Vor wenigen Stunden bestätigt der SFV, was bereits am Wochenende durchsickert: Murat Yakin wird neuer Nati-Trainer. Seine erste Pressekonferenz hat er bereits hinter sich. Im Interview mit «blue Sport» spricht Yakin über seine neuen Aufgaben und Herausforderungen.
Ganz am Ende der Medienkonferenz sagte Murat Yakin: «Ich bin ein Siegertyp.» Der neue Nationaltrainer hat keine Angst, sich in den grossen Fussstapfen seines Vorgängers Vladimir Petkovic zu verlieren. Der bald 47-Jährige übernimmt ein Team, das sich nach der EM 2021 auf dem Höhepunkt befindet – sportlich wie emotional. Wegen dem Sieg im EM-Achtelfinal gegen Weltmeister Frankreich, wegen der Begeisterung in der Bevölkerung. Er erhält einen Vertrag bis Ende WM-Qualifikation 2022.
Mehr als an der Euro kann die SFV-Auswahl fast nicht mehr erreichen. Doch so denkt Yakin nicht. «Die Mannschaft hat Qualität, da geht ein grosser Dank an Vladimir Petkovic. Aber es ist immer irgendwie noch Luft drin. Was in den letzten Jahren erarbeitet wurde, wollen wir jetzt noch verbessern.»
Und vielleicht ist diese Verbesserung sogar nötig, nur schon um das Ziel der ersten Monate zu erreichen. Die Schweiz will an die WM 2022 in Katar. Aber der Weg dahin ist steinig – auch für einen EM-Viertelfinalisten. In den sechs Spielen der WM-Qualifikation bis Ende Jahr kämpft die Schweiz gegen Europameister Italien um den 1. Platz in ihrer Gruppe. Nur der Sieger qualifiziert sich direkt für die WM. Als Zweite bleibt der Schweiz der Umweg über die Playoffs gegen zwei andere Gruppenzweite. Sie muss dann zwei K.o.-Runden überstehen.
Vorerst ein kurzfristiger Vertrag
Sollte sich die Schweiz für die WM qualifizieren, verlängert sich Yakins vorerst bis Ende Jahr laufender Vertrag bis Ende 2022. Scheitert sie in den Playoffs, bleibt Yakin mindestens bis zur Nations League, die im Herbst des nächsten Jahres vor der WM gespielt wird.
Trotz der vorerst kurzfristigen Vertragsdauer denken sie beim SFV aber eigentlich in längeren Phasen. Denn Yakin wurde mit der Aufgabe betraut, die Entwicklung der Nationalmannschaft fortzuführen. Das soll kein kurzfristiges Projekt sein. «Wir haben Kriterien aufgestellt, die uns wichtig sind: taktische Kompetenz, Sozialkompetenz, Kenntnisse der Schweiz und des Schweizer Fussballs. Der Nationaltrainer muss die Mannschaft und ihren Weg kennen», sagte Pierluigi Tami, der Direktor der Nationalmannschaft. Und er fügte hinzu: «Wir haben die beste Wahl getroffen.»
Die beste Wahl war vielleicht nicht die erste. So genau wollte das Tami nicht mehr nachzeichnen. Nicht dementiert wurde zumindest, dass neben Yakin auch Bernard Challandes und René Weiler auf der so genannten Shortlist standen. Am letzten Dienstag hat Tami erstmals mit Yakin Kontakt aufgenommen. Am Freitag waren sich die Parteien grundsätzlich einig. Am Montagmorgen unterzeichnete Yakin den Vertrag.
Beeindruckendes Palmarès
Am Sonntag sass Yakin noch beim FC Schaffhausen in der Challenge League auf der Bank. Die Ostschweizer legten Yakin keine Steine in den Weg. «Ohne Bedingungen» hätte Schaffhausen seinen Trainer ziehen lassen, wie es beim SFV heisst. Und so konnte Yakin nur 24 Stunden nach seinem letzten Spiel mit Schaffhausen als neuer Nationaltrainer vorgestellt werden. Ein grosser Schritt, weswegen einige über Yakins Nomination zum Nationalcoach vielleicht überrascht sind. Denn klar: Yakin hat in den letzten zwei Jahren in der Challenge League trainiert. Er war zuvor bei den Grasshoppers und beim FC Sion jeweils nach nur acht Monaten entlassen worden. Es hatte sportlich und atmosphärisch nicht gestimmt.
Und doch: Yakin bringt einiges mit, das ihn zum idealen SFV-Selektionär macht. Er hat eine grosse Karriere als Spieler hinter sich mit fünf Meistertiteln und 49 Länderspielen. Er bringt aus seiner Zeit in Basel (2012 bis 2014) als zweifacher Schweizer Meister, mit Siegen in der Champions League gegen Chelsea und der Qualifikation für die Halbfinals der Europa League ein beeindruckenderes Palmarès als Trainer mit als so manch anderer Schweizer. Und Yakin bringt dank seiner türkischen Familie und seinem Aufwachsen als Secondo das Feeling mit für diese Nationalmannschaft mit ihren vielen Spielern mit Migrationshintergrund. Alles in allem liess dies SFV-Präsident Dominique Blanc am Montag mit einigem Pathos sagen «Habemus Coach!»
Der Live-Ticker der Pressekonferenz zum Nachlesen:
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Liveticker
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Liveticker beendet
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Adrian Arnold beendet die Fragerunde
Wir danken für die Aufmerksamkeit und wünsche einen schönen Sommer.
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Ist für Sie Platz 1 vor Italien das Ziel in der WM-Quali?
Ich will nicht sagen, das wir nichts zu verlieren haben. Wir haben Punkte zu verlieren. Aber ich bin ein Winnertyp. Wir greifen im richtigen Moment an. Wenn es darauf ankommt.
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Werden Sie viele Super-League-Spiele anschauen?
Das ist mein Hauptjob als Trainer. Und ich interessiere mich für Taktisches und das sieht man nur im Stadion.
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Frage an Tami: Waren Sie überrascht, wie schnell der Name Yakin rauskam?
Fakt ist: Wir hätten eh nicht kommunizieren können. Wir wollten das mit einer richtigen Pressekonferenz tun.
Arnold ergänzt: Wir haben erst kommuniziert als es sicher war, dass es klappt. Das war heute um 9.30 Uhr der Fall.
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Frage an Tami: War Yakins Wahl aus der Not geboren?
Wenn einer nicht wollte oder konnte, dann interessierte uns das nicht. Wir wussten, dass es einer sein muss, der die Entwicklung und die Spieler kennt. Am Ende gab es eine kurze Liste, die Schweizer Identität war uns wichtig. Sich hinter einem grossen Namen zu verstecken, das wäre ein grosses Risiko gewesen. Ich bin überzeugt, dass wir starke Schweizer Trainer haben, die man oft unterschätzt. Ich bin sicher: Wir haben den besten!
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Murat Yakin, wie haben Sie den Achtelfinal geschaut und mit wem hatten Sie schon Kontakt?
Ich habe alle Spiele zu Hause angeschaut, weil ich dann alle Spiele konzentriert schauen kann. In der Öffentlichkeit muss ich mehr das Spiel kommentieren, als es studieren zu können. Ich glaube nicht, dass es wichtig ist, mit wem ich jetzt schon Kontakt hatte. Aber ich habe mich über die Nachrichten gefreut.
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Frage an Tami: Was, wenn Yakin die WM verpasst?
Der Vertrag läuft für WM-Qualifikation und die Nations League. Wenn wir uns für Katar qualifizieren, wird der Vertrag aber automatisch bis zur EM 2024 verlängert. Yakin hat also zwei Qualifikationen auf sicher.
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Haben Sie den Assistenten schon bestimmt?
Das ist geplant auf morgen. Wir treffen morgen wichtige Staff-Leute und werden in der nächsten Zeit kommunizieren.
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Ist es schwieriger, nach so einer Euro zu übernehmen?
Den Moment kann man sich nicht aussuchen, den bekommt man. Ich versuche mit meiner Art, meiner menschlichen und taktischen Art zu analysieren. Damit wir den Schwung mitnehmen können. Ich habe noch ein Testspiel vor dem wichtigen Spiel gegen Italien. Vielleicht kann ich noch einige Inputs einbringen. Ich werde Freude vermitteln und eine starke Elf ins Rennen schicken.
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Wie hat Petkovic die Mannschaft vorwärtsgebracht?
Das ist eine lange Zeit, auch für die Spieler, die in sieben Jahren eine grosse Entwicklung gemacht haben. Das muss ich mit meinem Staff gut anschauen. Vor allem die letzte Phase ist entscheidend, wie wir jetzt fortfahren.
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Was erhoffst du dir für Inputs von Petkovic?
Mich interessiert vor allem das Sportliche. Seine Entscheidungen, die er getroffen hat bei der Spielerwahl. Wie er von den Profilen der eigenen Spieler die Taktik gewählt hat. Das ist genau das, was mich fasziniert an diesem Sport. Und dass man auch während des Spiels etwas ändern kann.
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Yakin zu seiner Spielidee
Man muss in dieser kurzen Zeit nicht viel verändern. Man hat ja gesehen, dass die Mannschaft intakt ist. Ich habe nicht viele Möglichkeiten, viel zu verändern. Am Ende müssen sich die Spieler wohlfühlen und wir finden einen guten Mix.
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Was steht an?
Schon morgen gibt es ein technisches Meeting. Das erste Aufgebot steht schon bald an. Dann die Pressearbeit. Die Gespräche mit den wichtigen Spielern.
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Du hattest in Basel 13/14 grossen Erfolg. Trotzdem ging es nicht weiter. Wie denkst du rückblickend über diese Zeit?
Wir hatten den maximalen Erfolg. Dass nach über 100 Pflichtspielen Entscheidungen getroffen werden müssen, muss man akzeptieren. Vielleicht hatte ich zu diesem Zeitpunkt das Maximum herausgeholt. In der Europa League im Halbfinal, zweimal die Meisterschaft gewonnen und den Cup. Es ist passé, ich freue mich auf die jetzige Aufgabe.
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Was qualifiziert dich zum Nati-Coach?
Ich glaube, das ist eine Frage, die ich sehr ungerne beantworte und es lieber jemand anderem überlasse.
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Warst du gut vorbereitet?
Es war ein freies und offenes Gespräch. Ein gutes Gespräch.
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Wie hast du auf den ersten Anruf reagiert?
Ich muss ehrlich sagen, ich war überrascht. Ich war auch glücklich, dass ich zu den Kandidaten gehöre und zu einem Gespräch mit Blanc und Tami eingeladen wurde. Es war ein ehrliches und zielführendes Gespräch. Ich habe dort auch gemerkt, dass ich einen grossen Teil der Mannschaft kenne.
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Hast du dir nie erträumt, Nati-Trainer zu sein?
Vor sieben Jahren, bevor Vlado zum Nati-Trainer wurde, da hatte ich kurz Kontakt. Aber da wusste ich, dass er es verdient hat. Seine Resultate waren besser als meine. Sportlich und menschlich war Schaffhausen für mich kein Rückschritt. Klar kommen die Fragezeichen, kann ich als Challenge-League-Trainer noch ein Kandidat sein. Nach den Gesprächen habe ich mir schon Hoffnungen gemacht
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Wie geht es jetzt weiter?
Wir haben ein Heimspiel gegen Griechenland und Italien. Es freut mich, dass dies in meiner Heimstädte ist (Basel). Ich hätte mir nie erträumen lassen, dass der Muri in Muri einen Vertrag unterschreiben wird.
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Schwierige Gegner
Ich freue mich extrem auf die Arbeit. An der EM hat man gesehen, dass das Team enorme Leidenschaft vermittelt. Das will ich weiterführen. Es wird nicht einfach werden, vor allem in Anbetracht der Gegner.
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Mit Menschenkenntnis zum Erfolg
Es wartet auf mich nun eine grosse Arbeit. Aber ich denke, dass ich mit meinen Menschenkenntnissen das Team zu neuen Erfolgen führen kann. Viel Zeit bleibt mir nicht.
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Yakins Lob für seinen Vorgänger
Ich habe in den Gesprächen das Vertrauen gespürt, bin enorm motiviert und werde alles geben, dass es erfolgreich weitergeht. Man muss auch Petkovic Danke sagen. Ich werde mich sicher mit ihm austauschen, denn ich habe grossen Respekt vor ihm.
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Jetzt spricht Murat Yakin
Ich freue mich sehr, heute hier zu sein, Teil der Nati zu sein, die grossen Erfolg an der EM feiern durfte. Es ist für mich eine Ehre, hier zu sein und das Land mit grossem Stolz vertreten zu dürfen.
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Tami erklärt Wahl Yakins
Wir sind überzeugt, dass Murat Yakin diese Mannschaft gut weiterentwickeln kann. Wir haben uns für denjenigen entschieden, von dem wir glauben, dass er am besten die Kriterien erfüllt.
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Tami: «Wir erstellten eine Liste aller Kandidaten, die uns interessierten»
Kriterien für die Kompetenzen. Wir brauchen taktische Kompetenzen. Wir wollten Kriterien für internationale Erfahrung. Wir wollten einen Trainer, der sich mit dem Team, dem Stuff und dem Land identifiziert. Ein Trainer, der unsere Realität sehr, sehr gut kennt. Wir erstellten eine Liste aller Kandidaten, die uns interessierten. Danach haben wir Trainer getroffen.
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Tami erklärt Auswahlprozess
Unsere erste Analyse, unsere ersten Gedanken bestanden nicht daran, den Namen eines Trainers zu suchen. Wir analysierten: Was haben wir. Ein Team. Unser erster Gedanke war unser Team. Der zweite Gedanke war, welches Profil braucht der Trainer dieser Mannschaft. Zum ersten Punkt haben einen starken Zusammenhalt in der Nati. Eine Mannschaft mit einer klaren Vorstellung vom Spielprinzip. Es gibt auch Leader in der Mannschaft und ein gutes Gleichgewicht zwischen Leadertypen und jungen Spielern.
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Yakin ist modern und couragiert
Was stellt der neue Coach dar? Echte Schweizer Werte. Er ist modern und couragiert. Es ist eine neue Generation. Er wird den Spielstil unserer Nati beibehalten. Wir haben bei der Wahl nichts überstürzt, so Blanc.
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Vertrag erst heute unterschrieben
Seit Samstag ist das keine Überraschung mehr. Das Haus des Fussballs ist nicht wasserdicht. Aber es zeigt das enorme Interesse der Schweizer Öffentlichkeit auf. Das freut uns.
Kommunizieren hätten wir aber nicht früher können. Der Vertrag ist erst heute Montag unterschrieben worden. Wir publizieren erst, wenn alles in trockenen Tüchern ist, so SFV-Präsident Dominique.
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Um 15 Uhr tritt Murat Yakin vor die Medien
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Yakins erste Worte als Nati-Trainer
Am Montagmorgen vermeldet der SFV, dass Murat Yakin neuer Nati-Trainer wird. Ein Video mit ersten Quotes wird gleich mitgeliefert.
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Marco Streller freut sich auf Murat Yakin
Er bedaure, dass Vladimir Petkovic zurückgetreten sei, sagt Marco Streller am vergangenen Wochenende. Mit der Wahl von Murat Yakin als dessen Nachfolger kann sich der blue-Experte aber anfreunden. Im Video unten hörst du, was Streller zur Verpflichtung Yakins zu sagen hat.