Nati-Star Noelle Maritz «Wir haben einfach ganz klar zu wenig gezeigt in der Kampagne»

Von Patrick Lämmle, aus Parma

5.12.2023

Noelle Maritz an der Pressekonferenz am Tag vor dem Spiel gegen Italien.
Noelle Maritz an der Pressekonferenz am Tag vor dem Spiel gegen Italien.
Bild: Imago/Daniela Porcelli

Die 112-fache Nationalspielerin Noelle Maritz spricht vor dem Nations-League-Duell gegen Italien über das Gefühlschaos am letzten Freitag, die Entwicklung des Schweizer Fussballs und über die Bedeutung des letzten Länderspiels des Jahres.

Von Patrick Lämmle, aus Parma

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  • Auch wenn das letzte Nations-League-Spiel gegen Italien nicht das erhoffte Finale im Kampf gegen den Abstieg wird, hofft Nati-Urgestein Noelle Maritz auf einen versöhnlichen Jahresabschluss.
  • Mit dem Gedanken, dass man dem Abstieg auch etwas Positives abgewinnen kann, will sich Maritz nicht anfreunden.
  • An der Pressekonferenz spricht die 112-fache Nationalspielerin auch über die Entwicklung des Schweizer Frauenfussballs.

Die Freude nach dem 1:0-Sieg über Schweden, noch immer die Weltnummer 1 im Frauenfussball, war gross am letzten Freitag. Viele Spielerinnen blickten in den Interviews nach Spielschluss bereits vorfreudig auf das «Finale» im Kampf gegen den Abstieg gegen Italien.

Doch zu einem solchen kommt es am Dienstag in Parma (19 Uhr) nicht. Denn die Italienerinnen haben auswärts bei Weltmeister Spanien einen nicht erwarteten 3:2-Sieg eingefahren und damit den Abstieg der Schweiz in die Liga B der Nations League besiegelt. «Als wir gesehen haben, dass Italien gegen Spanien gewonnen hat, waren wir natürlich enttäuscht», blickt Maritz zurück. «Wir wollten auch hierhin reisen, um die Gruppe zu halten.»

Weil die Partie in Spanien anderthalb Stunden später angepfiffen wurde als jene in Luzern, wussten die Spanierinnen spätestens in der Halbzeitpause, dass sie den Gruppensieg auf sicher haben. Und prompt schlichen sich bei den Weltmeisterinnen nach dem Pausentee viele ungewohnte Fehler ein und so war die 1:0-Führung schnell verspielt.

Maritz möchte dies aber ganz sicher nicht als Ausrede für den Abstieg gelten lassen: «Klar kann man sagen, die Anstosszeiten hätten gleichzeitig sein können, damit man nicht auf das Resultat vom anderen Spielen schauen kann. Das hätte man vielleicht besser regeln können.» Das Problem sei aber ein anderes: «Wir haben einfach ganz klar zu wenig gezeigt in der ganzen Kampagne. Ich glaube, gerade im Hinspiel gegen Italien (0:1-Niederlage; A.d.Red.) wäre mehr drin gewesen.»

Ist der Abstieg auch eine Chance für die Schweiz?

Die Bedeutung des Spiels ist aus sportlicher Sicht nicht mehr allzu gross, wobei sich Maritz durchaus kämpferisch gibt: «Klar gehen wir in das Spiel rein und wollen es auf jeden Fall gewinnen. Wir wollen noch einen guten Abschluss in der Nations League absolvieren. Wir haben gegen Schweden ein gutes Spiel gemacht und wollen da anknüpfen.» Es gehe auch darum, ein eher bescheidenes Jahr mit bislang nur zwei Siegen aus 15 Spielen positiv abzuschliessen «und ein gutes Gefühl mitzunehmen».

Vor zwei Jahren hat die Schweiz in der WM-Quali auswärts in Italien 2:1 gewonnen. Motiviert dieser Gedanke zusätzlich? «Ja, ich glaube, gegen Italien waren es immer enge Spiele, immer heisse Duelle. Und klar, wir schauen auf dieses Spiel zurück, weil es zeigt, dass es auf jeden Fall möglich ist, Italien auswärts zu schlagen. Und ja, das ist auch unsere Motivation.»

Mit dem Gedankenspiel, dass der Abstieg auch eine positive Seite haben könnte, weil die Schweiz so in der nächsten Nations-League-Kampagne vermehrt als Favorit antritt, kann Maritz dagegen wenig anfangen: «Man will sich immer mit den Besten messen. In dieser Gruppe waren auch sehr attraktive Gegner, die viele Zuschauer bei unseren Heimspielen generiert haben.» Auch deshalb sei es schade, dass es mit dem Ligaerhalt nicht geklappt habe. Der Wiederaufstieg sei ganz klar das Ziel.

Wie ist das Niveau in der Schweiz verglichen mit Italien?

Ein italienischer Journalist will von Maritz wissen, wo die Schweiz im Vergleich mit Italien ihrer Meinung nach in der Entwicklung des Frauenfussballs stehe. «Ich denke, dass die italienische Liga gerade sehr viel investiert», was man auch international sehe. Mit der AS Roma, dem Klub von Nati-Kollegin Eseosa Aigbogun, hat sich etwa ein italienisches Team für die Champions League qualifiziert und führt dort nach zwei Spieltagen die Tabelle vor Bayern München, Ajax Amsterdam und Paris Saint-Germain, dem Klub von Viola Calligaris und Ramona Bachmann, an. Der FCZ und Servette sind dagegen in der Quali gescheitert.

«Ich denke, dass der Schweizer Klubfussball ein paar Schritte zurück ist», meint denn auch Maritz, der es nicht schnell genug vorangeht: «Man sieht, dass die Entwicklung sehr, sehr langsam vorangeht.» Für das Niveau in der Nationalmannschaft ist das letztlich aber nicht ganz so entscheidend, was sich ja auch bei den Männern zeige.

Auch dort gehört die heimische Super League nicht zu den Top-Ligen und trotzdem ist die Schweizer Männer-Nati seit Jahren Dauergast bei Grossanlässen. Und so malt Maritz deswegen auch nicht schwarz: «Wir haben viele Schweizerinnen, die in den höchsten Ligen des Frauenfussballs spielen. Das sorgt natürlich für ein sehr gutes Niveau in unserem Nationalteam.»

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