Bei der Pelé-Gedenkfeier muss einerseits FIFA-Präsident Gianni Infantino für sein Verhalten viel Kritik einstecken, andererseits wirft die Absenz vieler brasilianischer Fussballer einen Schatten auf die Abdankung.
Tausende Fans haben im Stadion seines langjährigen Vereins FC Santos Abschied von der brasilianischen Fussball-Legende Pelé genommen. Über 27'000 Menschen zogen bis Montagabend an dem in der Spielfeldmitte des Estádio Urbano Caldeira in der Hafenstadt Santos aufgebahrten Leichnam des dreifachen Weltmeisters vorbei, wie das Nachrichtenportal «G1» berichtet. Die Schlange vor dem Stadion war über einen Kilometer lang.
Auch FIFA-Präsident Gianni Infantino reiste an, um persönlich Abschied von dem dreifachen Weltmeister zu nehmen. Nach dem Willen des Schweizers sollte zu Ehren der Fussball-Legende in jedem Land ein Stadion nach Pelé benannt werden.
Die kuriose Idee lässt sich in der Realität wohl nur sehr schwer umsetzen. Viel grösseren Unmut löste der 52-jährige Briger mit seinem Verhalten während der Totenwache aus. Gemäss Augenzeugen kondolierte er zuerst Pelés Witwe Marcia Aoki und Sohn Edinho, ehe er sich selbst in Szene setzte.
Heftige Kritik an FIFA-Boss Infantino
Er liess es sich nicht nehmen, mit Besuchern fleissig für Fotos zu posieren – und gar selbst zum Handy zu greifen, um Gruppen-Selfies rund um den Sarg zu schiessen. Die Szenen haben in den sozialen Medien viel Empörung ausgelöst. Die Bandbreite der Meinungen auf Twitter im «Infantino-Shitstorm» reichten von «pietätlos» bis hin zu «Schande».
In der Tat ist die Selbstinszenierung des höchsten Fussball-Funktionärs mehr als befremdlich. Der für viele grösste Fussballspieler der Geschichte wird als Objekt für die eigenen Bedürfnisse benutzt – ein Sinnbild für das Gebaren des Welt-Fussballverbands unter Infantinos Führung. Der Werte-Kompass in der FIFA scheint sich in der jüngeren Vergangenheit sogar noch weiter von den traditionellen Fussballfans entfernt zu haben.
Das respektlose Verhalten von Infantino wird zu guter Letzt auch folgenlos bleiben – zu fest sitzt der umtriebige Infantino, der in der FIFA fleissig das Geld sprudeln lässt für die kleinen und grossen Mitgliederverbände – im Sattel. Im März wird er seine dritte Amtsperiode antreten – ein Gegenkandidat bei der Präsidentschaftswahl hat sich nicht finden lassen.
Fussballer glänzen mit Abwesenheit
In Brasilien drehen sich die Schlagzeilen auch um andere Personen – beziehungsweise die Abwesenden. Unter den Trauergästen waren zwar einige ehemalige Wegbegleiter von Pelé zu finden, viele Fussball-Grössen glänzten gemäss «UOL» aber mit ihrer Abwesenheit. Bekannte Fussball-Legenden der letzten Jahrzehnte wie Cafu, Kakà, Ronaldo und Romário seien nicht erschienen – die beiden letztgenannten hätten immerhin Blumenkränze geschickt. Von den aktuellen Seleção-Stars um Neymar plant hingegen offenbar niemand, an der Abschiedszeremonie teilzunehmen.
Es haben sich keine Spieler oder ehemalige Sportler eines anderen Vereins bei Santos gemeldet, um eine mögliche Teilnahme anzukündigen, hält die Newssite fest. Der brasilianische Verband CBF hat auch keine Teilnehmer angekündigt. Für die aktuelle Spielergeneration ist es sicher schwierig, sich den Terminkalender freizumachen.
Die Null-Bilanz der bereits zurückgetretenen Fussballer gibt jedoch ein trauriges Bild ab. In den sozialen Medien übertrafen sich die aktiven und ehemaligen brasilianischen Nationalspieler nach der Todesmeldung quasi unisono mit ihren Nachrufen und Würdigungen. Ein letzter Abschied von ihrem Idol Pelé, der vielen spätere Kickern den Weg ebnete, lag dann irgendwie nicht drin. Die Nicht-Anwesenheit war aber nichts im Vergleich zu Infantinos Verhalten.
Am Dienstag wird eine Trauerprozession den Leichnam durch das Viertel, in dem Pelés 100-jährige Mutter noch immer lebt, zu dem Friedhofs-Hochhaus Memorial Necrópole Ecumênica bringen. Dort soll Pelé im Kreis der Familie beigesetzt werden. Und damit endlich seine letzte Ruhe finden.