Kommentar Wieso die 0:10-Klatsche der U20-Nati auch ein Denkzettel ist

Von Luca Betschart

30.12.2020

Voller Einsatz von Goalie Noah Patenaude und Noah Meier, dennoch setzt es gegen Kanada eine bittere Pleite ab.
Voller Einsatz von Goalie Noah Patenaude und Noah Meier, dennoch setzt es gegen Kanada eine bittere Pleite ab.
Bild: Keystone

Die U20-WM in Kanada gleicht einer Zweiklassengesellschaft, zu gross sind die Unterschiede zwischen den Auswahlen einzelner Nationen. Die Schweiz droht dabei den Anschluss an die Weltspitze zu verlieren – und ein Warnsignal zu ignorieren.

Gleich mit 0:10 wird die Schweizer U20-Nati in der Nacht auf Mittwoch in Edmonton von WM-Gastgeber Kanada abgeschlachtet, Spannung kommt zu keinem Zeitpunkt auf. Zwar halten die «Eisgenossen» den Schaden bis zur ersten Pause (0:1) in Grenzen, im Anschluss ist gegen die überlegenen Kanadier aber kein Kraut mehr gewachsen.

«Das ist eine Blamage», wählt Captain Simon Knak deutliche Worte. Auch Trainer Marco Bayer zieht eine düstere Bilanz: «Wir sind uns dieses Niveau nicht gewohnt. Die Differenz war zu gross. Wir waren vom Tempo der Kanadier überfordert, unser Puckmanagement war überhaupt nicht gut. Das Resultat spiegelt das wider.»



Der schwere Stand von Schweizer Talenten

Es ist nicht die erste Partie, die von einem zu hohen Niveau-Unterschied zwischen zweier Auswahlen geprägt wird. Deutschland ging gegen Kanada gar mit 2:16 unter, Österreich verlor nach der 0:11-Pleite gegen die USA auch gegen Russland diskussionslos mit 1:7. Nicht unbedingt eine wünschenswerte Tendenz, die sich abzeichnet.

Da lohnt sich ein Blick zurück auf die U20-WM von 1998. Überraschend kann die Schweiz da mit den ganz grossen Hockey-Nationen mithalten und holt sich am Ende gar die Bronzemedaille. Allerdings haben zahlreiche Spieler in diesem Team zu dem Zeitpunkt bereits einen Stammplatz in der National League. Talente wie Reto von Arx oder Michel Riesen dürfen früh viel Spielpraxis auf höchstem nationalem Niveau sammeln. Wohl auch, weil damals nur zwei Ausländer pro Mannschaft erlaubt waren.

Im Unterschied zu heute, wo auch die grössten Schweizer Talente einen schweren Stand haben – auch im internationalen Vergleich. Bei Finnland weisen 20 Spieler der aktuellen Auswahl bereits Einsätze in der höchsten Liga auf, bei den Schweden sind es immerhin deren 15. In der Schweizer Nati dagegen gibt es nur Ambris Verteidiger Rocco Pezzullo und HCD-Stürmer Simon Knak, die in der National League bereits mitmischen. Eine Randnotiz: Finnland sicherte sich 2014, 2016 als auch 2019 den U20-WM-Titel.

Eine Ausländeraufstockung und ihre Folgen

Keinesfalls macht die Schweiz in der Nachwuchsförderung alles falsch. Erst 2019 prescht die eidgenössische Auswahl unter Trainer Christian Wohlwend in den Halbfinal vor – obwohl damals nur Janis Moser, Sven Leuenberger, David Barandun und Tim Berni in ihren National-League-Klubs einen Stammplatz vorzuweisen haben. Genau in diesem Bereich gibt es also noch viel Luft nach oben, um die besten Schweizer Junioren noch früher an das internationale Niveau heranzuführen.



Es sei denn, die Klubs halten am Vorhaben der Ausländeraufstockung fest. Im Zuge einer Ligareform steht die Option im Raum, ab der Saison 2022/23 pro Mannschaft ganze zehn (statt wie bisher vier!) Ausländer zu erlauben – mit möglicherweise fatalen Folgen.

Die Chancen auf Einsatzzeiten für die Nachwuchstalente, deren Ausbildung die Klubs Millionen kostet, würden noch kleiner. Der Unterschied zur internationalen Konkurrenz dagegen dürfte dann noch wachsen. Nicht auszumalen, wie viele Gegentore die U20-Nati in diesem Fall bei der WM 2030 kassieren würde. Das «Stängeli» gegen Kanada ist so auch als Warnsignal zu deuten – und ist womöglich erst der Anfang.

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