2013 wird Nadine Angerer als erste Torhüterin zur Weltfussballerin erkoren und strahlt an der Seite von Cristiano Ronaldo in die Kameras. Seit April dieses Jahres ist es ihr Job, das Maximum aus den Schweizer Torhüterinnen herauszukitzeln. Nun hat sie Elvira Herzog zur Nummer 1 gemacht.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Elvira Herzog ist offiziell die Nummer 1 der Schweizer Nati. Nach den letzten Testspielen haben ihr die Torhüter-Trainerinnen Nadine Angerer und Patricia Gsell die frohe Botschaft mitgeteilt.
- Die 24-jährige Torhüterin von Bundesligist RB Leipzig ist überglücklich und möchte das Vertrauen mit starken Leistungen zurückzahlen.
- Angerer, über Jahre zweifellos eine der besten Torhüterinnen der Welt, hat bei den Schweizerinnen vor allem im mentalen Bereich Defizite erkannt und deshalb einen Kulturwandel angestossen.
- Dass sie bereits ein halbes Jahr vor der EM kommuniziert hätten, dass Herzog aktuell die Nummer 1 ist, habe den Vorteil, dass sich alle an ihre Rolle gewöhnen könnten, so Angerer.
- Am Freitag (20 Uhr) spielt die Schweiz im Letzigrund gegen Deutschland. Bereits jetzt ist klar, dass erneut ein neuer Zuschauerrekord für ein Frauen-Fussballspiel auf Schweizer Boden aufgestsellt wird.
Seit anfangs Jahr hat Pia Sundhage, die beste Trainerin der Welt im Jahr 2012, bei der Schweizer Frauen-Nati das Sagen. Im April wurde der Staff um eine Legende erweitert: Nadine Angerer, die mit Deutschland zwei Welt- (2003 und 2007) sowie fünf Europameister-Titel (1997, 2001, 2005, 2009 und 2013) gewann, ist dazugestossen. Bei ihrem letzten EM-Triumph hält Angerer beim 1:0-Sieg im Final gegen Norwegen zwei Elfmeter und wird später im Jahr als erste Torhüterin überhaupt zur Weltfussballerin erkoren.
Zuletzt war Angerer acht Jahre lang Goalietrainerin bei den Portland Thorns in den USA, einem der besten Klubteams der Welt. Doch dann kam der Anruf der Schwedin und schon war es um die 46-Jährige geschehen: «Wenn Pia dich anruft, kannst du sicher nicht Nein sagen.»
In den letzten beiden Testspielen gegen Australien (1:1) und Frankreich (2:1) steht Herzog zwischen den Pfosten und macht einen guten Job. Und so machen Nadine Angerer und Patricia Gsell, ebenfalls Torhütertrainerin, nach den Spielen Nägel mit Köpfen und ernennen Herzog noch vor deren Abreise zum Verein zur neuen Nummer 1. Was hat den Ausschlag gegeben? «Elvira hat in letzter Zeit grosse Fortschritte gemacht, gerade auch was ihre Führungsqualitäten angeht. Sie hat eine super Präsenz im Strafraum, und sie coacht das Team sehr gut von hinten. Das war ein entscheidender Punkt. Das Team fühlt sich wohl mit Elvira», so Angerer.
Angerer: «…, dann gehe ich mir einen Kaffee holen»
Im Hinblick auf die Heim-EM im Sommer sei es ihnen wichtig gewesen, die Hierarchie bereits jetzt festzulegen, damit alle in ihre Rolle hereinwachsen könnten. Herzog hat aktuell 15 Länderspiele auf dem Buckel, Livia Peng 7 und Nadine Böhi noch gar keines. Herzog sei sprachlos gewesen vor Freude, berichtet Angerer und lobt gleichzeitig Peng dafür, wie sie den Entscheid akzeptiert habe. Auch im Training verhalten sich alle vorbildlich und unterstützen sich gegenseitig. Zumindest sei das ihr Eindruck, so genau könne sie das eigentlich gar nicht wissen. «Wenn sie untereinander so richtig schnell ‹Schwiizerdütsch› sprechen, ist das nicht so einfach, dann gehe ich mir einen Kaffee holen», scherzt Angerer.
Dass die Stimmung unter den Torhüterinnen so gut ist, ist zu grossen Teilen auch Angerers Verdienst. Denn die Deutsche strahlt viel Positivität aus und treibt den Kulturwandel voran. In der Schweiz sei sie auf Torhüterinnen gestossen, die «bloss keinen Fehler machen» wollten. Das sei ein kleiner Kulturschock gewesen. In den Staaten hätten alle das Ziel gehabt, «die beste Torhüterin der Welt» zu werden. Sich irgendwo in der Mitte zu bewegen, wäre wohl ideal, findet Angerer. Sie strebt deshalb auch nicht nach Perfektion: «Es wird auch in Zukunft Fehler geben, das passiert auch einem Manuel Neuer in einem EM-Viertelfinal. Wichtig ist, dass man immer weitermacht.» Die Basis dazu sei gelegt. «Ich bin sehr zufrieden bis jetzt. Aber sie sind alle noch ein bisschen zu lieb. Wir arbeiten daran, aber das kann man nicht über Nacht ändern.»
Elvira Herzog über …
… den Moment als sie erfuhr, dass sie die neue Nummer 1 ist
«Diesen Moment werde ich definitiv nie vergessen. Es bedeutet mir die Welt, dass ich von einer Fussball-Legende wie Pia Sundhage und auch von Nadine Angerer das Vertrauen geschenkt bekomme»
… ihre Ziele mit der Nati
«Ich möchte das Vertrauen zurückzahlen und beweisen, dass ich das auch verdient habe. Und ich hoffe, dass ich dem Team mit meinen Leistungen gut helfen kann und wir unsere grossen Ziele auch erreichen können.»
… ihr Verhältnis zu Konkurrentin Livia Peng
«Ich finde, wir haben im ganzen Goalie-Team eine sehr, sehr schöne Stimmung. Eine gute Mischung zwischen Ehrgeiz und gesunder Konkurrenz. Aber auch gegenseitige Unterstützung, um uns zu Top-Leistungen zu pushen, weil es natürlich dem ganzen Team hilft, wenn wir unseren Job gut machen im Training und im Spiel. Es ist wichtig, ein gesundes Gleichgewicht zu behalten.»
… den Wandel des Frauen-Fussballs
«Ich bin froh, dass wir einen super Zeugwart haben, der unsere Wäsche wascht. Als ich noch bei Köln in der Bundesliga spielte, mussten wir unser Trikot mit nach Hause nehmen und selber waschen. Das war vor drei Jahren. Das ist also noch nicht so lange her, dass man sagt: ‹Ja klar, das macht Sinn›. Daher bin ich einfach froh, dass wir da einen Schritt weiterkommen sind. Und ich habe die Hoffnung und Erwartung, dass uns zum Beispiel die EM auch diesbezüglich weiter bringt, dass solche Gedanken aus den Köpfen verschwinden. Und dass der Frauen-Fussball viel mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung bekommt. Dass sich Mädchen keine Sprüche anhören müssen und ihnen keine Steine in den Weg gelegt werden, wenn sie ‹tschutten› wollen.»
… Goalie-Trainerin Nadine Angerer
«Sie bringt extrem viel Erfahrung mit. Vor allem mentale Geschichten sind extrem spannend, weil sie natürlich auf einem absoluten Top-Niveau gespielt und performt hat. Das ist extrem wichtig und wir können alle sehr viel von ihr lernen, weil sie uns auch alles auf eine sehr angenehme Art vermittelt.»
… die Veränderungen unter Pia Sundhage
«Der grösste Punkt, der sich verändert oder entwickelt hat, ist, dass wir als Team – und auch jede einzelne Spielerin – viel mehr Selbstvertrauen haben. Man merkt, dass wir mit mehr Selbstverständnis auf den Platz gehen und sagen: ‹Klar können wir das Spiel gegen Frankreich gewinnen und klar können wir uns jetzt am Freitag mit Deutschland messen›. Die Resultate untermauern das. Ein sehr gutes Gefühl auf dem Platz, ein sehr gutes Miteinander. Da haben wir uns weiterentwickelt in diesem Jahr.»
✍️ Steckbrief Elvira Herzog
- Geburtsdatum: 5. März 2000
- Grösse: 1,79
- Position: Tor
- Verein: RB Leipzig
- Länderspiele: 15
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