Gareth Bale zieht nach 17 Jahren einen Schlussstrich. Der Waliser hat zwar nicht alle Herzen der Fussball-Fans erobern können, darf aber auf eine beeindruckende Karriere zurückblicken.
Das erste Ende für Gareth Bale bei Real Madrid zog sich hin wie ein Kaugummi. Doch bis sein Trainer Zinédine Zidane – «je schneller er geht, desto besser» – ihn loswurde, dauerte es noch über ein Jahr. Es war traurig mitanzusehen, wie der einst als Heilsbringer gepriesene Bale bei den Königlichen vom Hof gejagt wurde. Dabei begann alles so verheissungsvoll.
Seine Laufbahn startete in Southampton, ehe er 2007 zu Tottenham wechselte. Bei den Spurs sorgte der Waliser nach Startschwierigkeiten mit seinen Tempoläufen im linken Couloir für Furore. Spätestens nach seinem beiden Champions-League-Auftritten gegen Inter – im Hinspiel drei Tore, im Rückspiel zwei Assists – war klar: Hier ist ein neuer Stern am Fussball-Himmel. Wie der technisch beschlagene Linksfüsser seinen renommierten Gegenspieler Maicon fast im Minutentakt zum Verzweifeln brachte, blieb im Gedächtnis haften.
Nach sechs Jahren an der White Hart Lane wurde die Bühne zu klein für Bale. Als Real Madrid 2013 anklopfte, war er nicht mehr zu halten. Mit 100 Millionen Euro Ablösesumme machten ihn Los Blancos zum teuersten Fussballer der Welt.
Mission mehr als erfüllt
Bale sollte dem spanischen Rekordmeister wieder neues Leben einhauchen. Der Ruhm der Königlichen in Europa war am Erblassen – seit 2002 triumphierten sie nicht mehr in der Champions League.
Das Vorhaben gelang: Mit Bale holten sie in den folgenden sechs Spielzeiten viermal (!) den Henkelpott. Mit vielen Assists und Toren, oft auch in wichtigen Spielen, war Bale entscheidend an der Ära beteiligt.
Er skorte in zwei verschiedenen Champions-League-Finals: 2014 brachte Bale Real gegen Atlético Madrid mit dem 2:1-Treffer in der Verlängerung auf die Siegerstrasse, 2018 schoss er als Einwechselspieler Liverpool mit zwei Toren ab – darunter sein unvergessener Fallrückzieher. 2014 schoss er sein Team in der Copa del Rey gegen Erzrivale Barcelona mit einem unfassbaren Solo zum Sieg.
Nicht nur die Champions-League-Trophäe durfte Bale in die Luft stemmen (2022 kam noch sein fünfter Erfolg dazu), auch Meisterschaft (3), Pokal (1), Klub-Weltmeisterschaft (4), Uefa-Supercup (3) und den spanischen Super Cup gewann er.
Mit seinem prall gefüllten Trophäenschrank überstrahlt Bale viele Real-Ikonen. Deren Bilanz in der Königsklasse fällt beispielsweise «magerer» aus: Raul hat dreimal triumphiert, sein aktueller Chef Zidane einmal, ebenso wie Luis Figo. Die brasilianische Fussballlegende Ronaldo blieb ein Champions-League-Erfolg gar versagt. Apropos: Ronaldo blieb in der Liga beim weissen Ballett einst 215 Tage ohne Torerfolg.
Eine solche Torflaute kannte ein Gareth Bale in seinen ersten sieben Jahren nie: In 231 Spielen buchte er 102 Tore und gab 65 Vorlagen – eine beeindruckende Bilanz. Seine Trefferquote (163 Minuten pro Tor) übertraf etwa diejenige von Vereinslegende Raul (325 Tore in 741 Spielen; 184 Minuten). Noch eindrücklicher sind seine Zahlen im Vergleich zu Zidane –Bale absolvierte vier Spiele mehr für den Verein als der Franzose und erzielte mehr als doppelt so viele Tore als der offensive Mittelfeldspieler (Zidane buchte 49 Tore in 227 Spielen). Auch die Assistzahlen sind überraschend ähnlich – Zidane hatte mit 66 Vorlagen nur eine mehr auf dem Konto.
Madrid wird zum Missverständnis
Warum der Waliser für viele Real-Fans mit der Zeit zum Sündenbock wurde, ist rational schwierig zu erklären. Denn eigentlich sollte der Flügelflitzer vielmehr ein Symbol für die grösste Epoche in der stolzen Geschichte der Königlichen stehen.
Immer wieder wurde ihm der Vergleich zu Cristiano Ronaldo zum Verhängnis: Zuerst stellte der Portugiese vereinsintern überall Rekordwerte auf, neben denen – mit Ausnahme von Messi – auch jeder andere Fussballer verblasste. Und nach dem Abgang von CR7 zu Juve sollte Bale dessen Lücke füllen, was ihm – auch aufgrund seiner zunehmenden Verletzungsanfälligkeit – nicht gelang.
Die spanische Presse half sicher auch dabei, sein Image als «fauler Spieler» zu fördern. Tatsächlich spricht der scheue Familienvater nur sehr gebrochen Spanisch und galt auch im Team im Laufe der Jahre dadurch als schwer integrierbar. Auch Zidane, einst ein grosser Bewunderer von Bale, verlor zunehmend das Vertrauen in ihn.
In der Nationalmannschaft zeigte Bale stets seine Klasse – die Drachen führte er als Captain zu zwei EM-Teilnahmen sowie an eine WM. Im Wales-Trikot, umgeben von Freunden, spielte Bale mit einer Lockerheit, die ihm in den letzten Jahren seiner Klub-Karriere abhanden ging.
Die öffentlich geführte Diskussion um seine Person irritierten den sensiblen Mann wohl mehr, als er zugab. In einem Podcast sprach er über das Gefühl, von 80'000 Heim-Zuschauern ausgepfiffen zu werden. «Ich verstehe denn Sinn darin nicht», resümierte Bale.
Als eine Trennung absehbar war, fiel Bale mit seinem Verhalten im Klub und den Fans noch mehr in Ungnade: «Wenn ich gehen soll, schulden sie mir für jedes ausstehende Vertragsjahr mein Gehalt von 17 Millionen Euro, ansonsten bleibe ich. Und wenn ich nicht zum Einsatz komme, spiele ich halt Golf», hielt er trotzig fest.
Mit solchen Aussagen kränkte Bale nicht nur die Real-Seelen, sondern galt als Symbol für die Geldgeilheit der heutigen Fussball-Generation. Sein Hobby Golf passte ins Bild der Kritiker. Bale kehrte den Spiess um und feierte im Nationalteam mit einem Banner mit der Aufschrift: «Wales. Golf. Madrid.» Der britische Humor kam in der spanischen Hauptstadt als arrogante Provokation rüber – eine Trennung war unvermeidlich.
Nach einem kurzen Comeback auf Leihbasis in Tottenham musste er nochmals in Madrid eine Saison anhängen, seine sportliche Bedeutung war dabei nur noch marginal (sieben Pflichtspieleinsätze). Im Sommer 2022 wechselte Bale schliesslich zu Los Angeles.
Versöhnliche Worte zum Abschluss
Das MLS-Abenteuer beendete der mittlerweile 33-Jährige am Montag überraschend vorzeitig: «Nach vorsichtiger und sorgfältiger Überlegung gebe ich hiermit meinen Rückzug vom Vereinsfussball und vom internationalen Fussball bekannt», schrieb Bale in einem Statement.
Die Rücktrittsankündigung passt ins Bild des Offensivspielers, der auf und neben dem Feld für Aussenstehende schwierig zu fassen war. Und wohl darum bei vielen Fussball-Fans nie die Anerkennung erhielt, die er verdient hätte.
Sein ehemaliger Arbeitgeber Real Madrid wählte dafür die richtigen Worte: «Gareth Bale war Teil unserer Mannschaft in einer der erfolgreichsten Phasen unserer Geschichte und steht für immer für viele der brillantesten Momente des letzten Jahrzehnts. Bale wird immer mit der Geschichte und der Legende Reals verbunden sein.»
In Wales ist Bale nicht nur der Rekordnationalspieler und der Rekordtorschütze der Nationalmannschaft (111 Partien und 40 Tore), «sondern gilt aufgrund seiner Leistungen für Verein und Land in seiner glanzvollen Karriere auch als der grösste Nationalspieler aller Zeiten», wie der Verband schreibt.