Im letzten Sommer hat Paris St. Germain alles auf eine Karte gesetzt, um sich den Traum von der Champions League endlich erfüllen zu können. Jetzt ist man auf den Boden der Realität zurückgekehrt. Das erneute Versagen war aber durchaus absehbar.
Nach vielen Jahren voller Enttäuschungen in der Champions League kam PSG seinem Traum vom Gewinn des Henkelpotts in den letzten beiden Saisons sehr nahe. 2020 verlor man erst im Final knapp gegen Bayern München, letztes Jahr war gegen Manchester City im Halbfinal Endstation.
Dieses Jahr sollte es endlich klappen. Und dafür griffen die Pariser ganz tief in die Tasche und vollzogen im Sommer einen Transferangriff, der seinesgleichen sucht. Lionel Messi, Sergio Ramos, Gianluigi Donnarumma, Georginio Wijnaldum, Achraf Hakimi, Danilo Pereira und Nuno Mendes unterschrieben alle in der französischen Hauptstadt.
PSG wurde dafür gefeiert, dass man Superstars wie den sechsfachen Weltfussballer Messi, den vierfachen Champions-League-Sieger Ramos und Europameister-Goalie Donnarumma ablösefrei verpflichten konnte. Dass sie alle Monstergehälter beziehen und so am Ende des Tages doch teurer sind als der eine oder andere gekaufte Neuzugang, fand kaum Erwähnung.
Überzeugen konnten die neuen Superstars bislang nicht. Messi hinkt seiner Barça-Form weit hinterher und wirkt bei PSG oft wie ein Schatten seiner selbst. Ramos hat wegen einer Wadenverletzung erst fünf Spiele bestritten. Und Donnarumma leitete das Achtelfinal-Aus gegen Real am Mittwoch mit seinem folgenschweren Bock vor dem 1:1 ein.
Sagenhaftes Missmanagement
Vor der Saison galt PSG als grosser Favorit auf den Champions-League-Titel. Jetzt ist im Achtelfinal schon Endstation. Obwohl der Ligue-1-Leader über die zwei Spiele gesehen besser war als Real. Doch was zwischen der 76. und 78. Minute im Rückspiel passiert ist, spricht Bände. Rund zehn Sekunden nach dem Anstoss, nach dem 1:2, kassiert PSG das 1:3. Sowas passiert, wenn die Köpfe hängen gelassen werden. Weil in der Mannschaft Leader fehlen, welche die Teamkollegen auch wachrütteln können.
Leader wie ein Thiago Silva. Der Brasilianer musste den Verein 2020 nach dem verlorenen Champions-League-Final verlassen. Gegen seinen Willen. PSG wollte mit dem damals 35-Jährigen nicht verlängern. Also zog es Silva zu Chelsea – und nur wenige Monate später triumphierte er mit den Londonern in der Königsklasse. An der Seite von Trainer Thomas Tuchel, den PSG Ende 2020 ebenfalls in die Wüste schickte – und das heute wohl zutiefst bereut. Tuchel wurde nur ein Jahr nach seiner Entlassung in Paris von der UEFA zum Trainer des Jahres gekürt.
Tuchel und Silva sind nur zwei Beispiele des gewaltigen Missmanagements bei Paris Saint Germain. Das zeigen auch die zahlreichen Talente, die in den vergangenen Jahren in Paris ausgebildet und dann zum Spottpreis abgegeben wurden. Lieber kauft man einen gemachten Superstar, statt auf Junge zu setzen und sich so ein Team zu bauen. Kingsley Coman (Bayern München), Christopher Nkunku (Leipzig), Moussa Diaby (Leverkusen) – um nur drei zu nennen – starten bei ihren neuen Teams so richtig durch, erhielten bei PSG in jungen Jahren aber kaum eine Chance.
Geld spielt beim Klub des katarischen Besitzers Nasser Al-Khelaifi natürlich keine grosse Rolle. Trotzdem lässt sich auch in Zahlen ausdrücken, wie schlecht PSG in Sachen Spielerkäufen- und Verkäufen wirtschaftet. Für die teuersten acht Neuzugänge in der Vereinsgeschichte zahlte PSG gemäss «Transfermarkt» ingesamt mehr als 700 Millionen Euro. Drei von ihnen (Edinson Cavani, David Luiz und Thiago Silva) sind mittlerweile wieder weg. Sie wurden allesamt ablösefrei abgegeben.
Zwei weitere Spieler dieser Top 8 (Kylian Mbappé und Angel di Maria) haben auslaufende Verträge. Und Neymar, Achraf Hakimi und Mauro Icardi werden auch kaum teurer verkauft, als sie es bei der Ankunft waren. Rekord-Abgang von PSG ist übrigens Gonçalo Guedes, den man 2018 für 40 Millionen Euro nach Valencia abgab – für ein Transferplus von 10 Millionen.
Mbappé vor dem Abgang
Aber die wohl grösste Transfer-Niederlage der Geschichte steht erst noch bevor. Kylian Mbappé, den man vor vier Jahren für 145 Millionen Euro holte, wird den Verein aller Voraussicht nach im Sommer verlassen – ablösefrei. PSG hat es verpasst, den wertvollsten Spieler der Welt («Transfermarkt» schätzt Mbappés Wert auf 160 Millionen Euro) rechtzeitig zu verkaufen.
Im letzten Sommer bot Real Madrid 180 Millionen für den Weltmeister von 2018. Mbappé wollte gehen, doch PSG lehnte ab – und scheitert jetzt mit jedem neuen Vertragsangebot beim 23-Jährigen, dessen Kontrakt am 30. Juni auslaufen wird. Mbappés Wechsel zu Real Madrid ist zwar noch nicht offiziell, gilt aber als sicher.
Nach Mbappés Abgang wird die Situation für PSG natürlich nicht einfacher. Das Starensemble wird zwar auch dann noch genug stark sein, um die Ligue 1 zu gewinnen. Doch die grossen Namen kommen langsam auch in die Jahre. Messi wird 35, Ramos 36 – und auch Neymar hat mittlerweile 30 Jahre auf dem Buckel.
Der nächste grosse Umbruch ist bei PSG – zumindest in der Offensive – wohl nicht mehr allzu weit entfernt. Die Klubführung ist aber gut beraten, sich endlich ein Team zusammenzukaufen, statt etliche Superstars, die in erster Linie für sich selbst spielen. Sonst ist der allererste Champions-League-Titel noch Lichtjahre entfernt.