Nico Hischier nutzt die spezielle Zeit, um die Rekrutenschule zu absolvieren. Er findet in Magglingen Topbedingungen vor, um sich auf die neue NHL-Saison vorzubereiten – wann immer diese auch beginnt.
Wangen an der Aare. Hischier wird mit Verspätung militärisch eingekleidet. Zwar begann die 18 Wochen dauernde RS bereits am 14. April, das Einrücken in die Kaserne war jedoch aufgrund des Coronavirus nicht möglich. Stattdessen fand eine theoretische Ausbildung übers Internet statt. Das Gelernte wurde mit Tests überprüft, die Hischier alle bestand.
Allerdings wäre der Nummer-1-Draft von 2017 am 14. April ohnehin nicht eingerückt, hätte doch an diesem Tag die Vorbereitung auf die Heim-WM in Zürich und Lausanne begonnen. Hischier wäre in dieser wohl von Anfang an dabei gewesen, da die New Jersey Devils schon früh aus dem Playoff-Rennen ausschieden. Doch genug des Konjunktivs.
Hischier sah den Militärdienst als Pflicht. Deshalb absolvierte er im vergangenen Jahr die Rekrutierung. «Es war für mich immer eine Option, in diesem Sommer die RS zu machen», sagt der Center. Doch es war nicht klar wie. Die Corona-Krise bot nun die ideale Gelegenheit dazu. «Ich finde es super, dass es so gut aufgegangen ist.»
«Es ist die perfekte Lösung»
Seit dem 11. Mai befindet sich 21-jährige Walliser an der Eidgenössischen Hochschule für Sport Magglingen. «Hier oben hat es alles, was es für eine gute Vorbereitung braucht. Es ist die perfekte Lösung», so Hischier. Pro Tag stehen zwei Trainings auf dem Programm, zudem gab es Inputs von einem Ernährungsberater und von einem Mentaltrainer. Ausserdem sind viele andere Eishockeyspieler dort, so auch sein beim HC Davos tätiger Bruder Luca, der einen dreiwöchigen WK bestreitet. «Es ist sozusagen ein Zusammenzug», sagt Hischier.
Die lange Vorbereitungszeit will er dazu nutzen, um ein «gutes und kontrolliertes Sommertraining zu machen.» Das Thema Muskelzuwachs ist er müde, «das wird seit drei Jahren angesprochen. Klar schaden ein paar Kilos mehr nicht. Schlussendlich muss ich mich aber auf dem Eis gut bewegen und mich wohl fühlen.» Es mache keinen Sinn, jeden Tag wie ein Bodybuilder zu trainieren und den Rest zu vernachlässigen. «Das will ich nicht.»
Zudem ist er mit seiner Entwicklung in der NHL zufrieden. «Ich konnte mich in ein paar Sachen verbessern, körperlich, beim Bully, ich fühle mich vor dem Tor wohler. Je länger du in der Liga spielst, umso mehr verstehst du sie. Ich weiss nun, welche Spieler was gut machen und kann mich dadurch gut anpassen.» Im vergangenen Herbst unterschrieb Hischier bei New Jersey einen neuen Vertrag über sieben Jahre mit einer Gesamtlohnsumme von 50,75 Millionen Dollar. Er will helfen, die Devils wieder zu einem Topteam zu machen. «Wir haben viele junge Spieler und gute Typen in der Mannschaft», so Hischier.
Keine Playoffs für die Devils
Warum stellte sich in der unterbrochenen Saison der Erfolg nicht ein? «Wir verschliefen den Start komplett. Es klappte nicht mit den Linien, mit dem System. Wir gaben zu oft im letzten Drittel einen Vorsprung preis. Und wenn du den Start verschläfst, dann ist es schwierig.» So gewannen die Devils bloss 28 von 69 Spielen, weshalb die Meisterschaft für New Jersey auch bei einer Fortsetzung zu Ende ist – es soll in einem Format mit direkten Playoffs und 24 Teams weitergespielt werden.
Das ist aber die einzige Sicherheit, die Hischier hat. Denn es steht in den Sternen, wann die neue Saison beginnt. Das kann auch erst im Dezember der Fall sein. «Die Ungewissheit ist schon etwas mühsam und komisch. Ich will einen guten Aufbau machen, weiss aber nicht, wann es losgeht, das erschwert die Planung», erklärt Hischier. Das führe dazu, dass er zwischendurch spontan entscheiden müsse, wann was besser sei. Sein erstes Training auf dem Eis bestritt er am vergangenen Freitag in Burgdorf, später wird er sich nach Möglichkeit wieder dem SC Bern anschliessen. Klar ist für ihn, dass er so lange wie möglich in der Schweiz bleiben will. «Es gibt sicher eine Lösung, schliesslich bin ich nicht der einzige europäische Spieler mit diesem Problem.»
Die derzeitigen Geschehnisse in seiner zweiten Heimat USA verfolgt Hischier mit Bedauern. Er unterstützt die Proteste und Aufrufe bezüglich des Rassismus. Es sei aber wichtig, «dass die Leute darüber lesen, um zu verstehen, um was es geht, und nicht einfach Bilder reposten oder Schilder machen.» Es könne nicht sein, dass die Situation dazu ausgenutzt werde, um Sachen kaputt zu machen. Hischier ist auf jeden Fall froh, in der Schweiz zu sein. Er kehrte bereits bei erster Gelegenheit am 20. März zurück. «Ich habe schon lange nicht mehr so viel Zeit mit der Familie und meinem Bruder im Wallis verbracht. Das war das Positive an der ganzen Situation», sagt Hischier. Ohnehin ist für ihn das Glas immer halbvoll, ist er keiner der jammert.