Rätsel um ManCity Geheime Regierungsgespräche, Milliarden-Zahlungen und 115 Anklagepunkte

tbz

6.11.2023

Scheich Mansour bin Zayed bin Sultan Al Nahyan, Besitzer von Manchester City.
Scheich Mansour bin Zayed bin Sultan Al Nahyan, Besitzer von Manchester City.
Bild: IMAGO/PA Images

Manchester City steht für überragenden Fussball, unterhält einen der talentiertesten Kader überhaupt und hat mit Pep Guardiola den vielleicht besten Taktiker an der Seitenlinie. Aber Moment, da war doch was?

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Manchester City sieht sich in England mit 115 Anklagepunkten konfrontiert. Im schlimmsten Fall droht dem durch die Vereinigten Arabischen Emirate kontrollierten Verein die Zwangsrelegation.
  • Die Ermittlungen gegen den Verein schlagen ihre Wurzeln in den «Football Leaks»-Affären von 2018. Nachdem ein Schuldspruch seitens der UEFA im Jahr 2020 durch das CAS aufgehoben wurde, droht nun die Verurteilung durch die Premier League.
  • Möglicherweise hat auch die britische Regierung ihr letztes Wort noch nicht gesprochen. Sie unterhält positive Beziehungen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten. Es geht um Zahlungen in Höhe von zehn Milliarden Pfund. Zu geheimen Gesprächen will Grossbritannien keine Auskunft geben.

Am Dienstag um 21.00 Uhr ist es so weit: Im vierten Champions-League-Gruppenspiel treten die Berner Young Boys zum vielleicht schwierigsten Spiel im Weltfussball an. Seit dem 1:2 gegen Olympique Lyon am 19. September 2018 hat Manchester City kein Champions-League-Spiel im heimischen Etihad Stadium verloren. Zuletzt gab es in 27 Spielen 25 Siege für den englischen Meister. Nicht die besten Aussichten für YB.

Doch während das Image der Skyblues auf dem Platz von Spiel zu Spiel grösser wird, so hat es daneben schon länger seinen Glanz verloren. Seit Jahren werden Manchester City zahlreiche Verstösse gegen das Financial Fairplay vorgeworfen. Die englische Premier League ermittelt in 115 Fällen. Die möglichen Strafen reichen von Punkteabzügen bis hin zum Zwangsabstieg. Wann endlich ein Entscheid fällt, ist seit Jahren unklar.

Von der UEFA verurteilt, vom CAS freigesprochen

So richtig ungemütlich wird es für Manchester City im Jahr 2018. Damals enthüllt «Der Spiegel» in Zusammenarbeit mit dem Recherchenetzwerk EIC (European Investigative Collaborations) und dem portugiesischen Fussball-Whistleblower Rui Pinto rund 70-Millionen-Football-Leaks-Dokumente.

Die Unterlagen decken Gier, Lügen und geheime Hinterzimmer-Deals im Fussballgeschäft auf. Mitten drin: Manchester City und deren berüchtigte Besitzerfamilie aus Abu Dhabi. Sofort leitet die UEFA Ermittlungen ein. 2020 spricht sie den englischen Klub wegen «grober Verstösse» gegen das Financial Fairplay schuldig. In erster Linie geht es um aufgeblasene Sponsoring-Zahlungen, die das Einkommen des Klubs künstlich aufwerten. Manchester City wird für zwei Jahre aus der Champions League ausgeschlossen.

Die Engländer ziehen das Verfahren weiter vor den Internationalen Sportgerichtshof in Lausanne (CAS) und erhalten dort vor einem dreiköpfigen Richterpanel Recht. Der Entscheid wird kritisiert, weil zwei der drei Richter vom englischen Klub empfohlen werden durften. Es bleibt aber dabei: Die von der UEFA verhängte zweijährige Champions-League-Sperre wird aufgehoben.

Eine Medaille mit Beigeschmack. Wäre es nach der UEFA gegangen, hätte Manchester City eine zweijährige Champions-League-Sperre absitzen müssen.
Eine Medaille mit Beigeschmack. Wäre es nach der UEFA gegangen, hätte Manchester City eine zweijährige Champions-League-Sperre absitzen müssen.
Bild: Keystone

Premier League ermittelt seit vier Jahren

Drei Jahre später folgt der Paukenschlag in der Premier League. In einem Statement im Februar 2023 erhebt die englische Liga in 115 Punkten Anklage gegen den Klub aus Manchester. Die Vorwürfe sind ähnlich. Im Vordergrund stehen Sponsoring-Zahlungen, die nicht von den entsprechenden Partnern, sondern von der Besitzerfamilie aus Abu Dhabi getätigt worden sein sollen.

Darüber hinaus wird der Klub beschuldigt, Informationen zurückgehalten und nicht mit den Ermittlern zusammengearbeitet zu haben. Wie die britische Sportzeitung «The Athletic» berichtet, liefen die Untersuchungen, die zur Anklage führten, seit mehr als vier Jahren.

Im Falle eines Schuldspruchs könnten saftige Strafen auf die Citizens warten. Neben horrenden Bussen hätte die Premier League die Möglichkeit, dem Klub in der aktuellen oder in vergangenen Spielzeiten Punkte abzuziehen. Das wiederum könnte den Entzug von Titeln zur Folge haben. Im schlimmsten Fall droht gar die Zwangsrelegation oder der Ausschluss aus der Premier League.

Wann ein Urteil gefällt wird, lässt sich noch nicht sagen. Britische Zeitungen gingen zu Beginn des Jahres von einem «mehrmonatigen» Unterfangen aus. Klar ist: Manchester City kann auch diesen Entscheid anfechten. Dann würde sich ein weiteres unabhängiges Gericht dem Fall annehmen und diesen noch einmal neu aufrollen. Die Möglichkeit, das Urteil erneut an den Internationalen Sportgerichtshof nach Lausanne zu ziehen, gibt es in England aber nicht. Auch die Richter dürfen laut britischem Recht nicht durch den angeklagten Klub ausgewählt werden.

Geheime Regierungsgespräche

Dennoch gibt sich Manchester City siegessicher. Man sei überrascht über die Anklage, habe aber umfangreiche und unwiderlegbare Beweise, hiess es im Frühjahr in einem Statement. Was den Skyblues zudem in die Karten spielen könnte, sind die diplomatischen Beziehungen zwischen Grossbritannien und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Der Eigentümer des Vereins, Scheich Mansour, ist Vizepräsident und stellvertretender Premierminister der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Sein Bruder, Scheich Mohamed bin Zayed Al Nahyan, ist der Präsident der VAE. Manchester City hat in der Vergangenheit immer wieder betont, dass der Verein nicht in staatlichem Besitz ist und auch nicht durch die Emirate finanziert wird.

Scheich Mansour (Mitte) bei einem seiner seltenen Auftritte am Champions-League-Finale in Istanbul. 
Scheich Mansour (Mitte) bei einem seiner seltenen Auftritte am Champions-League-Finale in Istanbul. 
Bild: IMAGO/PA Images

Wie die britische Regierung im September zugab, hat sich ihre Botschaft in Abu Dhabi sowie das Foreign Commonwealth & Development Office (FCDO) mit dem Verfahren gegen Manchester City befasst. Daraufhin forderte «The Athletic» unter Berufung auf den Freedom of Information Act Einsicht in die Gespräche zwischen der FCDO in London und der britischen Botschaft.

Die Anfrage wurde von der britischen Regierung abgelehnt. In einem Statement hiess es: «Die Offenlegung von Informationen über unsere Beziehungen zur Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate könnte die bilateralen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten möglicherweise schädigen.»

Die bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Nationen haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Im September 2021 haben sich die VAE bereit erklärt, 10 Milliarden Pfund in grüne Energie, Technologie und Infrastruktur im Vereinigten Königreich zu investieren. Dies geschah zusätzlich zu früheren Investitionen von insgesamt mehr als einer Milliarde Pfund.