Drohungen statt SteuernStaatsverweigerer machen der Gemeinde Andelfingen das Leben schwer
tchs
7.9.2023
Die Zürcher Gemeinde Andelfingen zählt vier Einwohner, die als Staatsverweigerer gelten – Personen also, die den Staat ablehnen. Für Gemeinderat und Verwaltung bedeuten sie grossen Mehraufwand.
tchs
07.09.2023, 21:38
tchs
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Die Zürcher Gemeinde Andelfingen muss sich aktuell mit sogenannten Staatsverweigerern herumschlagen.
Diese Personen glauben, staatliche Organe seien zu privaten Firmen umfunktioniert worden, sie lehnen den Staat komplett ab.
Für Andelfingen bedeutet das, dass diese Personen weder Wasser noch Strom zahlen.
Die Kantonspolizei gab schon Tipps zum Umgang mit den Staatsverweigerern.
Wie dem Andelfinger Mitteilungsblatt zu entnehmen ist, muss sich die Zürcher Gemeinde Andelfingen vermehrt mit sogenannten Staatsverweigerern auseinandersetzen. Der «Tages-Anzeiger» zitiert, Gemeinderat und Verwaltung seien sogar «übermässig beschäftigt» mit diesen Leuten. Diese Personen weigerten sich, Wasser und Strom zu bezahlen. Teils müsse die Polizei dafür sorgen, dass die Betreibungsdokumente übergeben werden. «Wahrlich eine Ressourcenverschwendung, aber leider unumgänglich», schreibt Gemeindepräsident Hansruedi Jucker im Vorwort des Mitteilungsblatts.
Auf Anfrage des «Tages-Anzeigers» erklärte Jucker zu den Staatsverweigerern: «Sie lehnen den Staat, also Bund, Kantone und Gemeinden, grundsätzlich ab.» Für sie sei der Staat lediglich eine Firma, die nicht das Recht habe, Steuern einzutreiben. Andelfingen habe schliesslich eine Mehrwertsteuernummer. Von diesen Fällen gibt es in der Gemeinde aktuell vier, sowohl Einzelpersonen als auch Mehrpersonen-Haushalte sind darunter. Eine örtliche Häufung gebe es nicht. Auch wenn vier Fälle nicht viele seien, bedeuten sie laut Jucker dennoch einen grossen Aufwand.
Da die Gemeinde nicht als staatliche Institution anerkannt wird, schicken die Staatsverweigerer ihre Post zurück, adressiert an den «Geschäftsführer» Hansruedi Jucker. Laut Jucker sind die Personen «ganz klar rechts stehend» zu verorten, erst seit der Pandemie seien sie in Adelfingen zum Thema geworden. Allerdings schliesst Jucker diesbezüglich nicht aus, dass dies lediglich Zufall sein könnte.
Staatsverweigerer fordern Steuern zurück
Hansruedi Jucker erhielt auch ein Schreiben, in dem Andelfinger Staatsverweigerer ihn dazu aufforderten, «die zu Unrecht eingeforderten Steuern» zurückzuzahlen, mit Zinsen. Auf Websites der Szene, auf der auch von einer ‹Staatssimulation› schwadroniert wird, lassen sich entsprechende Musterbriefe finden. Angeblich würde die öffentlich-rechtliche Schweiz - Bund, Kantone, Gemeinden - nicht mehr existieren, sondern nur vorgetäuscht. Staatliche Organe seien «verdeckt und illegal» zu Firmen umfunktioniert worden. «Von verdeckten Dirigenten» werde ein geheimer, globaler Privatisierungsprozess angeführt, wird da behauptet.
Die ungezahlten Rechnungen bedeuten für die Gemeinde längere Ausstände. Dies liege daran, dass die zweifache Mahnung sowie die Betreibung durch Pfändung sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Auch sei bei den Betreibungen auch schon Polizeischutz von Nöten gewesen, «da die Drohungen massiv waren», wie Jucker im Gespräch mit dem «Tages-Anzeiger» berichtete. Und: «Mindestens in einem Fall sind im Haushalt auch Waffen vorhanden.» Vor allem mit der Kantonspolizei sei die Gemeinde in Kontakt, doch auch die habe Mühe bei der Durchsetzung.
Die Kantonspolizei habe angeboten, Andelfingen zu unterstützen und mahnte zur Ruhe. Das Inkasso solle laut Empfehlung bis zur Pfändung durchgezogen werden. Falls die Drohungen zu stark ausfallen, solle Polizeischutz verlangt werden.
Phänomen «vor der Corona-Pandemie unbekannt»
«Das beschriebene Phänomen ist neueren Datums und war vor der Corona-Pandemie unbekannt», berichtet der Betreibungsbeamte Roland Eggenberger dem «Tages-Anzeiger». Das Betreibungsamt Andelfingen könne zu den Vollzügen mit Polizei-Begleitung jedoch keine Auskunft geben.
In der Schule - ebenfalls eine staatliche Institution - sind Staatsverweigerer allerdings kein Thema. Auch, wenn die man vermuten könnte, sie würden ihre Kinder im Homeschooling unterrichten.
Wie der Beobachter recherchiert hat, soll es hierzulande an die 10'000 Staatsverweigerer geben, die an die Erzählung von der privaten Firma glauben. Die Radikalisierung zahlreicher Personen erfolgte während der Corona-Pandemie, als sie als Massnahmengegner auf sich aufmerksam machten.