Der FC St. Gallen ist nach sechs Siegen aus den letzten sieben Spielen weiter im Hoch. Nichts kann derzeit die Euphorie in der Ostschweiz bremsen. Grossen Anteil daran hat auch Präsident Matthias Hüppi.
Kann der FC St. Gallen Schweizer Meister werden? Nach zwölf Runden grüssen die «Espen» in der Super League von Platz drei. Der Vorsprung auf das viertplatzierte Sion ist zurzeit grösser als der Rückstand auf Leader YB – in der Ostschweiz spricht manch einer bereits von einem «Spitzentrio».
Auch wenn letztlich wieder die Young Boys und der FC Basel ausmachen, wer im Frühsommer die Trophäe in die Luft stemmen darf, keimt in St.Gallen durchaus etwas Hoffnung auf. Das zeigt, wie viel Vertrauen die Fans aktuell in die Mannschaft und in den Verein haben – etwas, das vor allem bei Letzterem bis vor kurzem völlig undenkbar war.
Verschenkte Jahre
Müsste ein durchschnittlicher St. Galler die finanzielle Struktur und Orientierung des Fussballklubs während der letzten Jahre beschreiben, so käme er ziemlich bald auf den Begriff «Vetterliwirtschaft». Selbst über ein Jahrzehnt nach dem Bau des neuen Stadions wissen die meisten FCSG-Fans immer noch nicht, was, wie und wo damals alles falsch gelaufen ist.
Die Arena hätte ein Wendepunkt werden sollen, ein nächster Schritt in Richtung Spitze, die man ja nur fünf Jahre vor Baubeginn noch erreicht hatte. Stattdessen führten das neue Zuhause und etliche falsche Entscheide den Klub direkt in die Zweitklassigkeit – und damit in eine Krise, die den FCSG bis jetzt beeinträchtigt.
Trotz sehr verhaltener Transfer-Aktivität, dem Millionen-Verkauf von Albian Ajeti und dem dritthöchsten Zuschauerschnitt der ganzen Schweiz, schrieb der FCSG für das Berichtsjahr 2018/19 einen Verlust von 5,1 Millionen Franken. Das ist verrückt.
Hauptverantwortlich dafür sei ein «ausserordentlicher Abschreiber», der aus dem letzten Jahrzehnt resultiert und auf die ominöse Event AG zurückzuführen ist. «Das operative Ergebnis ist gemäss unserem Entwicklungsplan dennoch auf Kurs», verteidigte sich der Verwaltungsrat. Und das Beste ist: In St.Gallen glaubt man das!
Hüppi macht’s möglich
Matthias Hüppi weiss, wie man kommuniziert – da ist er Profi. Er weiss auch, wie man sich beliebt macht: Nicht umsonst spricht er an der Hauptversammlung der Schützengarten AG. Aber den Gutmenschen spielen, das haben in St. Gallen schon einige Ex-Präsidenten versucht. Nur Hüppi kauft man es tatsächlich ab, ihm wird in St. Gallen vertraut. Nur wenige können sich vorstellen, dass unter seiner Obhut die krummen Geschäfte weiter gedeihen können. Deshalb gab es vor einer Woche auch keinen Aufschrei, als von einem «ausserordentlichen Abschreiber» die Rede war. Das alleine ist ein unglaublich wertvolles Zeichen.
Hinzu kommt, dass Hüppis Sportchef, Alain Sutter und Trainer Peter Zeidler mit extrem eingeschränkten Möglichkeiten eine Mannschaft geformt haben, die auf einem Niveau spielt, wie man es in der neuen Arena noch nicht gesehen hat. Natürlich sind 12 Spiele kein wirklicher Gradmesser und der FCSG bekannt für spektakuläre Formschwankungen, aber es ist kaum vorstellbar, dass dieses Team die Saison nicht in der oberen Tabellenhälfte abschliessen wird.
Und dann, wenn im Sommer vielleicht endlich ein anständigeres Budget vorhanden ist, dürfen sich die Ostschweizer auf die Spielzeit 20/21 freuen. Wer bedenkt, was Sutter und Zeidler mit etwas mehr Spielgeld alles veranstalten könnten, wird die Frage, die zu Beginn dieses Texts gestellt wurde, in Zukunft vielleicht gar nicht mehr so belächeln.