Arkadi Patarkazischwili half Abramowitsch, seine Geschäfte zu «beschützen».
Arkadi Patarkazischwili half Abramowitsch, seine Geschäfte zu «beschützen».
Bild: Keystone

Nachdem die beiden «Beschützer» Jahr für Jahr mehr Geld von Abramowitsch verlangten, kam es 2001 zum Streit zwischen den drei mächtigen Russen. Der Gewinner? Abramowitsch.

Er überlebte alles: Strafverfolgungen, der Fall Jelzins, die Machtübernahme von Putin, der Streit mit Beresowski und Patarkazischwili – nichts konnte den heute 52-Jährigen aufhalten. 

Patarkazischwili starb am 12. Februar 2008 in seiner Wohnung in England. Sein Tod wurde von der britischen Polizei als «verdächtig» eingestuft. Beresowski starb im März 2013, wenige Monate nachdem er das Gerichtsverfahren gegen Abramowitsch verloren hatte.

Im Jahr 2000 wurde Abramowitsch zum Gouverneur der russischen Region Tschukotka ernannt und geniesst seither strafrechtliche Immunität.

Englische Polizisten sperren nach dem Tod Beresowskis Teile eines Parks in der Nähe seines Hauses. Es konnte nie zweifelsfrei festgestellt werden, ob es sich um Selbstmord oder um einen Tötungsdelikt handelte.
Englische Polizisten sperren nach dem Tod Beresowskis Teile eines Parks in der Nähe seines Hauses. Es konnte nie zweifelsfrei festgestellt werden, ob es sich um Selbstmord oder um einen Tötungsdelikt handelte.
Bild: Keystone

Nutzniesser Chelsea

Seit 2003 ist Roman Abramowitsch Besitzer des FC Chelsea. In den letzten 16 Jahren investierte der russische Oligarch hunderte von Millionen Pfund in den Verein aus England und verhalf den «Blues» dabei zu 17 Titeln, darunter fünf englische Meisterschaften und der Gewinn der Champions League im Jahr 2012.

Objektive Schlussfolgerungen sollen an dieser Stelle keine gezogen werden. Eine sehr subjektive Meinung, obwohl nicht zwangsläufig wahrheitsgetreu und zugegebenermassen äusserst direkt, lieferte derweil der britische Komiker Alan Davies im Jahr 2015.

Der britische Komiker Alan Davies über Roman Abramowitsch und den FC Chelsea.
Der britische Komiker Alan Davies über Roman Abramowitsch und den FC Chelsea.
Bild: Sportbible

Sein Fazit: Das ist viel mehr als ein be********** Klub ohne Vergangenheit, das ist ein Schandfleck für den Fussball, für London, für die Menschlichkeit.

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