blue Sport mit Servette im Krisengebiet «Ich bin hier in einer Stadt, die wirkt, als wäre es 1990»

Von Toby Benz und Martin Abgottspon

26.10.2023

In Tiraspol wird trotz des Kriegs weiterhin Fussball gespielt.
In Tiraspol wird trotz des Kriegs weiterhin Fussball gespielt.
Imago

In der Ukraine und Russland wird noch immer kein Fussball gespielt. Dafür im Krisengebiet Transnistrien, wo Servette heute Abend zu Gast ist. blue Sport Kommentator Alain Rohrbach berichtet über die komplizierte Anreise und die Stimmung in der von Moldawien abtrünnigen Region.

Von Toby Benz und Martin Abgottspon

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Vor zwei Jahren erreichte Sheriff Tiraspol internationale Bekanntheit durch den Sieg gegen Real Madrid in der Champions League.
  • Servette Genf und Sheriff Tiraspol haben in der aktuellen Europa-League-Saison noch keine Punkte erzielt und stehen vor einem wichtigen Spiel.
  • blue Sport Kommentator Alain Rohrbach schildert, wie der Fussball in Krisenzeiten über die Bühne geht und wie anstrengend seine Anreise war.

Vor ziemlich genau zwei Jahren erstrahlte der Stern von Sheriff Tiraspol am internationalen Fussball-Himmel so hell wie nie. Der moldawische Klub schaffte damals den Sprung in die Champions League und bezwang in der Gruppenphase tatsächlich den haushohen Favoriten Real Madrid mit 2:1.

Am Donnerstag ist der Gegner mit Servette Genf nicht ganz so prestigeträchtig, dafür das Resultat umso wichtiger. In der Gruppe G stehen die beiden Teams nach zwei Spielen noch ohne Punkte da. Höchste Zeit also für den ersten Sieg in der diesjährigen Europa League. Für das Schweizer Team eine nicht ganz so alltägliche Aufgabe, wie die Erfahrungen von blue Sportkommentator Alain Rohrbach aus Transnistrien zeigen.

Viele Ukrainer, viel russisches Militär

«Eigentlich bist du in Moldawien, aber irgendwie eben auch nicht», schildert Rohrbach die Ankunft in Tiraspol. Die Stadt mit seinen knapp 150'000 Einwohnern liegt zwar in Moldawien, ist aber die Hauptstadt der abtrünnigen Region Transnistrien an der Grenze zur Ukraine, die sich 1990 unabhängig erklärte. Gestützt wird sie durch Russland.

Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine kam es in der Region zu mehreren Bombenanschlägen. Die Regierung versucht sich neutral zu verhalten, kontrolliert wird das Gebiet aber von Russland.

«Es hat viele Ukrainer hier. Aber an jeder Ecke stehen russische Militärs», erzählt Alain Rohrbach, der die Partie Sheriff – Servette am Donnerstagabend live aus Tiraspol für blue Sport kommentiert. «Ich bin hier in einer Stadt, die wirkt, als wäre es 1990. Die Kommunikation mit dem Handy ist sehr, sehr schlecht und es ist alles sehr alt. Die elektrischen Kabel beispielsweise hängen überall noch durch die Luft.»

Auch die Einreise sei mühsam gewesen. Trotz Sondereinladung des Fussballklubs Sheriff Tiraspol wurde Rohrbach für lange Zeit am Checkpoint aufgehalten. «Es ist nicht alles so einfach hier. Aber die Leute sind sehr freundlich, nett und hilfreich. Auch seitens des Vereins.»

Als der Sheriff-Coach in den Krieg ziehen musste

Das ist keine Selbstverständlichkeit. Erst recht nicht, wenn man bedenkt, was der Verein intern in den letzten Jahren alles durchmachen musste. So verlor der Klub 2022 auch seinen Erfolgstrainer Yuriy Vernydub. Dieser musste sich in seine ukrainische Heimat aufmachen, um gegen die russische Armee zu kämpfen.

Zurück liess er eine Stadt im gefühlten Niemandsland. Ein Ort, wo es eigene Nummernschilder gibt, eine eigene Währung, und Gerüchte, dass die Ukraine den Präsidenten der Republik ermorden wollte. Autonom, Russland-orientiert und eingeklemmt zwischen zwei EU-Kandidaten – es gab schon idealere Voraussetzungen für ein Europa-League-Gruppenspiel.