Deutsche Aussenministerin in Syrien Neuer Machthaber verweigert Baerbock Handschlag

tcar

3.1.2025 - 18:59

Aussenministerin Baerbock und ihr französischer Amtskollege Jean-Noël Barrot sind die ersten EU-Aussenminister, die seit dem Sturz von Langzeitherrscher al-Assad nach Damaskus gereist sind.
Aussenministerin Baerbock und ihr französischer Amtskollege Jean-Noël Barrot sind die ersten EU-Aussenminister, die seit dem Sturz von Langzeitherrscher al-Assad nach Damaskus gereist sind.
Bild: Jörg Blank/dpa

Aussenministerin Annalena Baerbock und ihr französischer Kollege Jean-Noël Barrot reisen nach Damaskus. Es ist eine grosszügige Geste. Aber einen Handschlag erhält Baerbock nicht.

DPA, tcar

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  • Deutschlands Aussenministerin Annalena Baerbock und ihr französischer Kollege Jean-Noël Barrot sind nach Damaskus gereist.
  • Der syrische De-facto-Herrscher Ahmed al-Scharaa hat die Deutsche nicht per Handschlag begrüsst.
  • Baerbock sagte dazu auf Nachfrage einer Journalistin, sie habe in dem Gespräch mit al-Scharaa sehr deutlich gemacht, dass Frauenrechte sehr wichtig für eine freie Gesellschaft sind.

Aussenministerin Annalena Baerbock hat bei ihrem Besuch in Damaskus auf einen Handschlag von De-facto-Herrscher Ahmed al-Scharaa verzichten müssen.

«Schon als ich angereist war, war mir jedenfalls klar, dass es hier offensichtlich nicht gewöhnliche Handschläge geben wird», sagte die Grünen-Politikerin auf die Frage einer Journalistin. Aber ebenso klar habe man den islamistischen Gastgebern gemacht, dass man diese Praxis missbillige, so Baerbock.

Baerbock stellt Syrien Hilfe in Aussicht – Aber nicht für Islamismus

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STORY: Hinweis: Dieser Beitrag wird ohne Sprechertext gesendet. O-Ton Annalena Baerbock (Grüne), Bundesaussenministerin: «Die jahrelange Gewalt hat tiefe, tiefe Narben hinterlassen. Es braucht jetzt einen politischen Dialog unter Einbeziehung aller ethnischen und religiösen Gruppen, unter Einbeziehung aller Menschen, das heisst insbesondere auch der Frauen in diesem Land. Sie alle müssen am Verfassungsprozess und in einer zukünftigen syrischen Regierung beteiligt werden. Denn gerade auch in dieser Region weiss man: Frauenrechte sind der Gradmesser für eine Gesellschaft, wie frei das Leben für alle ist. Das haben wir heute den Verantwortlichen hier in Damaskus auch deutlich gesagt. Es war wichtig zu hören, dass sie dies verstanden haben. Europa wird unterstützen. Aber Europa würde nicht Geldgeber neuer islamistischer Strukturen sein. Das ist nicht nur in unserem eigenen Sicherheitsinteresse, sondern das ist auch all das, was ich immer wieder von den vielen, vielen Menschen aus Syrien in Deutschland, aber auch mit vielen Syrern hier in der Region, zuletzt in der Türkei und heute auch hier in Damaskus gehört habe. Es ist vollkommen klar, dass sie ihr Land nur wieder aufbauen können, dass die Menschen, die auch in Europa aus Syrien zu uns gekommen sind, überhaupt nur wieder zurückgehen würden und wieder aufbauen, wenn sicher ist, dass nicht nur ihr Leben, sondern gerade auch das Leben ihrer Kinder, ihrer Töchter sicher und frei ist.»

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Der französische Aussenminister Jean-Noël Barrot, mit dem sie im Auftrag der EU nach Damaskus gereist war, habe seine Hand ebenfalls nicht zum Handschlag ausgestreckt.

Vor allem habe man im Gespräch klargemacht, dass Frauenrechte ein Gradmesser dafür seien, wie frei eine Gesellschaft ist, sagte Baerbock. Ganz so schwierig habe da am Ende des Gesprächs ein Handschlag nicht mehr gewirkt. Aus Delegationskreisen war zu hören, dass al-Scharaa am Ende des Gesprächs noch mal die Hand ausgestreckt habe, es dann aber nicht mehr zu einem Handschlag gekommen sei.

Al-Scharaa, Anführer der islamistischen Rebellengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS), hatte Baerbock und Barrot im früheren Palast des vor rund vier Wochen gestürzten Langzeit-Machthabers Baschar al-Assad in der Hauptstadt Damaskus empfangen. Während der Islamist Baerbock nicht per Handschlag begrüsste, streckte er Barrot die Hand entgegen. Nachdem der Franzose zunächst zur Begrüssung seine rechte Hand auf die Herzgegend gelegt hatte, ergriff er dann doch kurz die Hand al-Scharaas.

Baerbock in Syrien: Gespräche über Neuanfang

Baerbock in Syrien: Gespräche über Neuanfang

STORY: Bundesaussenministerin Annalena Baerbock und ihr französischer Kollege Jean-Noel Barrot sind am Freitag im Auftrag der Europäischen Union (EU) nach Syrien gereist. Knapp einen Monat nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Baschar al-Assad wollen sie in der Hauptstadt Damaskus mit der neuen Führung über den politischen Neuanfang des Landes sprechen. Am Nachmittag gab es ein Treffen mit dem De-facto-Machthaber Ahmed al-Scharaa von der islamistischen HTS-Miliz, die noch auf der Terrorliste der EU steht. Auch ein Besuch des berüchtigten Sednaya-Gefängnisses stand auf dem Programm. Es galt während der Herrschaft Assads als Sinnbild für die Unterdrückung der Opposition. Hunderttausende wurden während des gut 13-jährigen Bürgerkriegs in syrischen Gefangenenlagern festgehalten. Viele kamen ums Leben. Von manchen fehlt bis heute jede Spur. Als die syrischen Aufständischen Anfang Dezember Richtung Damaskus vorrückten, gehörten die Gefängnisse oft zu ihren ersten Zielen. Baerbock und Barrot sind die ersten EU-Minister, die Syrien nach dem Machtwechsel besuchen. Baerbock erklärte, sie komme mit ausgestreckter Hand, aber auch mit klaren Erwartungen an die neue Führung. Am 8. Dezember hatten Aufständische unter der Führung der HTS nach einer nur wenige Tage dauernden Offensive die Kontrolle über Damaskus übernommen und die jahrzehntelange autokratische Herrschaft der Familie Assad beendet. Die in der Vergangenheit mit Al-Kaida und dem Islamischen Staat verbündete Organisation demonstriert seitdem Mässigung und den Willen, sämtliche Gruppen des Vielvölkerstaats Syrien zu respektieren. Daran gibt es jedoch Zweifel. Westliche Staaten haben dennoch zunehmend die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der HTS signalisiert.

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Der frühere Leiter der Stiftung Wissenschaft und Politik, Volker Perthes, bewertete den verweigerten Handschlag als schlechtes Zeichen. «Das ist nicht gut, auch wenn wir das aus anderen Ländern kennen, wo extrem konservativ-islamische Männer an der Macht sind: Iran etwa und bis vor einiger Zeit auch Saudi-Arabien», sagte Perthes dem «Stern». Er fügte hinzu: «In Syrien gehört das nicht zur Tradition. Ich hoffe, dass al-Sharaa dafür auch in Syrien kritisiert werden wird.»