Reifs emotionaler Abschied vom Kaiser «Ein Mann ohne Allüren, obwohl er keine Instanz über sich hatte»

Von Jan Arnet

8.1.2024

Marcel Reif über den Tod von Franz Beckenbauer: «Das Schicksal hat ihn zu einem Sonnengott gemacht»

Marcel Reif über den Tod von Franz Beckenbauer: «Das Schicksal hat ihn zu einem Sonnengott gemacht»

Franz Beckenbauer ist tot. Die wohl prägendste Persönlichkeit im deutschen Fussball starb am Sonntag im Alter von 78 Jahren. Ein Wegbegleiter des Kaisers war auch Marcel Reif. Der blue Sport Experte spricht über die gemeinsame Zeit mit Beckenbauer.

08.01.2024

Franz Beckenbauer ist im Alter von 78 Jahren gestorben. Ein Wegbegleiter des Kaisers war auch Marcel Reif. Der blue Sport Fussball-Experte spricht über die gemeinsame Zeit mit Beckenbauer und nimmt Abschied.

Von Jan Arnet

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Franz Beckenbauer ist tot. Die deutsche Fussball-Legende starb am Sonntag im Alter von 78 Jahren.
  • blue Sport Experte Marcel Reif war jahrelang ein Weggefährte Beckenbauers und blickt auf die gemeinsame Zeit zurück.
  • «Ich habe einen Mann ohne Allüren kennengelernt, obwohl der keine Instanz über sich hatte», so Reif über Beckenbauer.

«Mit dem Tod von Franz Beckenbauer verliert nicht nur Deutschland, nicht nur der Fussball und auch nicht nur die Sportszene einen grossen Mann», beginnt Marcel Reif seine emotionalen Abschiedsworte.

Der Fussball-Fachmann arbeitete viele Jahre zusammen mit Beckenbauer im TV. Gemeinsam mit Günther Jauch begleiteten sie im deutschen Fernsehen die Champions League. «Wir haben viele Abende zusammengesessen, haben gestritten und gelacht. Ich habe einen Menschen kennengelernt, der nie vergessen hat, wo er herkommt. Einen Mann ohne Allüren, obwohl er keine Instanz über sich hatte», so Reif.

Selbst als sie bei der TV-Übertragung auf Sendung gingen, sei Beckenbauer oft noch damit beschäftigt gewesen, Autogramme zu schreiben, erinnert sich Reif: «Er sagte, er könne die Menschen nicht einfach so stehen lassen. Also haben wir das Programm kurzfristig umgestellt und haben es den Leuten erklärt.» Trotz seiner Aura habe Beckenbauer nie von oben nach unten geguckt.

Der tiefe Fall mit dem Sommermärchen-Skandal

«Das Schicksal hat ihn zu einem Sonnengott gemacht und hat ihn dann aus unfassbarer Höhe unfassbar tief fallen lassen. Der Tod seines Sohnes (im Jahr 2015, d. Red.) hat ihn sehr getroffen. Dann die Anschuldigungen in Deutschland mit dem beschmutzen Sommermärchen», erzählt Reif.

Es gab Vorwürfe, dass die WM 2006 gekauft war. Beckenbauer musste als Gesicht der Organisatoren über Jahre hinweg Kritik einstecken. «Man hat ihm irgendwelche Zettel zum Unterschreiben hingelegt. Ich glaube ihm bis heute, dass er nur ganz selten geguckt hat, was er da überhaupt unterschreibt», verteidigt Reif Beckenbauer. «Er hat alles dafür getan, dass die WM nach Deutschland kommt und ein solcher Erfolg wird.»

Und selbst wenn Beckenbauer in der Sache Dreck am Stecken gehabt habe, war er es nie alleine, so Reif weiter. «Die anderen haben sich ganz schnell in seinem Schatten versteckt, den er als grosse Sonne verbreitet hat. Ich weiss, dass ihn das auch sehr getroffen hat.»

«Er wollte niemanden mehr sehen»

Auch aus gesundheitlichen Gründen zog sich Beckenbauer in den vergangenen Jahren mehr und mehr aus der Öffentlichkeit zurück. 2016 bekam er bei einer Herz-OP drei Bypässe. Seit einem Augeninfarkt war er auf einem Auge zudem blind.

«Ich bedauere, dass ich ihn zu wenig besucht habe in den letzten zwei Jahren. Auch wegen der Pandemie», sagt Reif. «Ich weiss aber, dass er in der letzten Zeit niemanden mehr sehen wollte. Er wollte nicht so gesehen werden, er wollte der Franz Beckenbauer bleiben, den die Welt kannte.»  

Als ehemaligen Weggefährten mache ihn Beckenbauers Tod betroffen, so der blue Sport Experte. «Ich denke, die Deutschen werden gut daran tun, nochmals darüber nachzudenken, wie sehr manche versucht haben, ein Denkmal zu stürzen. Sie müssen sich jetzt fragen, ob sie mit diesem Franz Beckenbauer fair und anständig umgegangen sind», sagt Reif. «Er war jedenfalls ein grossartiger und anständiger Mann.»


Die Eckdaten zu Franz Beckenbauer

  • Er wurde am 11. September 1945 in München geboren.
  • 1958 wurde er Spieler beim FC Bayern München.
  • Deutscher Meister mit dem Verein 1969, 1972, 1973 und 1974.
  • Mit ihm als Captain gewann Deutschland zwei Jahre nach dem Europameistertitel auch die Weltmeisterschaft 1974.
  • 1977 wechselte er zu Cosmos New York.
  • Vor dem Ende seiner aktiven Spielerkarriere errang er 1982 den fünften deutschen Meistertitel mit dem Hamburger SV.
  • Als Teamchef führte er die deutsche Nationalmannschaft 1986 in den WM-Final und 1990 zur Weltmeisterschaft.
  • 1994 bis 2009 war er Präsident des FC Bayern München sowie nach der Umwandlung des Vereins in eine Aktiengesellschaft 2002 auch Aufsichtsratsvorsitzender.
  • Als Chef des Bewerbungskomitees war er massgeblich daran beteiligt, die Fussball-Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland zu holen und leitete dann das Organisationskomitee.
  • Von 2007 bis 2011 war er Mitglied des Exekutivkomitees des Fussball-Weltverbandes FIFA.
  • Von 2011 bis 2012 war er Vorsitzender der FIFA Taskforce Football 2014, die sich mit der Entwicklung und Zukunft des Fussballs beschäftigte.
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Weltmeister als Spieler und als Trainer, Deutscher Meister mit dem FC Bayern und dem Hamburger SV – Franz Beckenbauer war ein Ausnahme-Fussballer, national wie international.

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