Megan Rapinoe interessiert sich nicht nur für Fussball, auch wenn sie mit ihrer Mannschaft gerade Weltmeisterin geworden ist. Sie hat eine starke politische Meinung – und kämpft unter anderem für mehr Gleichberechtigung.
Bei der vergangenen Weltmeisterschaft ging es nicht nur um Fussball spielen – auch die Politik, die Bezahlung und die Technik waren Thema hitziger Debatten. Mit dem Finalsieg der US-Amerikanerinnen über die Niederlande erreichten diese einen Höhepunkt, auch wegen des unangefochtenen und unverblümten Stars des Turniers: Megan Rapinoe.
Die Kapitänin der US-Mannschaft schoss am Sonntag das erste Tor im Finalspiel gegen die Niederländerinnen, per Foulelfmeter nach einem Videobeweis. Es war ihr sechstes Tor und dank drei Vorlagen und weniger Spielzeit als ihre Teamkollegin Alex Morgan wurde sie beim meistgesehenen Frauenfussballturnier auch noch Gewinnerin des goldenen Schuhs.
«Ein bisschen öffentliche Scham tut niemandem weh»
Die USA verteidigten ihren Titel erfolgreich, gewannen 2:0 gegen die Niederlande und Rapinoe mit den rosafarbenen Haaren, die für ihre Individualität und ihren Aktivismus bekannt ist, bekam dadurch eine Plattform für beides. Die Stürmerin konnte ihre Trophäe abholen, den Hauptpreis in Lyon entgegennehmen und in Lobhudelei schwelgen.
Bei der Verleihung durch den französischen Präsidenten Emmanuel Macron und FIFA-Präsident Gianni Infantino gab es Buhrufe und «Equal Pay»-Gesänge: «Gleiche Bezahlung». Tausende griffen Rapinoes Kampagne für eine gerechtere Bezahlung durch die WM-Organisatoren und Vergütung durch den US-Fussballverband auf. «Ein bisschen öffentliche Scham tut niemandem weh», sagte Rapinoe mit der Gewinnermedaille um den Hals. «Ich finde das in Ordnung.»
Einen Besuch im Weissen Haus findet Rapinoe dagegen gar nicht in Ordnung. Schon im Vorfeld hatte sie angekündigt, im Fall eines WM-Siegs nicht nach Washington fahren zu wollen, sollte die Mannschaft eingeladen werden, wie ein Video zeigte, das während des Turniers auftauchte.
Support von Macron
«Megan sollte erstmal GEWINNEN bevor sie REDET», hatte Präsident Donald Trump auf Twitter geantwortet. «Bring den Job zu Ende!» Als der Job auch dank Rose Lavelles Tor zu Ende gebracht war, kamen Glückwünsche von Trump an das ganze Team. «Grossartiges und aufregendes Spiel», twitterte er. «Amerika ist stolz auf euch alle!»
In den Stunden bevor die Amerikanerinnen einen Rekord aufstellten und zum vierten Mal die Weltmeisterschaft gewannen, fand Rapinoe im französischen Präsidenten einen Fürsprecher für das Streben nach einer gerechteren Bezahlung. «Wir müssen progressiv in diese Richtung gehen», sagte Macron. «Wir sollten das progressiv angleichen.»
Das dürfte ein langer Weg werden. Das Preisgeld für die Weltmeisterschaft der Männer 2022 ist kürzlich auf 440 Millionen US-Dollar angestiegen. Die Frauenmannschaft teilt sich 2023 gerade mal 60 Millionen Dollar. Und diesmal ist es nur die Hälfte.
Eine Unterhaltung mit Infantino
Am Abend des Finales sass Rapinoe während einer Pressekonferenz an der Stelle, wo tags zuvor Infantino gesessen hatte. Rapinoe sprach von Respektlosigkeit der FIFA-Leitung. Der Unterschied zwischen der Bezahlung für einen Sieg der Männer und der Frauen sei zuletzt grösser geworden, anstelle von kleiner.
Auf dem Rasen wollte Rapinoe Infantino jedoch nicht konfrontieren. «Es gab auf jeden Fall ein schiefes Lächeln», sagte sie. «Er weiss es. Er hat gesagt, wir werden eine Unterhaltung haben oder so. Ich habe gesagt, 'sehr gerne'.»
Für eines kann Rapinoe Infantino dankbar sein: Die Einführung des Videobeweises. Dieser hatte ein aufregendes Debüt im Frauenfussball, woran sich Schiedsrichterinnen und Spielerinnen gewöhnen mussten. Durch Videoaufnahmen wurde das Foul der niederländischen Verteidigerin Stefanie van der Gragt gegen Stürmerin Alex Morgan nachgewiesen, und Rapinoe machte per Strafelfmeter ihr 50. internationales Tor.
Über den Videobeweis, auf Englisch Video Assistant Referee (VAR) genannt, sagt Rapinoe: «VAR würde das Finale nicht vermissen, sie musste irgendwann auftauchen.» Es gebe ein paar Widersprüche, aber das sei das erste Mal gewesen, dass alle Schiedsrichterinnen es tatsächlich genutzt haben. «Insgesamt gesehen würde ich daher sagen, es war ziemlich gut.»
Weniger erfolgreich waren die Bemühungen der FIFA, Fans in die Stadien zu bekommen. Die FIFA weiss, dass sie mehr tun muss, um die Besucherzahl zu erhöhen. 58'000 Zuschauer wie beim Endspiel am Sonntag sind eher ein Einzelfall. Der offizielle Slogan der Fussball-WM, «Dare to Shine» (Traue dich, zu brillieren), steht den Pannen des FIFA-Marketings um leere Tribünen im Stadion entgegen.
Die Wahl der Austragungsorte wird künftig genauer hinterfragt. Der FIFA ist bewusst geworden, dass stärkere Fussballstädte – und nicht so sehr Montpellier und Nizza – für besser besuchte Stadien hätten sorgen können.
«Es kann eine Menge getan werden, um unseren Sport ein bisschen populärer zu machen, so wie die Männer-WM von einigen als Ziel angesehen wird, die nicht totale Fussballfans sind», sagte Sarai Bareman, die Frauenfussball-Direktorin bei der FIFA. «Wir müssen eine Menge machen, um diese Fans anzuziehen.»
WM-Vergabe 2023 offen
Während die USA, Kanada und Mexiko im vergangenen Jahr als gemeinsamer Gastgeber für die Männer-WM 2026 ausgewählt wurden, hat die FIFA die Austragungsorte der nächsten Frauen-WM in vier Jahren noch nicht selektiert. Die Entscheidung könnte erneut verschoben werden.
Die FIFA sollte die Entscheidung bereits im März treffen. Infantino sagte jedoch am Freitag, der Bewerbungsprozess müsse möglicherweise wieder eröffnet werden, nachdem die Pläne bekannt gegeben wurden, das Turnier von 24 Mannschaften auf 32 auszuweiten.
An der Austragung der nächsten Frauen-WM gab es gesteigertes Interesse. Neun Länder hatten sich bereits gemeldet: Argentinien, Australien, Bolivien, Brasilien, Kolumbien, Japan, Neuseeland, Südafrika und Südkorea.
Rapinoe hofft vermutlich, dass die Spielerinnen bis dahin nicht mehr um die Bezahlung kämpfen. «Jeder fragt, was als nächstes kommt, und was wir mit all dem wollen», sagt sie. «Es geht darum, dass wir aufhören, diese Unterhaltung über gleiche Bezahlung zu haben, ob wir es wert sind, die Investition. Es ist Zeit, sich mit allen hinzusetzen und wirklich daran zu arbeiten.»