Seraina Piubel wechselte im Sommer vom FC Zürich zu West Ham United. Im Nati-Camp in Pfäffikon verrät die 24-Jährige, weshalb London für sie ein gefährliches Pflaster ist und was ihr Freund für sie geopfert hat.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Seraina Piubel wechselte im September vom FC Zürich zu West Ham United.
- In England ist sie endlich Vollprofi und profitiert von erstklassigen Trainingsbedingungen. Auch in Sachen Regeneration tun sich neue Welten auf, da sie nicht mehr von frühmorgens bis Abends den Bürostuhl drückt und am nächsten Tag «völlig kaputt» aufwacht.
- In London fühlt sie sich rundum wohl. Allerdings sei es auch «eine gefährliche Stadt fürs Portemonnaie».
- Inzwischen ist Piubel in London Stammspielerin und somit auch zurück im Nationalteam. Am 29. November testet die Schweiz im Letzigrund gegen Deutschland, vier Tage später steht das Auswärtsspiel gegen England auf dem Programm.
Ende September unterschreibt Seraina Piubel einen bis Sommer 2027 gültigen Vertrag bei West Ham United. Zunächst erhält die 24-Jährige kaum Spielpraxis und wird deshalb Ende Oktober auch nicht für die Länderspiele gegen Australien (1:1) und Frankreich (2:1) aufgeboten. Natürlich sei sie enttäuscht gewesen, da sie immer dabei sein wolle. Die Zeit habe sie aber genutzt, um sich in ihrer neuen Heimat einzuleben und ihren neuen Verein besser kennenzulernen. Die Nati-Spiele habe sie aber verfolgt und sie sei stolz darauf, was ihre Teamkolleginnen geleistet hätten.
✍️ Steckbrief Seraina Piubel
- Geburtsdatum: 2. Juni 2000
- Grösse: 1,68
- Position: Mittelfeld
- Verein: West Ham United
- Länderspiele: 20
- Instagram-Profil
Inzwischen hat sich Piubel bei West Ham einen Stammplatz erkämpft und so darf sie am Montag auch ins Nati-Camp einrücken. Dies, obwohl sie noch immer Luft nach oben hat. Ihren ersten Skorerpunkt in der Premier League hat sie kürzlich knapp verpasst. Aus kürzester Entfernung schiesst sie kürzlich weit übers Tor. Wie sehr hat sie der unglaubliche Fehlschuss verärgert? «Ja, meine grosse Grosschance gegen Brighton», erinnert sich Piubel mit einem Grinsen im Gesicht, das verrät, dass sie das Ganze längst verdaut hat. «Ärgerlich», sei das gewesen. «Das erste Tor in der Liga zu erzielen, das wäre schon schön gewesen. Aber das gehört zum Fussball dazu.» Dass sie Skorerqualitäten hat, beweist sie anfangs Oktober im Cup beim 6:1-Sieg gegen das unterklassige Portsmouth. In jenem Spiel glänzt sie mit einem Tor und einem Assist.
«Ich bin mega glücklich in England»
Mit dem Wechsel vom FCZ zu West Ham hat sich für Piubel nicht nur der Wohnort geändert, sondern auch der Alltag. «Ich bin mega glücklich in England. Der Verein und das Team hat es mir auch extrem einfach gemacht. Ich bin dort wirklich schnell angekommen. Das Allerwichtigste und Allerschönste ist, dass ich jetzt Vollzeitprofi bin und jeden Tag auf dem Fussballplatz stehe und trainiere. Jetzt, wo ich das habe, merke ich wirklich, was das für ein Privileg ist.» Dass sie den Schritt ins Ausland nicht früher gewagt hat, bereue sie «nullkommanull». Im Sommer, mit dem Gewinn des Awards «Women's Super League Player of the Year» im Gepäck, habe sie sich auch wirklich bereit gefühlt für das Ausland-Abenteuer.
Wohnen tut Piubel in Stratford, also sehr zentral. Diese Art von Luxus sei ihr wichtig gewesen, deshalb habe es auch anderthalb Monate gedauert, bis sie etwas Passendes gefunden habe. «Wenn ich schon in London lebe, dann muss ich auch etwas davon haben», findet Piubel. «Jetzt bin ich mega glücklich und bin voll angekommen.» Aber natürlich ist sie nicht zu West Ham gewechselt, um auf der faulen Haut zu liegen. Auch das Training mit dem Team und die Fitnesseinheiten im Kraftraum würden ihr «extrem Spass» machen. Im Vergleich zu ihrer Zeit in Zürich sei alles ganz anders.
«Ich dachte, ich habe als Profi wahrscheinlich viel Freizeit, aber das täuscht», sagt sie und lacht. «Ich stehe am Morgen auf und gehe aufs Areal und trainiere.» Und dann doch: «Momentan bin ich noch begeistert, wenn ich London anschauen kann. Alles wird man nie sehen, aber ich glaube, das ist eine Stadt für mich. Eine gefährliche Stadt.» (lacht) Was macht den Reiz aus? «Die Stadt lebt einfach. Du siehst alles Mögliche und hast überall Läden. Und darum sage ich, es ist gefährlich fürs Portemonnaie.»
Da hilft es natürlich, dass sie die Miete für die Wohnung nicht alleine stemmen muss. Denn wie Piubel verrät, ist ihr Freund mit ihr nach London gezogen. Seiner weltoffenen Firma sei Dank, die ihm ermöglicht, im Homeoffice zu arbeiten. Im Januar werde er dann wohl auch anfangen, irgendwo zu «tschutten». In der Schweiz spielte ihr Freund bei YF Juventus in der 1. Liga Classic. «Er hat meinetwegen aufgehört. Jetzt seht ihr mal, das können sogar Männer für Frauen machen», sagt Piubel und lacht laut heraus.
Piubel über ihre Fortschritte nach dem Wechsel
Sie habe das Gefühl, dass sie auch schon Fortschritte gemacht habe in England, was sie vor allem den Rahmenbedingungen zuschreibt. «Es ist einfach eine komplett andere Belastung. Ich meine, hier in der Schweiz bin ich den ganzen Tag im Büro gesessen und dann erst ins Training gegangen. Am Abend war ich völlig kaputt und am Morgen musste ich wieder um 6 Uhr aufstehen. Das ist einfach ganz anders. Bei West Ham bist du um 16 Uhr fertig und dann kannst du einfach noch regenerieren und etwas machen, um den Kopf abzuschalten. Das ist extrem wichtig. Dann bist du am nächsten Tag auch wieder 100 Prozent bereit, um das Training zu machen.»
Neu ist auch, dass sie nicht mehr gefühlt jedes Wochenende als Siegerin vom Platz geht, denn mit West Ham ist sie aktuell im zweitletzten Rang klassiert. Doch Piubel sieht das gar nicht nur negativ: «Ich habe jahrelang um den Titel gekämpft, jetzt muss ich schauen, dass ich in der Liga bleibe. Ich glaube, das sind Erfahrungen, die man sammeln kann. Das ist ein anderer Druck, mit dem man auch umgehen können muss. Von daher ist es gut, diese Sicht zu erleben.» Und sie sei zuversichtlich, dass sie sich noch weiter vom Tabellenende entfernen würden.
Ganz anders ist in England auch das Interesse der Medien und der Zuschauerauflauf. Während in der Schweiz nur spärlich über die Liga berichtet und die Spiele meist nur in den Tiefen des Internets in unkommentierten Live-Streams zu sehen sind, bietet BBC nach Spieltagen jeweils in der Sendung «The Women's Football Show» das volle Programm mit allen Highlights, Analysen und Experten-Stimmen. Bei ihrem Debüt blieb Piubel beinahe die Spucke weg, da lief sie beim Auswärtsspiel gegen Manchester United im altehrwürdigen Old Trafford auf vor weit über 10'000 Fans. Der Zuschauerschnitt im Heerenschürli, dem mit giftgrünen Gittern umzäunten Heim-Stätte der FCZ-Frauen, liegt in dieser Saison laut den Zahlen von «weltfussball.com» bei 403.