Rückblick Nie hätte ein Tor einem Spiel so gutgetan wie heute vor 22 Jahren

SDA

1.4.2020 - 09:06

Am 1. April 1998 stürzte vor der Champions-League-Partie zwischen Real Madrid und Borussia Dortmund das Tor ein. Erst mit 78-minütiger Verspätung konnte die Partie angepfiffen werden.

Erinnern Sie sich an den 1. April 1998? An das 2:0 von Real Madrid gegen Borussia Dortmund im Halbfinal-Hinspiel der Champions League? Die Nennung der Torschützen, Fernando Morientes erzielte das 1:0, Christian Karembeu den zweiten Treffer, dürfte kaum jemandem auf die Sprünge helfen. Das Stichwort «Torfall» dagegen schon.

Der Torfall von Madrid: Er passierte zwei Minuten vor Anpfiff und mündete in der Sternstunde der deutschen TV-Moderatoren Marcel Reif und Günther Jauch. 95'000 Fans fieberten im Bernabeu dem Anpfiff zum Duell zwischen dem seit zwölf Jahren im Europacup titellosen Gastgeber und dem Titelverteidiger Borussia Dortmund mit dem Schweizer Nationalstürmer Stéphane Chapuisat entgegen. Hinter dem Tor von Reals Goalie Bodo Illgner heizten die «Ultra Sur» ein, die hartgesottenen Real-Fans. Einige kletterten am Absperrgitter hoch und zerrten so brachial an diesem, dass das mit Drahtseilen daran befestigte Tor umknickte.

78 Minuten Verspätung

Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis wieder ein Tor stand. Erst mit 78-minütiger Verspätung konnte der niederländische Schiedsrichter Mario van der Ende die Partie anpfeifen. «Ein Tor fiel um – kein Scherz, es war Real» titelte der Blick am nächsten Tag. Der Tages-Anzeiger nannte es «Das Tor von Madrid», und die «NZZ» schrieb «Von geknickten Torpfosten und (fast) geknickten Hoffnungen».

Die TV-Kommentatoren waren in der aussergewöhnlichen Situation speziell gefordert, ganz besonders jene beim RTL. Bis zum Anpfiff um 22:03 Uhr waren diese ohne Werbe-Unterbruch live auf Sendung. Während Real-Offizielle und Stadion-Handwerker also verzweifelt versuchten, das Tor zu reparieren, und ein Fan sich auf den Weg machte, mit seinem Lastwagen ein Ersatztor auf dem mehrere Kilometer entfernten Trainingsgelände abzuholen, mussten Marcel Reif und der zur Verstärkung kurzfristig zugeschaltete Studio-Moderator Günther Jauch improvisieren.

«Wer auf der Seite die Werbebanden gebucht hat, übrigens: Glückwunsch!»

Die beiden begegneten der Situation mit Humor, und das gelang ihnen vorzüglich. Sätze wie «Nie hätte ein Tor einem Spiel so gutgetan» (Reif) oder «Für alle die, die nicht rechtzeitig eingeschaltet haben: Das erste Tor ist schon gefallen» brachten den beiden eine Auszeichnung mit dem Bayerischen Fernsehpreis und eine Nomination für den renommierten Grimme-Preis ein. «Late-Night-Show nach Toreinsturz» schrieb die damalige «Sportinformation».

Auch im Vor-Social-Media-Zeitalter verhalf die Sternstunde der beiden RTL-Moderatoren dem Sender zu einem Quotenhit. Rund 12,76 Millionen Zuschauer schalteten während des Stillstands zu, das eigentliche Spiel sahen dann nur noch etwa sechs Millionen. Weitere Kommentare Reifs waren: «Ich dachte, wir könnten jetzt bisschen Fussball gucken, Halbfinal der Champions League. Bis jetzt erleben wir hier nur einen Heimwerkerkurs.» Und: «Das ist wie bei den Pfadfindern hier. Jetzt wird der Hering eingeschlagen. Wie im Zeltlager.» Jauch erkannte auch die Gewinner der Situation: «Wer auf der Seite die Werbebanden gebucht hat, übrigens: Glückwunsch!»

Weniger Gefallen hatten die Verantwortlichen vom BVB. «Von einem Verein wie Real Madrid und einem solchen Stadion darf man erwarten, dass ein Reserve-Tor zur Verfügung steht», enervierte sich der damalige Klubpräsident Gerd Niebaum. Den eingelegten Protest zogen die Dortmunder später zurück.

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