Union Berlin grüsst in der Bundesliga auch nach dem 10. Spieltag von der Tabellenspitze, längst ist um die Mannschaft von Urs Fischer eine Euphorie ausgebrochen. Die direkte Konkurrenz zeigt sich beeindruckt.
«Deutscher Meister wird nur der FCU!», hallt es am Sonntagabend durch das Stadion An der alten Försterei im Südosten Berlins. Soeben hat der 1. FC Union Berlin auch Borussia Dortmund in die Schranken gewiesen und dank eines 2:0-Heimerfolgs die überraschende Tabellenführung in der Bundesliga zementiert.
«Es ist das, was Spitzenteams ausmacht. Jeder weiss, was sie tun, und keiner kann es verhindern», zeigt sich BVB-Coach Edin Terzic als fairer Verlierer und lobt: «Es ist ein sehr reifer, geschlossener Spielstil. Sie stehen an der Tabellenspitze, weil sie es richtig gut machen. Man muss ihnen ein riesengrosses Kompliment machen.»
Und weiter: «Sie sind sich nicht zu schade, die Dinge zu tun, die wichtig sind. Und sie machen alles gemeinsam – in beide Richtungen. Sie wissen ganz genau, wie man Spiele gewinnt.»
Grosses Lob der Konkurrenz
Terzics Lobeshymne ist nur eine von vielen. «Union ist extrem schwer zu bespielen und hat ziemlich sicher die beste Defensiv-Organisation in der Bundesliga», schwärmt etwa auch Freiburgs Trainer und Identifikationsfigur Christian Streich. «Sie bekommen kaum Tore – wenn sie eines machen, haben sie fast schon gewonnen. Vielleicht ausser gegen Bayern, aber gegen viele Mannschaften. Es ist eine absolute Top-Mannschaft. Man kann nur alle Hüte ziehen, was da geleistet wird.»
Auch Ex-Weltmeister Philippe Lahm macht bei der «ARD» klar: «Sie sind eine Einheit auf dem Feld. Sie wissen, was sie zu tun haben. Sie konzentrieren sich in erster Linie aufs Verteidigen, machen das aber sehr gut. Und sie haben eine klare Vorgehensweise.»
Mit «grosser Hochachtung» verfolgt Marco Rose, Trainer bei RB Leipzig, die jüngsten Auftritte von Fischers Schützlingen. «Es ist eine aussergewöhnliche Entwicklung mit ganz klugen Kaderentscheidungen. Man fühlt auch von ausserhalb einen ganz klaren Plan», stellt Rose fest und fügt an: «Wenn Spieler dazukommen, merkt man gleich, das macht Sinn. Es sind alles Spieler, die das verkörpern, was Union will.»
Selbst Bayern-Trainer Julian Nagelsmann zeigt sich beeindruckt: «Sie mischen verdient oben mit, weil sie extrem gute Abläufe haben und im Donnerstags-Sonntags-Rhytmus immer voll da sind. Sie werfen alles rein und geben alles für den Sieg. Und dann ist es oft so, dass dich das Leben dafür belohnt.»
«Da würde Urs sicher böse werden»
Nach zehn Spieltagen hat Union die Begegnungen gegen die vermeintlichen Top-Teams der Liga bereits hinter sich – und bleibt gegen die drei vermeintliche grössten Gegner ungeschlagen. Nebst den Siegen über Dortmund und Leipzig trotzen die Unionen auch den Bayern ein Remis ab. Im Vergleich zur Konkurrenz weisen die Eisernen die wenigsten Gegentore auf und laufen mehr als jede andere Mannschaft.
Je länger der Lauf der Köpernicker anhält, desto dringender stellt sich die Frage: Wohin geht die Reise der Mannschaft von Urs Fischer? Spielt Union gar um den deutschen Meistertitel? Während der Berliner Anhang längst davon träumt und mittlerweile auch davon singt, will sich etwa Marco Rose in weiser Voraussicht nicht dazu äussern. «Da würde Urs sicher böse werden», sagt der Leipzig-Trainer und trifft damit wohl ins Schwarze.
«Ich verstehe es, aber es ist mir egal», sagt Fischer auf die Meister-Hoffnungen der Fans angesprochen. Das Träumen will er ihnen überlassen: «Es ist doch logisch, dass unsere Fans uns feiern und Lieder anstimmen. Sie dürfen auch träumen, aber wir nicht. Wir sollten unseren Fokus behalten.»
Fischer bremst die Euphorie
Fischer ist in erster Linie stolz auf die Punkteausbeute aus den bisherigen zehn Spielen, von welchen Union nur ein einziges verliert. «Diese Punkte haben wir nicht geschenkt bekommen. Für das haben wir doch einige aufwenden müssen», tritt der 56-Jährige auf die Euphorie-Bremse. «Wir stehen zwar an erster Stelle, aber wir haben weiter unsere Themen, an denen wir arbeiten müssen.» Deshalb sieht Fischer auch keinen Bedarf für eine Anpassung der Saisonziele: «Wir sollten erst mal die 40 Punkte erreichen, bevor wir über ein neues Ziel sprechen.»
In der Tat ist noch nicht einmal ein Drittel der Bundesliga-Saison absolviert. «Ich war auch schon woanders Trainer und weiss, dass man die Konstanz über 34 Spieltage braucht, um am Ende ganz oben zu stehen», weiss auch Bayern-Trainer Julian Nagelsmann – genau wie der achtfache Deutsche Meister Philipp Lahm, der prognostiziert: «Ich glaube, für die Deutsche Meisterschaft wird es nicht reichen.»
Vielleicht reicht es dafür im DFB-Pokal. Am Mittwoch empfängt Union Berlin in der zweiten Runde den Zweitligisten Heidenheim. Unterschätzen sollte das Team von Urs Fischer die Gäste nicht. So belegt Heidenheim aktuell den 4. Rang in der 2. Bundesliga.