Mit grossen Ambitionen ins Turnier gestartet, müssen die Österreicher bereits nach den Achtelfinals die Heimreise antreten. Dabei wäre alles angerichtet gewesen für den grossen Coup.
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- Österreich scheidet im EM-Achtelfinal gegen die Türkei aus. Die Enttäuschung beim gescheiterten Geheimfavorit ist riesig.
- Christoph Baumgartner, der kurz vor Schluss eine Top-Chance vergibt, nannte den 2. Juli «einen der traurigsten Tage in meinem Leben».
- Der neutrale Zuschauer wird sie vermissen, die angriffige Spielweise der Österreicher, die als Geheimfavorit ins Turnier gestartet sind und die sich des «Geheim» mit jedem Spiel ein wenig mehr entledigten.
Christoph Baumgartner weint bittere Tränen, vergräbt schluchzend sein Gesicht in den Schultern von David Alaba. Leere Blicke bei Marcel Sabitzer und Stefan Posch, hängende Köpfe bei Marko Arnautovic und Philipp Lienhart. Wie begossene Pudel stehen die Österreicher am späten Dienstagabend im Regen von Leipzig vor ihrer Fankurve, lassen sich Trost spenden von den mitgereisten Fans, ehe sie unter Applaus der gegnerischen Mannschaft das Feld räumen und den Türken die Bühne überlassen.
Dabei hätte doch alles umgekehrt sein sollen. Österreich unter Trainer Ralf Rangnick: Eine Pressing-Maschine, die dem Gegner kaum Luft und keinen Raum zur Entfaltung lässt. Die für attraktiven Offensivfussball steht. Die sich auch von einem resultatmässig schlechten Start ins Turnier nicht verunsichern liess. Die gegen die Türkei als klarer Favorit gehandelt wurde und deren erstmaliger Einzug in ein EM-Viertelfinal Formsache schien.
Der untröstliche Baumgartner
Doch dann kommt dieser Merih Demiral, der einst als eines der grössten Abwehrtalente in Europa galt, bei Juventus Turin zur Weltklasse reifen sollte, mit nur Mitte zwanzig jedoch den Verlockungen des ganz grossen Geldes erlag und zu Al-Ahli nach Saudi-Arabien wechselte – und Österreich mit zwei Toren nach Cornern ins Tal der Tränen stürzt.
«Wenn man sieht, was wir heute alles in dieses Spiel investiert haben und wie viele Torchancen wir ausgelassen haben, dann fühlt sich das Ganze schon ziemlich grotesk und surreal an», sagte Österreichs Nationalcoach Ralf Rangnick nach dem Spiel. Von einer «Fussball-Tragik, die nicht zu überbieten ist», sprach Torschütze Michael Gregoritsch, von «einer Leere» Innenverteidiger Maximilian Wöber.
Christoph Baumgartner nannte den 2. Juli «einen der traurigsten Tage in meinem Leben». Der 24-Jährige von RB Leipzig war die tragische Figur dieses Achtelfinals. Beim frühen Gegentreffer konnte er den Ball auf der Linie nur unzureichend klären. Wenig später ging sein Schuss knapp am linken Pfosten vorbei. In der letzten Minute der Nachspielzeit schliesslich kam Baumgartner völlig frei aus fünf Metern zum Kopfball, machte eigentlich alles richtig. Doch Mert Günok im Tor der Türken zeigte die Parade des Turniers, ja die Parade seines Lebens, und lenkte den Aufsetzer um den Pfosten. «Eine unglaubliche Parade von ihm, da kann man nur gratulieren», sagte Baumgartner. «Für mich und für uns ist das extrem bitter, aber so ist der Fussball. Es ist ganz schwierig, sich nach so einem Spiel hinzustellen und in die Gesichter der Leute zu schauen, weil man weiss, man hat sie irgendwo enttäuscht.»
Eine verpasste Chance
Enttäuscht ja, aber auch unterhalten. Kaum eine andere Mannschaft hat mit ihrem Fussball die Menschen so begeistert wie die Österreicher. Passend fasste es Rangnick zusammen: «Es waren vier mega-unterhaltsame Spiele, mega-intensiv. Dagegen gab es andere Spiele, wo ich vor dem TV Mühe hatte, mich wach zu halten. Das war bei unseren Spielen nicht der Fall.»
Der neutrale Zuschauer wird sie vermissen, die angriffige Spielweise der Österreicher, die als Geheimfavorit ins Turnier gestartet sind und die sich des «Geheim» mit jedem Spiel ein wenig mehr entledigten.
Nun aber feiern die Türken, die sich für die 1:6-Schmach vom März in Wien rehabilitierten und anstelle der Österreicher vom ganz grossen Coup träumen dürfen. «Alaba hat gesagt, dass solche Momente einen stärker machen», sagte Baumgartner, als er sich wieder etwas gefangen hatte. «In solchen Momenten ist es aber schwer, irgendwas anzunehmen, weil die Enttäuschung so gross ist. Es wäre so viel drin gewesen.» Nicht nur in diesem Spiel, sondern in diesem Turnier.
sda