Gefährliche Mutation So gut wirken Impfungen gegen die Delta-Variante

uri mit Material von dpa

22.7.2021

Ein Jugendlicher wird Ende Juni im Impfzentrum von Giubiasco geimpft. (Archiv)
Ein Jugendlicher wird Ende Juni im Impfzentrum von Giubiasco geimpft. (Archiv)
Bild: Keystone

Die hoch ansteckende Delta-Variante des Coronavirus breitet sich weltweit aus. Entscheidend im Kampf gegen die Pandemie ist nicht zuletzt die Wirksamkeit der Impfstoffe gegen die Mutante – und hier gibt es Licht und Schatten.

uri mit Material von dpa

22.7.2021

Die Delta-Variante des Coronavirus ist nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) inzwischen in 124 Ländern nachgewiesen worden. Das sind 13 mehr als eine Woche zuvor. Und auch in der Schweiz ist die sehr ansteckende Mutante bereits vorherrschend.

Laut dem BAG machte sie im Sieben-Tage-Schnitt vor zweieinhalb Wochen bereits geschätzte 94,1 Prozent der sequenzierten Proben im Land aus. Die Delta-Variante dürfte damit neben gelockerten Massnahmen einer der wichtigsten Gründe für den raschen Anstieg der Fälle in der Schweiz sein. Kommt dazu, dass sich in der Ferienzeit deutlich mehr Menschen testen lassen. So meldete das BAG heute 861 Neuinfektionen – vor einer Woche waren es noch 582 Fälle gewesen.



Die rasch eintretende Dominanz von B.1.617.2, wie die Variante auch genannt wird, führt der britische Epidemiologe Neil Ferguson darauf zurück, dass sie noch einmal rund 60 Prozent ansteckender sei als die sogenannte Alpha-Variante. Diese ursprünglich in England entdeckte Mutante gilt wiederum als bedeutend infektiöser als der Ursprungstyp des Coronavirus.

Abnehmende Impfwirkung

Schlagzeilen macht Delta aber auch, weil die Mutante offenbar den Impfschutz unterlaufen kann. Das israelische Gesundheitsministerium, das lange nur über Erfolge der eigenen Impfkampagne berichten konnte, teilte vor rund zwei Wochen mit, dass die Wirksamkeit der Pfizer/Biontech-Impfung mit dem Aufkommen der Delta-Variante deutlich nachgelassen habe.



Seit dem 6. Juni sei die Effektivität des Vakzins bei der Verhinderung von Infektionen im Land auf 64 Prozent abgesunken. Ebenfalls nachgelassen habe auch die Symptomabwehr bei Erkrankungen. Schwere Erkrankungen und Hospitalisationen würden durch die Impfung allerdings immer noch zu 93 Prozent abgewehrt.

Im Februar hatte das Gesundheitsministerium noch mitgeteilt, der Impfstoff von Pfizer/Biontech verhindere eine Corona-Erkrankung zu 95,8 Prozent. Das Auftreten von Symptomen wie Fieber und Atembeschwerden werde zu 98 Prozent verhindert und zu rund 99 Prozent Spitalaufenthalte, schwere Erkrankungen und Tod.

Die zweite Dosis macht den Unterschied

Laut einer gross angelegten aktuellen Studie, die nun im «New England Journal of Medicine» veröffentlicht worden ist, macht es dabei allerdings einen sehr grossen Unterschied, ob man nur einmal oder bereits zweimal mit den für die Studie herangezogenen Impfstoffen von Biontech/Pfizer oder Astrazeneca geimpft wurde.

Laut der Untersuchung mit 19'000 Probanden kommen die Wissenschaftler*innen zu dem Ergebnis, dass eine Dosis des Vakzins von Biontech/Pfizer lediglich zu 36 Prozent vor der Delta-Variante schützt. Im Falle von Astrazeneca waren es mit 30 Prozent sogar noch etwas weniger.

Nach der zweiten Dosis stieg die Wirksamkeit bei Biontech/Pfizer aber auf 88 Prozent und bei Astrazeneca ging sie immerhin auf 67 Prozent hoch. Die Impfstoffe waren damit nur wenig effektiver als im Fall der Alpha-Variante, wo Biontech/Pfizer nach der Zweitimpfung auf einen Wert von 93 Prozent kommt und Astrazeneca auf 74,5 Prozent.

Robustere Immunantwort muss sich erst entwickeln

Wie Akiko Iwasaki von der US-amerikanischen Yale University der US-Ausgabe des «Business Insider» erklärte, ermöglicht erst die zweimalige Impfung dem Körper, eine robustere Immunantwort auf das Coronavirus zu entwickeln: «Das ist der Grund, warum die zweite Dosis viel reaktiver ist.»

Experten wie der Berliner Virologe Christian Drosten wiesen bereits früher darauf hin, dass man nicht nachlässig werden dürfe und darauf achten müsse, dass man aus Bequemlichkeit oder anderen Gründen darauf verzichte, die zweite Impfung abzuholen. Auch Matt Hancock, damals noch britischer Gesundheitsminister, erklärte bereits im Mai zu einem Vorabdruck der Studie: «Es zeigt, wie wichtig die zweite Dosis für einen stärkeren Schutz gegen Covid-19 und die Varianten ist.»

Weitere Studien belegen Gefährlichkeit der Variante

Die Weltgesundheitsorganisation WHO erkennt unterdessen noch weitere Gründe für Sorgen wegen Delta. Am Mittwoch zitierte sie aus bislang noch nicht veröffentlichten Untersuchungen aus China und Kanada, die die Gefährlichkeit der Variante weiter untermauern.

Demnach wurden in China Menschen untersucht, die nach Kontakt mit einem Delta-Variante-Infizierten in Quarantäne waren. Laut der Studie sei der PCR-Test bei diesen Personen bereits nach durchschnittlich vier statt wie bei früheren Varianten nach sechs Tagen positiv gewesen. Zudem sei die Viruslast beim ersten Positivtest 1200-mal höher gewesen als bei ursprünglichen Virusvarianten. «Das legt nahe, dass diese besorgniserregende Variante sich möglicherweise schneller vermehrt und in den frühen Stadien der Infektion ansteckender ist», erklärt die WHO.

Der kanadischen Studie zufolge waren bei einer Covid-19-Erkrankung mit Delta-Variante auch die gesundheitlichen Risiken deutlich höher als bei frühen Corona-Typen: Das Risiko, ins Spital zu müssen, war demnach um etwa 120 Prozent erhöht, und die Gefahr, Intensivpflege zu benötigen, um etwa 287 Prozent. Das Sterberisiko war um etwa 137 Prozent höher.

Weltweit steigen die Fälle stark an

Weltweit ist die Zahl der gemeldeten Corona-Neuinfektionen in der Woche bis zum 18. Juli um 12 Prozent auf rund 3,4 Millionen gestiegen. Die grösste Zahl erfasster neuer Fälle verzeichneten demnach Indonesien (plus 44 Prozent) und Grossbritannien (plus 41 Prozent).



Die WHO sieht vier Gründe für den Anstieg: die neuen hochansteckenden Virusvarianten, die Lockerung von Corona-Schutzmassnahmen, mehr soziale Kontakte und die hohe Zahl von Menschen, die noch nicht geimpft werden konnten, weil Impfstoffe zwischen reichen und armen Ländern ungleich verteilt sind.